Suchmaschinen sollen gemeinsame Filterliste erstellen

Das Aufsichtsgremium jugendschutz.net hat an Suchdienste eine Erklärung versandt, mit der sich diese zum Aufbau einer schwarzen Liste für unzulässige und jugendgefährdende Adressen verpflichten sollen.

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Das Mainzer Aufsichtsgremium jugendschutz.net, eine gemeinsame Einrichtung der Jugendministerien der Länder, hat an Betreiber von Suchdiensten eine "Verpflichtungserklärung" zum Aufbau und Austausch einer schwarzen Liste für "unzulässige und jugendgefährdende Adressen" und Keywords verschickt. Mit dem Dokument, das heise online vorliegt, sollen sich die Anbieter dazu bereit erklären, die illegalen und die jugendgefährdenden "Fundstellen" in Suchindexen und Webkatalogen zu sperren. Ferner verpflichten sich die Unterzeichner zu Vorsorgemaßnahmen, um eine unbeabsichtigte Konfrontation von Kindern und Heranwachsenden mit problematischen Inhalten zu verhindern. Die Filterlisten sollen die Mitglieder des Informationsverbunds "weder an unbefugte Dritte weitergeben, noch in anderer Weise öffentlich machen". Das Gremium weist dabei gesondert darauf hin, dass ein Verstoß gegen diese Auflage, "auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen" kann.

Der zentralen Jugendschutz-Einrichtung der Länder reicht es anscheinend nicht, dass die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (vormals: Schriften) gemäß des neuen Jugendschutzgesetzes des Bundes künftig auch ohne Antrag alle Mediengattungen inklusive Internetseiten auf ihre Verbotsliste setzen darf. Mit Hilfe der Verpflichtungserklärungen und dem darauf basierenden Verbund der Suchdienste plant das Gremium zumindest den Kampf gegen den Schmutz im Netz in der ungewöhnlichen Form der Public Private Partnership zu "effektivieren". Übergangsweise will jugendschutz.net den Austausch der schwarzen Liste organisieren und dafür auf ihrem Webserver einen zugangsgeschützten Download-Bereich einrichten. Langfristig soll der Austausch der Geheimindizes datenbankgestützt über eine selbstorganisierte Plattform der Suchmaschinen-Betreiber erfolgen.

Für das Vorhaben macht sich auch die Bertelsmann Stiftung stark, die in der vergangenen Woche Anbieter von Suchdiensten zu einem Workshop unter dem unscheinbaren Titel "Transparenz im Netz" geladen hatte. Auf der Tagung wurde das Projekt zum Aufbau der schwarzen Liste besprochen. Ein Mitarbeiter der Stiftung wollte sich gegenüber heise online allerdings noch nicht zu konkreten Ergebnissen äußern. Alles sei "noch in der Vorbereitungsphase".

Bei einer Umfrage unter betroffenen Unternehmen signalisierten viele Betreiber vorab Zustimmung zu dem Projekt. Das der mit Bertelsmann verbundene Suchdienst Lycos an Bord gehen dürfte, ist keine Frage. Aber auch Sprecher von Searchengines und Webkatalogen wie AltaVista, MSN Search und Web.de erklärten gegenüber heise online, die Verpflichtungserklärung im Falle eines Falles unterschreiben zu wollen. Alle gaben an, den Jugendschutz generell seit langem ernst zu nehmen. Teilweise existieren auch bereits konkrete Kooperationen mit jugendschutz.net. Gerade bei Katalogen sind zudem schon eigene Index-Listen installiert, die etwa beim "Allesklar"-Verzeichnis der MSN-Suche mehrere tausend Keywords umfassen. Umsetzungsprobleme sehen nur die internationalen Anbieter von Suchdiensten. So hieß es bei AltaVista, dass "die unterschiedliche Rechtsprechung in den verschiedenen Ländern die Sache kompliziert" mache. Schließlich seien die lokalen Indizes alle Bestandteil des übergeordneten Hauptindex.

Prinzipiell wirft der Aufbau des geplanten Filterverbunds allerdings rechtsstaatliche Fragen auf. Experten wie der Bundesverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem weisen inzwischen offen auf die Gefahr der Etablierung privater "Zensur"-Macht durch die in Deutschland geschaffenen Haftungsregeln hin. "Diese unterliegt nicht den gleichen rechtsstaatlichen Vorkehrungen vor Missbrauch, etwa für Transparenz, wie die Kontrollmacht des Staates", schreibt der Karlsruher Richter in einem Beitrag für das Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 2002. Das Grundrecht auf multimediale Selbstbestimmung und -entfaltung, das Hoffmann-Riem aus der rechtlich geprägten Informationsordnung im Grundgesetz ableitet, müsse in diesem Zusammenhang stärker beachtet werden. Zu befürchten sei zudem, dass durch das Vorhaben erneut auch "Erwachsenenschutz" unter dem Deckmantel des Jugendschutzes betrieben werde. (Stefan Krempl) / (jk)