Manifest: "Europa braucht vertrauenswürdige Hard- und Softwarehersteller"

Die Open Source Business Alliance fordert, die digitale Souveränität mit "offener, allgemein überprüfbarer Technologie" zu stärken. Der Staat müsse handeln.

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(Bild: Sasun Bughdaryan/Shutterstock.com)

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"Um selbstbestimmt handlungsfähig zu bleiben, braucht Europa wieder eigene vertrauenswürdige Hard- und Softwarehersteller." Diese müssten "auf Weltmarktniveau wettbewerbsfähig" sein. Dies postuliert die Open Source Business Alliance (OSBA) in einem am Donnerstag veröffentlichten "Manifest für digitale Souveränität". Anbietervielfalt und Offenheit sind demnach "der beste Schutz gegenüber Abhängigkeiten".

Europäische Initiativen, die den Aufbau ganzer digitaler Ökosysteme vorantreiben, müssen dem Papier zufolge "nachhaltig und massiv unterstützt" sowie auch gleich mit Partnern vor Ort initiiert werden. "Über Jahrzehnte haben der Hard- und Softwaresektor in Europa und Deutschland an globaler Bedeutung und damit an Gestaltungsfähigkeit verloren", begründet der Zusammenschluss von rund 170 Unternehmen seinen Appell. Diese Entwicklung müsse umgekehrt werden, um "zentrale Schlüsseltechnologien und -kompetenzen" aufzubauen und weiterzuentwickeln.

Zuvor hatten Studien Deutschland und Europa einen hohen Grad der Abhängigkeit vor allem von Softwareherstellern wie Microsoft attestiert. Zur Stärkung der digitalen Souveränität hält es der Verband daher für unerlässlich, dass der Staat selbst als "Leitnachfrager" alternativer offener Lösungen fungiert. Die Nutzung von Open-Source-Software und anderer offener Technologien sowie die Einhaltung europäischer Standards sollten "Mindestmaß für die öffentliche Beschaffung werden". Lösungen etwa mit freier Software müsse die öffentliche Hand beim Einkauf "bei gleicher funktionaler Eignung" bevorzugen, heißt es in der Deklaration. So ließen sich "Investitionssicherheit, Transparenz und Vertrauenswürdigkeit" erhöhen und dauerhafte Abhängigkeiten verringern.

Für das Publizieren von Code in öffentlich zugänglichen EU-basierten Repositorien sollten wirksame Anreize geschaffen werden. Open Source müsse dabei "als wesentlicher Bestandteil von Wissens- und Technologietransfer" unterstützt werden. "Vertrauenswürdige IT entscheidet über den Erfolg der Digitalisierung in Deutschland", ist dem Manifest zu entnehmen. Dies werde am besten mit "offener, allgemein überprüfbarer Technologie erreicht". Es dürfe keine Hintertüren oder sonstige Kanäle geben, über die Daten in die Hände Unbefugter gelangen könnten. Wer Schwachstellen bewusst offen lasse, schade der digitalen Integrität.

Wirtschaft, Staat und Bürger müssten in der Lage sein, "vertraulich und geschützt in digitalen Netzen zu kommunizieren". Als wichtigen Hebel für digitale Souveränität bezeichnet die OSBA "technologieoffene Forschung, Entwicklung und Innovationen in der Wertschöpfung". Freie Software sei dabei ein wichtiger Treiber und sollte zum Standard gemacht sowie genutzt werden. Die Macher der Corona-Warn-App seien hier mit gutem Beispiel vorangegangen.

Deutsche und europäische Unternehmen müssen laut der Erklärung zugleich eine "aktivere Rolle bei Festlegung und Durchsetzung offener Standards spielen". Dazu könne die Förderung gerade kleiner und mittlerer Unternehmen bei der oft aufwändigen Mitarbeit in internationalen Normungsgremien sinnvoll sein, insbesondere wenn es um strategisch relevante Standards mit Open-Source-Referenzimplementierung gehe. Diese kämen "unabhängig von Einzelinteressen der gesamten Wirtschaft und der Verwaltung" zugute.

Deutschland und Europa benötigten den besten "Digital Backbone" weltweit, lautet eine weitere Forderung. Ein europäischer Open-RAN-Ansatz für Mobilfunknetzwerke und die unter Abgängen leidende Cloud-Initiative Gaia-X seien "zwei wichtige Standardisierungsprojekte", die weiter und intensiver gefördert werden sollten. Generell müssten mit europäischen Partnern Schlüsseltechnologien aufgebaut und "vor dem Ausverkauf gesichert werden". Eine zentrale Rolle spielt dem Manifest zufolge die "digitalpolitische Handlungs- und Sprechfähigkeit des Staates, sowohl national als auch auf europäischer und globaler Ebene". Dazu müssten relevante Gesetzgebungsverfahren jeweils einem Ministerium zugeordnet werden. Im Interesse schlanker Prozesse sollte die Zahl der beteiligten Stellen auf ein Minimum reduziert werden.

Ein weiterer Punkt lautet: "Es müssen Möglichkeiten geschaffen und ausgebaut werden, digitale Kompetenzen zu erwerben und lebenslang weiterzuentwickeln, die für eine aufgeklärte Nutzung und Gestaltung von digitalen Technologien und dadurch zur Teilnahme am gesamten gesellschaftlichen Leben erforderlich sind". Neben rein technischen Kenntnissen zählten dazu "Metakompetenzen, die helfen, die Digitalisierung und deren Implikationen für das Arbeits- und Privatleben besser zu verstehen und damit umzugehen".

Der Digitalpakt-Schule war für die Allianz ein erster guter Ansatzpunkt, vor allem infrastrukturelle Defizite an Schulen auszugleichen. Er müsse nun verstetigt und um die Sicherstellung der technischen Betreuung ergänzt werden. Lehrer bräuchten mehr Mut, um digitale Technologien zu nutzen und entsprechende Kompetenzen zu vermitteln. Hilfreich könnten hier Sonderprogramme sein, die ihnen "fachspezifisch helfen, Digitalisierungselemente wie Apps oder auch Serious Games in den Unterricht einfließen zu lassen".

(kbe)