Jugendschutz bei digitalen Medien aus der Blackbox

Weitere öffentliche Diskussionen zum geplanten Jugendmedienschutzstaatsvertrag sind von Seiten der Rundfunkreferenten der Länder offenbar unerwünscht.

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Von
  • Monika Ermert

Weitere öffentliche Diskussionen zum geplanten Jugendmedienschutzstaatsvertrag sind von Seiten der Rundfunkreferenten der Länder offenbar unerwünscht. Eine Neufassung des umstrittenen Dokuments, das für einheitlichen Jugendschutz über alle Medien einschließlich des Internet sorgen soll, wird derzeit von einer Arbeitsgruppe unter Federführung des Rundfunkreferenten in Rheinland-Pfalz hinter verschlossenen Türen für das Treffen der Staatskanzleichefs am 8. August vorbereitet. Im September sollen auf dieser Grundlage die Ministerpräsidenten der Länder den Staatsvertrag unterzeichnen. Die Beschlussvorlage wird von den Rundfunkreferenten unter Verschluss gehalten.

In der ursprünglichen Tischvorlage der Länderarbeitsgruppe vom 1. Juli, die heise online vorliegt, waren zentrale von der Wirtschaft gemachte Einwände nicht aufgegriffen worden. Nach wie vor wird so etwa keine explizite Unterscheidung von Zugangs-, Hosting- und Access-Providern vorgenommen. Aus dem Kreis der Rundfunkreferenten verlautete zwar, "reine Accessprovider brauchten zunächst nichts zu tun", da der Staatsvertrag auf Mediendienste-Staatsvertrag und Teledienstegesetz verweist. Dort ist eine "abgestufte Verantwortlichkeit" für eigene und fremde Inhalte festgelegt. Allerdings heißt es im Entwurf zum Staatsvertrag: "Sofern Anbieter Angebote, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, verbreiten oder zugänglich machen, haben sie dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen."

"Wir hätten uns eine deutlichere Differenzierung bei den Anbietertypen gewünscht", sagt daher auch Wolf Osthaus, Referent für Medienpolitik beim Branchenverband Bitkom. Im Übrigen müssen Access-Provider gerade auch auf Grund des Paragraphen 22 des Mediendienste-Staatsvertrags weiterhin damit rechnen, doch für fremde Inhalte in die Pflicht genommen zu werden, etwa mit schwarzen Listen oder ähnlichem. "Man will sich die Büssow-Linie offensichtlich offen halten," so Osthaus.

Auch bei der Einführung von Filterprogrammen, beziehungsweise einem generellen Rating von Inhalten für Jugendliche nennt der neue Staatsvertrag sowohl Anbieter, die Telemedien verbreiten, als auch die, die sie zugänglich machen. Gewerbsmäßige Anbieter von Telemedien sollen "auch die für Kinder und Jugendliche unbedenklichen Angebote für ein anerkanntes Jugendschutzprogramm programmieren, soweit dies zumutbar und ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist." Gedacht ist hier ganz offenbar an Self-Rating-Verfahren wie ICRA.

Die Jugenschutzprogramme sollten als "Angebot an die Veranstalter" verstanden werden, heißt es offiziell, mit denen sie "wahlweise" ihrer Pflicht im Bereich Jugendschutz nachkommen können. Außerdem müssen Anbieter Jugendschutz-Beauftragte benennen, oder sich von Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle überprüfen lassen. Der Zwang zur Anerkennung dieser Einrichtungen durch die nach dem Staatsvertrag neu gebildete Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) war ein weiterer Streitpunkt mit der Wirtschaft, ebenso wie die dominierende Position der Landesmedienanstalten in der KJM. Mit dieser Konstruktion verschwimmen die Rollen von staatlicher Aufsicht und freiwilliger Selbstkontrolle. ICRA hatte sich jahrelang als ein Instrument präsentiert, das völlig auf freiwillige Nutzung durch Anbieter und Eltern setzt.

Bedenklich erscheint auch die Ungewissheit über die zu erwartende Spruchpraxis, der vage Formulierungen im Staatsvertrag viel Interpretationsspielraum eröffnen, zum Beispiel bei der Inkriminierung von Inhalten, "die offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer (zu) gefährden." Ähnlich vage sind die Werberegeln. Schließlich warnen Experten vor der totalen Begriffsverwirrung: Neu eingeführt wird der Begriff "Telemedien", unter den dann "Teledienst"- und "Mediendienst"-Angebote zusammengefasst werden. Das neue Jugendschutzgesetz unterscheidet aber noch einmal zwischen "Trägermedien" und Telemedien. Man wolle der Rechtspraxis in der Umsetzung des Staatsvertrags durchaus Raum und Zeit geben, sagte ein Rundfunkreferent. Angesichts von Bußgeldern bis zu einer Höhe von 500.000 Euro dürfte die damit entstehende Rechtsunsicherheit Veranstaltern und Inhalteanbietern allerdings wenig gefallen. (Monika Ermert) / (jk)