Urheberrechts-Novelle bleibt heftig umstritten

Der verabschiedete Kabinettsentwurf sieht eine Kennzeichnungspflicht für kopiergeschützte Werke vor, hebelt das Recht auf die Privatkopie im digitalen Bereich aber weiterhin aus.

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Wirtschaftsverbände und Politiker von Bündnis90/Die Grünen sind enttäuscht von dem neuen Entwurf für ein Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft. Das vom Bundeskabinett gestern in aller Stille abgesegnete Papier enthält vor allem redaktionelle Änderungen. Die fundamentale Kritik an dem ursprünglichen Referentenentwurf, die es im Frühjahr sowohl von Industrieverbänden wie auch von Nutzergruppen und Forschern hagelte, hat das federführende Bundesjustizministerium dagegen nicht aufgegriffen. So gibt es keine Klarstellungen zum umstrittenen Kernparagraphen 95a, der Kopierschutzmaßnahmen und Systeme zum Digital Rights Management (DRM) unter den zusätzlichen Schutz des Gesetzes stellt; außerdem gibt es keine Regelung zu elektronischen Pressespiegeln. Auch die für die Wissensgesellschaft wichtige Frage der urheberrechtlichen Behandlung von Archivbeständen klammern die Verfasser weiterhin aus. Die Begründung lautet nach wie vor, dass zunächst eine möglichst inhaltsnahe Umsetzung der Copyright-Richtlinie der EU erfolgen solle.

Eine der wichtigsten Neuheiten des Entwurfs ist der eingefügte Paragraph 95d. Wie vor allem von Matthias Berninger, grüner Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium gefordert, müssen kopiergeschützte Werke und insbesondere Musik-CDs in Zukunft nach den Plänen der Regierung "deutlich sichtbar mit Angaben über die Eigenschaften der technischen Maßnahmen" gekennzeichnet werden. Die Vorschrift "soll den Verbraucher über Umfang und Wirkungen der Schutzmaßnahmen in Kenntnis setzen," damit er daran seine Kaufentscheidung ausrichten kann.

Für eine weitere Forderung Berningers konnten sich Justizministerium und die restlichen Ressorts dagegen nicht erwärmen. Der Staatssekretär hatte sich vehement dafür ausgesprochen, das Recht auf die Privatkopie auch im digitalen Umfeld voll zu erhalten. In einer Pressemitteilung der Bundesregierung zur gestrigen Kabinettsentscheidung heißt es zwar nun, dass "die digitale Privatkopie zulässig wird". Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit: Nach wie vor kann die Informationsindustrie mit DRM-Systemen dem privaten, digitalen Kopieren einen Riegel vorschieben. Die Durchsetzung der Rechte der Nutzer, die in den so genannten Schrankenregeln in Paragraph 95b nun fein säuberlich noch einmal aufgeführt werden, gelten nämlich nicht in vollem Umfang für die Privatkopieregelung. Gegen derartige juristische Tricks haben sich inzwischen fast 28.000 Surfer im Rahmen der Petition privatkopie.net ausgesprochen. Das Bundeskanzleramt und das Justizministerium scheinen davon allerdings noch kaum Kenntnis genommen zu haben.

Eine weitere Änderung findet sich noch in Paragraph 95a, der zufolge Strafverfolger in Zukunft technische Kopierschutzsperren umgehen dürfen. Schärfer gefasst wurden dagegen die strafrechtlichen Bestimmungen in § 108b zur Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen: Demnach wird nun "auch nicht gewerbsmäßiges Handeln als Ordnungswidrigkeit erfasst".

Wirtschaftsverbände wie der Bitkom kritisieren nun, dass zwar im Vorfeld des neuen Entwurf "viel angehört, aber wenig geändert wurde". Sauer aufgestoßen ist den Lobbyisten auch, dass der Kabinettsentwurf ihnen nicht mehr vorab zur Kenntnis gegeben wurde und die Bundesregierung mitten im Hochsommer Nägel mit Köpfen zu machen versucht. Dringenden Nachbesserungsbedarf sehen aber auch nach wie vor Bundestagspolitiker wie die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Grietje Bettin. Sie erklärte gegenüber heise online, dass vor allem die Durchsetzung der Privatkopie im digitalen Bereich im Herbst noch ein heißes Thema werden würde. Der neue Entwurf muss nun zunächst den Bundesrat passieren und kommt dann in den Bundestag, wo er in den Ausschüssen noch überarbeitet werden könnte. (Stefan Krempl) / (jk)