Rätsel bald gelöst? – Wohl ganze Kette von Galaxien ohne Dunkle Materie

Ein Forschungsteam an der Yale-Universität erforscht weiter Galaxien, denen offenbar die Dunkle Materie fehlt. Womöglich haben sie jetzt viele weitere gefunden.

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Die Galaxien-Kette – darunter auch DF2 und DF4

(Bild: P. van Dokkum et al/Nature 2022)

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Zwei mysteriöse Galaxien ohne Dunkle Materie sind womöglich Teil einer regelrechten Kette von bis zu elf ähnlichen Objekten, denen allesamt die rätselhafte, bisher nur theoretisch beschriebene Materie fehlt. Das hat ein Forschungsteam um den Astronomen Pieter van Dokkum von der Universität Yale herausgefunden.

Dokkum hatte bereits die beiden Galaxien DF2 und DF4 entdeckt und meint jetzt, der Lösung des Rätsels näherzukommen. Die Galaxien ohne Dunkle Materie seien Ergebnis einer gigantischen Kollision vor rund acht Milliarden Jahren. Gefunden hat sein Team womöglich sogar die beiden ursprünglich kollidierten Galaxien mit ihrer Dunklen Materie. Das Forschungsteam liefert damit gleich eine Reihe von messbaren Vorhersagen, die jetzt überprüft werden können.

Seit ihrer Entdeckung 2018 und 2020 stellen die Galaxien NGC 1052-DF2 sowie NGC 1052-DF4 Astronominnen und Astronomen vor ein "komplettes Rätsel". Die Bewegungen der Sterne in den beiden Galaxien können fast ausschließlich durch ihre eigene Gravitation erklärt werden, für Dunkle Materie lassen die Messdaten anders als bei allen anderen bekannten Galaxien keinen Raum. Dass äußerst ungewöhnliche Kollisionen Galaxien ohne Dunkle Materie erschaffen können, hatten Simulationen nahegelegt und das Forschungsteam um van Dokkum sieht das jetzt auch als Erklärung. Sie meinen, zwei Vorläufergalaxien seien vor Milliarden Jahren kollidiert. Deren Sterne wären dabei aneinander vorbeigesegelt und wie die Dunkle Materie in den Galaxien verblieben.

Interstellares Gas beider Galaxien aus den Regionen zwischen deren Sternen wäre aber durchaus kollidiert, hätte sich verdichtet und wäre dadurch langsamer geworden. Zwischen den auseinander fliegenden Vorläufergalaxien hätten sich daraus dann neue Galaxien gebildet, ganz ohne Dunkle Materie. Mit dieser Hypothese hätten sie dann am Himmel nach Überresten dieser Kollision gesucht und sind angeblich wirklich fündig geworden. Insgesamt haben sie sieben bis elf mögliche Galaxien gefunden, die wie an einer Kette aufgereiht liegen würden – DF2 und DF4 befinden sich dabei an deren Ende. Alle teilen demnach die Eigenschaften der beiden Galaxien ohne Dunkle Materie. Sogar die Überreste der beiden Vorläufergalaxien hat das Team demnach gefunden.

Der postulierte Ablauf

(Bild: P. van Dokkum et al/Nature 2022)

Ob diese Theorie stimmt, kann nun experimentell bestätigt werden: Einerseits kann überprüft werden, ob sich die identifizierten Galaxien tatsächlich alle auf einer Linie befinden und ob ihre Eigengeschwindigkeit zu dem Erklärungsversuch passt. Außerdem stellt sich die Frage, ob sie tatsächlich alle frei von Dunkler Materie sind. Die mutmaßlichen Vorläufergalaxien wiederum müssten über vergleichsweise viel Dunkle Materie verfügen. Anhand der Bewegungen der Sterne dort könnte das geprüft werden.

Noch sind jedenfalls nicht alle von der Theorie überzeugt, schreibt das US-Wissenschaftsmagazin Nature, wo van Dokkum und sein Team die Forschungsarbeit veröffentlicht haben. Der genau postulierte Ablauf sollte sich zudem mit Simulationen nachvollziehen lassen, meint die Astronomin Mireia Montes.

Die rätselhafte Dunkle Materie wurde zwar bislang nicht direkt beobachtet, aber ihr Einfluss ist im Weltraum überall zu sehen. Dass es sie gibt, gilt als sicher. Worum es sich genau handelt, ist eine der aktuell drängendsten Fragen der modernen Physik. Die Galaxien DF2 und DF4 und das angebliche Fehlen von Dunkler Materie dort, werden seit Jahren kontrovers diskutiert. So hatten andere Messungen zwischenzeitlich nahegelegt, dass uns die zuerst entdeckte von ihnen deutlich näher ist, als angenommen. Das Rätsel schien gelöst. Doch später wurde ermittelt, dass sie sogar viel weiter entfernt ist. Es fehlte also noch mehr Dunkle Materie. Ob sich mit der postulierten Kollision die Lösung des Rätsels nähert, ist noch nicht abzusehen. Sollte es so sein, könnte das auch bei der Erforschung der Dunklen Materie immens helfen.

(mho)