Klimaerhitzung: Nordrhein-Westfalen prüft nach massiven Tornado-Schäden Hilfen

Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 muss Nordrhein-Westfalen die nächste Katastrophe nun in Ostwestfalen-Lippe bewältigen. Dort tobten Tornados.

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(Bild: eskystudio / Shutterstock.com)

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Verheerende Tornados hatten am Freitag in mehreren Orten Ostwestfalen-Lippes massive Zerstörungen angerichtet. Allein in Paderborn wurden 43 Menschen verletzt, darunter 13 schwer. Das Land Nordrhein-Westfalen muss sich nun innerhalb weniger Monate mit den nächsten Wiederaufbaumaßnahmen innerhalb seiner Landesgrenzen befassen.

Die Flutkatastrophe an der Ahr ist noch kein ganzes Jahr her, die Schäden dort sind noch lange nicht bewältigt. Landespolitiker machen in ersten Reaktionen klar, dass die Extremwetter-Ereignisse, die auf die zunehmende, menschengemachte Erderhitzung zurückzuführen sind, schon jetzt massive Schäden verursachen.

Der auch nach der jüngsten NRW-Wahl noch im Amt befindliche Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erklärte während eines Besuchs in Paderborn am Samstag, dass das Land jetzt den Bedarf nach Hilfen auslote: "Hier wird sehr vieles versichert sein. Und da, wo Bedarf ist, werden wir genau prüfen, wie wir helfen können. Wir haben ja auch Schäden an der öffentlichen Infrastruktur gesehen". Es müsse jetzt zunächst genau bewertet werden, wo Schäden nicht abgedeckt seien.

Weit mehr als 100 Gebäude weisen nach einer ersten Bilanz der Stadt Paderborn Zerstörungen auf, Betriebe hätten mit enormen Schäden zu kämpfen. Zum einen wurde im Stadtkern eines der markantesten Gebiete der Stadt verwüstet, das Paderquellgebiet. Hier dominieren die Baumschäden. Aber auch auf der Ringstraße um den mittelalterlichen Stadtkern herum und in den angrenzenden Wohngebieten ist die Zerstörung groß. In einem der größeren Gewerbegebiete der Stadt wurden die Dächer einiger Läden und Betriebe wie Sardinendosendeckel aufgedreht. Transporter und LKW wurden wie Spielzeugautos auf Dächer und Seiten gestoßen. Nach Schilderung der örtlichen Behörden hatte der Tornado eine etwa 300 Meter breite und fünf Kilometer lange Schneise der Verwüstung quer durch die Großstadt angerichtet.

Auch in Lippstadt im Kreis Soest und in der Stadt Höxter im östlichsten Teil von NRW trat ein Tornado auf, bestätigte der Deutsche Wetterdienst. Aus Lippstadt und Höxter lagen der Polizei neben Schadensberichten keine Verletztenmeldungen vor, trotzdem soll auch hier der Schaden groß sein.

Im Kreis Soest sei etwa besonders der Ortsteil Hellinghausen stark betroffen, wo der Tornado die Kirchturmspitze heruntergerissen habe und auf dem Dach der geschichtsträchtigen Kirche St. Clemens schwere Schäden angerichtet habe.

Die enormen Tornado-Schäden in mehreren Städten zeigen nach Ansicht Wüsts einmal mehr, dass mit häufigeren Extremwetter-Ereignissen gerechnet werden muss: "Wenn man heute diese Schneise der Verwüstung hier sieht, dann fasst das einen schon an. Dann sieht man, dass das eben auch bei uns leider möglich ist, und wir müssen uns darauf einrichten, dass so etwas hier häufiger passiert." Laut Wüst müsse man auf solche Ereignisse vorbereitet sein, was einen funktionierenden Katastrophenschutz umfassen dürfte. Er unterstrich vor der Kulisse der Zerstörungen aber auch "die Bedeutung des Klimaschutzes". Diese sehe "man auch an einem solchen Unglück."

Paderborns Bürgermeister Dreier (CDU) versicherte den Betroffenen: "Wir haben als Stadt gesagt, mit dem Kreis gemeinsam gehen wir in Vorleistung. Wir haben viele Familien in den Hotels untergebracht. Und wir haben ganz unkompliziert gesagt, wir werden uns hier als Stadt gemeinsam mit dem Kreis einbringen und unkompliziert die Lösungen voranbringen."

Nach Angaben der Stadtverwaltung von Sonntag bleiben fünf Schulen in Paderborn, darunter ein Gymnasium, ganz oder teilweise vorerst geschlossen. Es könne noch kein sicherer Zugang zu diesen Gebäuden gewährleistet werden, sagte ein Stadtsprecher der dpa.

Auch in Lippstadt beeinträchtigen die Tornado-Schäden den Schulbetrieb und das Kita-Angebot. Sieben Schulen, darunter zwei Gymnasien, sowie fünf Kitas bleiben vorerst geschlossen, weil ein sicherer Zugang in den nächsten Tagen voraussichtlich nicht gewährleistet werden könne.

"Angesichts des Ausmaßes der Schäden, die wir an den verschiedenen Standorten sehen, ist es zurzeit undenkbar, dass dort in den nächsten Tagen Unterricht stattfinden kann", sagte Bürgermeister Arne Moritz (CDU). Von Gebäuden und vom Umfeld gingen noch immer Gefahren aus. Für die partiell noch anstehende Abiturprüfungen und Klausuren würden aktuell Alternativen gesucht, um diese durchführen zu können.

Höxters Bürgermeister Daniel Hartmann (CDU) berichtete von einer "Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität". "Jeder packt mit an, ob mit der Motorsäge oder bei der Verpflegung der unzähligen Helfer", schrieb er am Sonntag auf Facebook. Abgedeckte Dächer, einsturzgefährdete Häuser, verwüstete Straßenzüge, zerstörte Autos und abgeknickte Bäume – solche Bilder habe er bisher nur aus dem Fernsehen gekannt.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) bestätigte am Samstag insgesamt drei Tornado-Verdachtsfälle in NRW – in Paderborn, Lippstadt und Höxter. Die Tornados hätten sich in Zusammenhang mit kräftigen Gewittern gebildet. Sie seien kleinräumig aufgetreten. Es habe auch Niederschläge von teilweise 30 bis 40 Liter pro Quadratmeter in kurzer Zeit während der Unwetter am Freitag gegeben. Die Gewitter seien aber relativ schnell durchgezogen. An manchen Stellen habe es gehagelt.

Wie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Samstag mitteilte, waren landesweit über 7500 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Hilfsorganisationen binnen 48 Stunden ausgerückt. Sie hätten dabei alles gegeben, um noch Schlimmeres zu verhindern.

(kbe)