Qwant-Gründer wegen Ausspähens von E-Mails verurteilt
Ein Manager spioniert den anderen aus – ausgerechnet bei der Datenschutz-Suchmaschine Qwant. Mitgründer Éric Leandri muss Strafe und Schadenersatz zahlen.
Qwant sollte Europas datenschutzfreundliche Alternative zu Googles Suchmaschine sein. Ausgerechnet die Qwant-Chefetage sorgt jetzt für einen Datenschutzskandal: Mitgründer Éric Leandri hat das E-Mail-Konto des schweizerischen Qwant-Mitgründers Jean-Manuel Rozan ausspionieren lassen. Dafür wurde Leandri nun wegen Verletzung des Briefgeheimnisses zu 5.000 Euro Strafe an den Staat und 1.500 Euro Schadenersatz an Rozan verurteilt (nicht rechtskräftig).
Das Urteil des Tribunal judiciaire de Paris vom 5. Juli dürfte juristisches Neuland betreten: Während Datenschutz-Rechte von Arbeitnehmern schon wiederholt Gegenstand französischer Verfahren waren, gab es wohl noch keinen ausjudizierten Fall, in dem ein Manager und Teilhaber den anderen ausspioniert.
Genau das soll Ende 2019 bei Qwant geschehen sein. Leandri, damals noch Qwant-CEO, war darüber ungehalten, dass abträgliche Informationen aus dem Unternehmen nach draußen sickerten. Er verdächtigte Qwant-Mitgründer und -Vizepräsident Rozan als undichte Stelle und ordnete die heimliche Durchsuchung seines E-Mail-Kontos an. Laut Nextinpact.com hat ein IT-Mitarbeiter Qwants vor Gericht ausgesagt, dass er zweimal heimlich Rozans E-Mails durchsucht hat. Der Befehl dazu sei von Marie Juyaux, Leandris rechter Hand gekommen; Leandri selbst sei beide Male dabeigewesen.
Leandri leugnete nicht
Angesichts der andauernden Verluste Qwants und herber Kritik an seinem Führungsstil musste Leandri den Chefposten Anfang 2020 räumen. Sein zwischenzeitlicher Nachfolger, Jean Claude Ghinozzi, soll Rozan dann über die erfolgte Verletzung seines Briefgeheimnisses informiert haben. Rozan brachte den Vorfall bei einer Aufsichtsratssitzung im Mai 2020 zur Sprache. Leandri soll die Spionage dabei gar nicht in Abrede gestellt, sondern zu rechtfertigen versucht haben. Zeugen beschreiben das Verhältnis der beiden Qwant-Teilhaber zueinander als zerrüttet.
In Frankreich wirbt Qwant mit dem Slogan "Die Suchmaschine, die nichts weiß über Sie, und das ändert alles!" Die selbst gestellte Aufgabe ist, einen Suchindex des Internet zu erstellen, der in europäischer Hand ist, und damit eine datenschutzfreundliche Suchmaschine zu betreiben, die nur wenige Daten über ihre Benutzer sammelt. Tatsächlich stammen Suchergebnisse auf Qwant aus Microsofts Bing-Index. Bei Videos beschränkt sich Qwant auf die Wiedergabe der Suchindizes Youtubes und Dailymotions, anderswo gehostete Videos sind damit nicht zu finden. Qwants Werbeplätze vermarkten Microsoft und Taboola.
Qwant Music zeigt Datenbestand aus 2019
Finanziell hängt Qwant ebenfalls in den Seilen. Die Verluste summieren sich Jahr für Jahr, die repräsentative Firmenzentrale in Paris und manches Nebenprojekt musste die Firma unter Ghinozzis Leitung aufgegeben oder auf Halde stellen. So gibt es für die Musiksuchmaschine Qwant Music zwar noch eine Webseite, deren Datenbestand dürfte jedoch seit mindestens zwei Jahren nicht mehr aktualisiert worden sein.
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Kein Wunder: 2020 musste das Qwant-Music-Entwicklungsbüro auf Korsika schließen. Weil Qwant Music auf Korsika Subventionen kassiert, die Bedingungen dafür aber nicht eingehalten haben soll, führt die Insel derzeit ein Verfahren gegen Qwant. Es geht um 485.000 Euro. Auch auf nationaler Ebene Frankreichs werden die Rufe nach einem Ende der Subventionen für Qwant lauter.
Hochrangige Manager geben einander die Klinke in die Hand. Leandris Nachfolger Ghinozzi musste nach 18 Monaten im Chefsessel gehen. Er hatte noch einen Huawei-Kredit aufgestellt, der Qwant über Wasser halten sollte. Trotzdem hat das Unternehmen bis heute keinen Jahresabschluss für 2021 geschafft. Er werde erst "in einigen Monaten" veröffentlicht, wie Qwant heise online am Donnerstag mitgeteilt hat. Laut französischen Medienberichten sucht Qwant frisches Geld oder einen neuen Eigentümer. Die Firma stellt das in Abrede.
(ds)