Lecks in Nord Stream 1 und 2: Warum der übernächste Winter noch schwieriger wird

Die Lecks in den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 machen besonders ein Szenario der Bundesnetzagentur über die weitere deutsche Gasversorgung akut.

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Digitaler Thermostat

(Bild: Andrey_Popov / Shutterstock.com)

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Der aktuelle Gas-Speicherstand in Deutschland beträgt derzeit knapp 92 Prozent. Das hört sich gut an, doch gerade vor dem Hintergrund der drei Lecks in den Röhren der Gas-Pipeline Nord Stream 1 und 2 ist das nur eine trügerische Sicherheit. Selbst wenn das Gas für diesen Winter reichen sollte – die Ausgangslage für den Winter 2023/24 wird voraussichtlich noch schwieriger werden.

Bereits im Juni hatte die Bundesnetzagentur ein Bündel von Modellrechnungen vorgelegt. Damals, vor der Wartung der Pipeline Nord Stream 1, simulierte sie Liefermengen von 0 beziehungsweise 40 Prozent der Kapazität. Nach Abschluss der Wartung flossen allerdings nur 20 Prozent. Diesen Wert hatte die Bundesnetzagentur Anfang August in einem weiteren Bündel an Szenarien aufgegriffen. Zudem traf sie auch differenziertere Annahmen zu weiteren Importen, Exporten und Verbrauchssenkungen.

Hier die Annahmen und Ergebnisse der 20-Prozent-Szenarien im Überblick:

Szenario 20%

Annahmen Ergebnisse
Import* Verbrauch Export Speicherstand 7/23
Gasmangel
Basis 138,5 GW -5%** 89 GW*** <5% 248 TWh ab 11/22
2.1 +0% -5% -5% <5% 211 TWh ab 12/22
2.1.1 +0% -5% -35% <20% 23 TWh ab 2/23
2.2. +0% -20% -0% >5% 112 TWh ab 1/23
2.2.1 +0% -20% -20% <25% -
2.3 +10GW -20% -20% >60% -
2.3.1 +15GW -20% -20% 80% -
* Basis entspricht 20% der Kapazität von Nord Stream 1 inkl. LNG-Importe ab 1/23 in Höhe von 16 GW; je nach Szenario weitere nicht-russische Importe.
**entspricht der Verbrauchssenkung seit Jahresbeginn gegenüber dem langjährigen Mittel.
*** entspricht dem Stand seit Liefereinbruch im Juni

(Bild: Bundesnetzagentur)

Der Blick auf die Kurven zeigt: Nur bei einer gleichzeitigen Senkung des Exports und des Verbrauchs um je 20 Prozent und einem erhöhten Import können die heutigen Füllstände im nächsten Sommer wieder erreicht werden. LNG-Einfuhren über deutsche Terminals mit einer Auslastung von 90 Prozent sind wohlgemerkt schon im Basisszenario enthalten. Es müssen für das optimistischste Szenario also weitere 15 Gigawatt an nicht-russischem Gas irgendwoher beschafft werden.

Die Szenarien für ein kompletten Lieferstopp, wie er jetzt durch die beschädigten Gasleitungen eingetreten ist, sagen für den nächsten Sommer selbst im besten Fall einen Speicherstand von nur knapp 30 Prozent voraus. Schlimmstenfalls fehlt schon im November Gas.

(Bild: Bundesnetzagentur)

Derweil bleibt das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage von heise online bei seiner Einschätzung vom August, wonach die Gasversorgung von Deutschland für diesen Winter gesichert sei.

Die Szenarien der Bundesnetzagentur legen parallel nahe, dass der Export eine zentrale Stellschraube ist. Allerdings kann er nicht beliebig reduziert werden. "Die inländische Verbrauchsreduktion ist neben der Sicherstellung der eigenen Versorgungssicherheit auch zur notwendigen Versorgung der Nachbarländer unverzichtbar, da sich die europäischen Länder in einer Mangellage solidarisch zeigen", schreibt die Bundesnetzagentur.

(grh)