Auch im übernächsten Winter könnte das Gas knapp werden

Die Bundesnetzagentur hat Szenarien durchgespielt, wie es mit der deutschen Gasversorgung weitergehen könnte. Bei den meisten sieht es nicht gut aus.

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(Bild: Robert Kneschke/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Mitte Juni brach die russische Erdgaslieferung über die Pipeline Nord Stream 1 drastisch ein, auf etwa 40 Prozent der üblichen Liefermenge. Vom 11. Juli an wird nun gar kein Gas mehr fließen – dann steht eine planmäßige Wartung an, die rund 10 bis 14 Tage dauern kann. Die bange Frage ist nun: Wird Russland die Lieferung danach wieder aufnehmen – und was, wenn nicht?

Die Bundesnetzagentur hat sieben Szenarien erstellt, wie es mit der deutschen Gasversorgung weitergehen könnte. Dabei hat sie durchdekliniert, ob …

  • die russische Lieferung auf bisherigem Niveau weitergeht oder ganz ausfällt,
  • Deutschland den Export reduziert,
  • Deutschland den eigenen Verbrauch senkt und zusätzlich LNG importiert.

Hier die Annahmen und Ergebnisse im Überblick:

* Liefermenge der Pipeline Nord Stream 1 nach Ende der Wartung (ab ca. 25. Juli)

** Reduktion: Exportniveau seit Liefereinbruch (ca. 52 GW); keine Reduktion: langjähriges Mittel (ca. 86 GW)

*** Verbrauchssenkung um 20 % ab 1. Juli und 16 GW Import über LNG-Terminals ab Januar 2023

Die Ergebnisse:

  • Dass sich die Speicherstände derzeit im langjährigen Mittel befinden, wie aus dieser Grafik hervorgeht, ist nur scheinbar ein Zeichen der Entwarnung, denn entscheidend ist die Entwicklung bis zum nächsten Sommer.
  • Selbst im optimistischsten Szenario (gleichbleibende Lieferung, weniger Exporte) liegen die Speicherstände in einem Jahr deutlich niedriger als heute. Und auch das Ziel der Regierung, die Speicher in diesem November zu 90 Prozent zu füllen (roter Punkt), lässt sich so nicht erreichen. Dazu wären zusätzlich noch Einsparungen und/oder LNG-Einfuhren nötig. (Ein Szenario, das dies einschließt, hat die Bundesnetzagentur allerdings nicht eigens berechnet).
  • Bei allen anderen Szenarien liegen die Speicherstände im nächsten Sommer bei maximal 20 Prozent.
  • Werden die Exporte nicht reduziert, geht uns zum Jahreswechsel das Gas aus, trotz LNG und Sparmaßnahmen (Ausnahme: Szenario 1.2.1.)

Die Szenarien legen also nahe, dass der Export die wichtigste Stellschraube ist. Doch wieweit kann und darf Deutschland den Export überhaupt eigenmächtig drosseln? Die Bundesnetzagentur schreibt in den FAQ dazu: „Die Exporte in die Nachbarländer können nicht beliebig reduziert werden. Es muss neben der inländischen Versorgungssicherheit auch die Versorgung der Nachbarländer gewährleistet werden. Dies ist in der EU-Verordnung (EU) 2017/1938 (Erdgas-SOS-VO) geregelt.“

Ulrike Platz, Pressesprecherin der Bundesnetzagentur, erläutert auf TR-Nachfrage: „Es gilt das Solidaritätsprinzip zwischen den Mitgliedstaaten. Allerdings muss der um Solidarität bittende Mitgliedstaat bereits alle Maßnahmen zur Versorgung von schutzbedürftigen Kunden durchgeführt haben.“

Absehbar ist auf jeden Fall: Bleibt nach der Wartung von Nord Stream 1 das Gas aus, dürfte uns die Gasknappheit auch im übernächsten Winter beschäftigen.

(grh)