Aus Lego die Welt bauen: MOCs und wie man sie macht

Aus Klemmbausteinen wird gebaut, was die Fantasie hergibt. Seit Jahren baut die Tüftler-Szene ihre Kreationen ‒ MOC genannt. Manche werden gar offizielle Sets.

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MOC - eine eigene Kreation: ein aus Legoteilen gebauter Bass.

(Bild: Stefan Behrens)

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Der weiße Hai für Cineasten, das Theater der Muppet-Show für Comedy-Fans oder, für alle Automobilisten, der Mercedes 300 SL: In der Welt der kleinen Klemmbausteine sind keine Szenen, Settings oder Sportwagen zu groß oder zu kompliziert, als dass sie nicht als Modell gebaut werden könnten. Es ist das, was Lego & Co ausmacht und befördert: Kreativität, Tüftelei, Liebe fürs Detail.

Die drei genannten Objekte sind zwar aus Lego, das gerade seinen 90. Geburtstag feiert, gebaut, aber kein von einem Lego-Designer entwickeltes und produziertes Set, wie sie über die Jahre Millionen Fans begeistert haben. Es sind eigene Kreationen, sogenannte MOCs.

MOC ist in der Klemmbausteinszene die Abkürzung für "My Own Creation". Damit ist also eine Eigenentwicklung gemeint. Ein Modell aus Legosteinen, das nicht vom dänischen Konzern designt wurde, sondern in eigener Idee in die Umsetzung kommt.

Daher noch mal kurz zurück zu den drei genannten Modellen: Im Beispiel der selbst gebauten Szene aus dem Film "Der weiße Hai" werden das Schiff, das Meer und natürlich der Hai dargestellt. Insgesamt werden dafür 1235 Teile verwendet und die Anleitung gibt es für 12 Euro.

Oder das Theater der Muppet-Show, inklusive Loge für die Hauptprotagonisten Waldorf und Statler: bestehend aus 1339 Teilen und als Anleitung für 7,50 Euro zu haben. Sehr praktisch als Ergänzung für die kürzlich von Lego auf den Markt gebrachten Minifiguren im Stil der Muppets.

Und zuletzt noch der berühmte Mercedes Benz 300SL (Baujahre 1957 bis 1969) aus 370 Steinen. Die Bauanleitung zu diesem Auto gibt es für 5,99 Euro.

Mercedes-Benz 300 SL Gullwing: Obwohl das Modell aus nur 370 Teilen besteht, ist das Vorbild klar zu erkennen.

(Bild: Rebrickable)

Die Anleitungen anderer MOC-Bastler kann man also kaufen, die passenden Lego-Steine muss man sich allerdings noch kaufen – oder hat vielleicht noch welche davon im eigenen Teilevorrat.

Die MOCcer-Szene trifft sich neben Messen und Ausstellungen meistens auf den Portalen Rebrickable und Bricklink. Dort stellen die Designerinnen und Designer ihre Kreationen vor. Viele verdienen sich einen kleinen Lohn für ihre Arbeit, indem sie die Bauanleitungen zu ihren Werken verkaufen. Die Seiten sind gute Anlaufstellen sowohl für Menschen, die neue Ideen für ihre Berge von Klemmbausteinen des dänischen Konzerns suchen, als eben auch für Menschen, die ihren Drang, Neues zu (er-)schaffen, ausleben wollen.

Wenn es darum geht, ein eigenes MOC zu entwickeln, gibt es zwei Lager in der Community: Die einen nehmen ihren Bausteinvorrat und legen einfach los. Frei nach dem Motto: Es wird sich dann schon was ergeben. Der Plan ist eben im Kopf. Die anderen wiederum nutzen Software, um ihre Modelle zu entwerfen.

Beides hat mit Sicherheit seine Berechtigung. Ein physisch vorhandener Teilevorrat hilft, die eigene Inspiration zu befeuern. Das Anfassen der Steine und die endliche Auswahl derselben sorgen für kreative Lösungen. Mit einer Software wie Bricklink Stud.io oder Lego Digital Designer (LDD) hingegen gibt es diese Beschränkungen nicht. Hier sind alle Teile in allen verfügbaren Farben vorhanden. Weder Platz, Teileanzahl noch Kosten spielen hier eine Rolle. Allerdings lassen sich auf diese Weise auch Modelle kreieren, die in der physischen Welt nicht funktionieren würden, weil einzelne Teile vielleicht in der Luft schweben, oder die ganze Struktur zu schwer oder nicht ausbalanciert ist.

Der Konstruktionsvorgang ist dabei ähnlich wie in einem CAD-Programm. Nur dass hier alle Formteile bereits vorgegeben sind. Die Auswahl erfolgt über die Teilenummer oder die Bezeichnung. ("2x4 Brick" zum Beispiel). Gebaut wird zunächst mit weißen Steinen, die dann eingefärbt werden. Dabei stehen alle Farben aus dem Klemmbaustein-Universum zur Verfügung. Da aber nicht alle Legosteine in allen Farben erhältlich sind, zeigt Bricklink-Studio unter Umständen eine Fehlermeldung an.

Wenn aus der Konstruktion jemals ein echtes Modell werden soll, sollte es mindestens einmal gebaut werden. Das ist der sogenannte Reality-Check. Die kostenlose Software erleichtert dieses, indem sie eine Bauanleitung erzeugt, die jenen aus Billund, dem Hauptsitz Legos in Dänemark, in nichts nachsteht. Auch eine Bestellliste für die benötigten Teile wird erzeugt. Das Portal Bricklink ist gleichzeitig auch ein Marktplatz für neue und gebrauchte Legoteile. Die erzeugten Listen können dort hochgeladen werden und das System sucht die passenden Shops heraus.

Bricklink, das seit einiger Zeit zur Lego-Gruppe gehört, ermöglicht auch, dass MOCs zu echten Lego-Sets werden. Die Designerinnen und Designer sammeln Stimmen vom Publikum für ihre Kreationen und kommen so ab der Schwelle von 10.000 Likes ins Review von Lego. Mehrmals im Jahr werden so aus MOCs sogenannte Lego-Ideas-Sets. Eine interessante Rückkopplung, denn dabei lässt sich der Konzern von den "Hobby-Designerinnen und -Designern" inspirieren. Auf diese Weise sind zum Beispiel 2021 das Set 21327 "Die Schreibmaschine" oder 2019 das Studio der Serie "Friends", das Central Perk, entstanden (Set 21319). Diese Sets werden zwar von Lego designt, die Idee basiert aber auf einem MOC von Bricklink.

Seit einiger Zeit gibt es zusätzlich auch das "Bricklink Designer Program", eine Art Crowdfundig, bei dem Lego ausgewählte MOCs, die es zwar ins Review, aber nicht zu einem Ideas-Set geschafft haben, dem Publikum zum Kauf anbietet. Nur Entwürfe, deren Käufe über eine bestimmte Schwelle gelangen – also gefunded werden –, stellt der Konzern dann auch als echte Sets her und verschickt sie über den Lego-Online-Store. Dabei wird im Unterschied zum Ideas-Program das Set fast 1:1 nach dem originalen MOC umgesetzt.

Aber auch ohne Legos Hilfe kann man durchaus erfolgreicher MOCcer werden. Markus Schlegel hat zum Beispiel ein Auto entwickelt, das einem Porsche sehr ähnelt. Weil es aber natürlich keine Lizenz aus Zuffenhausen dafür gab, bekam das Modell den generischen Namen "Classic Sports Car" und der chinesische Hersteller CaDA hat sich der Produktion angenommen. Für Schlegel, der seine Modelle sowohl analog (mit echten Steinen), als auch digital entwirft, ist das der bessere Weg. Denn aus seiner Sicht ist "die Chance auf Umsetzung des MOCs als Set verschwindend gering", wie er sagt.

Juliane Pilster aus Hannover baut MOCs, um sie auf Ausstellungen und Messen zu zeigen. Ihre Bassgitarre (Yamaha) in Originalgröße hat bereits international Aufsehen erregt. Das Modell ist nach dem Vorbild des Basses ihres Vaters entstanden. Auch weitere Instrumente wie ein Keyboard (Roland) und eine Gitarre (Gibson) – beide ebenfalls in Originalgröße – sind schon entstanden. Ein Schlagzeug aus Lego ist bereits in Planung.

Juliane Pilster und ein Keyboard aus Lego.

(Bild: Stefan Behrens)

MOCs gibt es viele (mehr als 50.000 bei Bricklink und über 70.000 bei Rebrickable). Es haben sich verschiedene Richtungen entwickelt. Von minimalistisch bis ausufernd ist alles dabei, daher nochmal ein kleiner "Rundflug": Wie wäre es beispielsweise mit einem Miniaturmodell der Akropolis in Athen zur Zeit der „alten Griechen“. Die reinen Zahlen: 1952 Teile und die Anleitung kostet 13 Euro.

Oder dem Startturm für die Saturn-V-Rakete von Lego. Der Turm hat über 7700 Teile und kann aus eventuell vorhandenen Lego-Sets aufgebaut werden. Preis für die Anleitung 22 Euro.

Vielleicht darf es aber auch etwas mehr sein: The Seven rings - Part A. Ein Modell, das an Minas Tirith der fiktiven Hauptstadt Gondors aus „Der Herr der Ringe“ angelehnt ist. Mit knapp 100.000 Teilen ist es eines der größten MOCs. Billig aber ist das nicht: Alleine die Anleitung kostet 120 Euro.

Und dennoch: MOCs erweitern den eigenen Lego-Horizont und bieten einen vielfachen Neueinsatz für den vielleicht in die Jahre gekommenen Lego-Teile-Vorrat.


Unser Maskottchen Botti ist selbst ein großer Klemmbaustein-Fan und würde sich sicherlich über ein paar Brick-Bots freuen. Also greifen Sie in die (virtuelle) Lego-Kiste und bauen Sie einen Botti nach Ihren eigenen Vorstellungen. Zur Inspiration stellen wir Ihnen Blender-Dateien als Vorlage für ein Botti-MOC zur Verfügung, Sie können Ihrer Fantasie aber auch einfach freien Lauf lassen.

Schicken Sie Botti bis zum 31. August ein Foto oder Screenshot Ihres MOC per Mail sowie die Stud.io- oder LDD-Datei nebst PDF-Anleitung. Die Redaktion wählt aus den Einsendungen die besten Kreationen aus. Die drei MOCs mit den meisten Stimmen erhalten jeweils ein Jahresabo von heise+, den ersten Platz prämieren wir mit einem handbemalten 3D-gedruckten Botti.

(tkn)