Atomkraft: Umweltverbände erwägen Klage gegen Laufzeitverlängerung

Falls es dazu käme, dass die Laufzeiten der AKW in Deutschland verlängert werden, könnte es zu einer juristischen Auseinandersetzung kommen.

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Atomkraftgegner und -gegnerinnen demonstrierten am AKW Isar 2.

(Bild: BUND Naturschutz Bayern)

Lesezeit: 4 Min.

Falls es dazu käme, dass die Laufzeiten der Atomkraftwerke in Deutschland verlängert werden, könnten Umweltverbände dagegen vor Gericht gehen. Das erläuterte ein Sprecher des BUND Naturschutz in Bayern (BN) gegenüber heise online. Im Vordergrund würde dabei die Sicherheit der Atomkraftwerke stehen, zumal die sonst regelmäßigen Sicherheitsüberprüfungen nicht mehr stattgefunden hatten, da die AKW eigentlich zum Ende dieses Jahres abgeschaltet werden sollen.

Der BN hatte am Donnerstag zusammen mit Greenpeace und dem Umweltinstitut München seine ablehnende Haltung gegenüber einer Laufzeitverlängerung bekräftigt. Den Organisationen ging es dabei vor allem um das AKW Isar 2. Der Weiterbetrieb sei mit einem hohen Risiko verbunden und trage nicht wesentlich dazu bei, der Energiekrise entgegenzuwirken, hieß es in einer Mitteilung. Isar 2 und die beiden anderen AKW Emsland und Neckarwestheim 2 seien seit 13 Jahren nicht mehr umfänglich sicherheitstechnisch überprüft worden. Die Politik, insbesondere an die Grünen, solle den geplanten Atomausstieg am Ende des Jahres nicht infrage stellen, meinen die drei Umwelt-Organisationen.

Für den Fall, dass sich nach dem momentan laufenden Stresstest des deutschen Stromsystems ergebe, dass die AKW-Laufzeiten verlängert werden sollen, hielten sich die Organisationen eine Klage offen, hieß es gegenüber heise online. Eine Verlängerung könne ohnehin nicht einfach beschlossen werden, dafür müssten Bundesgesetze geändert werden. Der Bundestag hatte 2011 nach dem Super-GAU von Fukushima Daiichi das Atomgesetz novelliert. Nach und nach wurden in den Jahren darauf AKW vom Netz genommen, die drei neusten Anlagen sollten bis Ende 2022 laufen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Donnerstag in der Sommerpressekonferenz darauf hingewiesen, es könne sinnvoll und erforderlich sein, die AKW länger laufen zu lassen.

"Ministerpräsident Markus Söder und die CSU spielen aus populistischen Gründen mit der Sicherheit der Bevölkerung. Die Energiewende in Bayern wurde jahrelang massiv behindert, die Abhängigkeit von russischem Gas verstärkt", sagte BN-Vorsitzender Richard Mergner laut Mitteilung. Söder hatte vorige Woche zusammen mit dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz das AKW Isar 2 besucht an anschließend gefordert, es müsse weiterlaufen.

Söder hatte zu der Gelegenheit auf ein Gutachten des TÜV Süd zu Isar 2 verwiesen, das "eindeutig widerlege", ein Weiterbetrieb sei nicht möglich. Karin Wurzbacher, Atomexpertin des Umweltinstituts München, meint hingegen, der TÜV Süd gehe mit der nuklearen Sicherheit nachlässig um. Schließlich gehe es um überalterte Reaktoren mit möglichen Korrosionsschäden.

Der TÜV Süd hatte im Auftrag des bayerischen Umweltministeriums eine mögliche Laufzeitverlängerung für Isar 2 begutachtet. Es diente beispielsweise der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag als Argument in einem Entschließungsantrag für die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke. Im Auftrag von Greepeache nahmen sich Hamburger Juristen das Gutachten vor und meinten, es handele sich um eine "schlampig argumentierende Auftragsarbeit".

Der Fachanwalt für Atomrecht Dr. Ulrich Wollenteit, der an dem Hamburger Gutachten beteiligt war, betonte nun: "TÜV Süd liefert im politischen Meinungskampf die Munition für eine Laufzeitverlängerung." Der TÜV sei als befangen im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts anzusehen und müsse von zukünftigen Aufträgen ausgeschlossen werden.

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Oda Becker, die für den BUND ein Gutachten zum Weiterbetrieb der AKW erstellt hat, meint, es sei aus fachlicher Sicht unvorstellbar, dass die Atomaufsicht Laufzeitverlängerungen ohne umfassende Sicherheitsüberprüfungen genehmigen werde. Ein sicherer Betrieb der Reaktoren nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sei nämlich nicht gewährleistet.

Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital wandte ein, fast die Hälfte des in der EU eingesetzten Kernbrennstoffs stamme aus Russland und dem mit Russland verbündeten Kasachstan. "An Gas kann Atomstrom ohnehin nur weniger als ein Prozent ersetzen. Den gleichen Effekt hätte es, die Heizungen in Haushalten um einen halben Grad zu senken."

Drei AKW sind noch in Deutschland in Betrieb (7 Bilder)

Seit März 1984 ist Block C des AKW im bayerischen Gundremmingen in Betrieb. Block A war von 1967 bis 1977 in Betrieb. Der 1984 ans Netz gegangene Block B wurde am 31. Dezember 2017 abgeschaltet, Block C – ebenfalls 1984 in Betrieb genommen – folgte Ende 2021. (Bild: kkw-gundremmingen.de)

(anw)