Piratenpartei tritt für digitale Freiheit ein

Zu den Forderungen aus dem Wahlprogramm der noch jungen politischen Vereinigung gehören ein Grundrechte-TÜV für Sicherheitsgesetze, die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung und ein Verbot von Internetfiltern.

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Die Piratenpartei will mit ihrem am Sonntag auf dem Bundesparteitag verabschiedeten Programm den Datenschutz und die informationelle Selbstbestimmung sowie die Informationsfreiheit stärken. Nur auf Basis dieser Grundpfeiler könne eine demokratische und sozial gerechte globale Ordnung entstehen, schreibt die knapp drei Jahre alte politische Vereinigung in ihrem 17-seitigen Fahrplan für Bundestagswahl im Herbst. Man wolle sich auf diese Kernthemen konzentrieren, da im Zuge der digitalen Revolution andernfalls die Würde und die Freiheit des Menschen "in bisher ungeahnter Art und Weise gefährdet" seien.

Falsche Weichenstellungen könnten einer "totalen und totalitären" Überwachungsgesellschaft Vorschub leisten, der die Piraten "entschieden" den Kampf ansagen wollen. "Die pauschale Verdächtigung und anlasslose Überwachung aller Bürger hat generell zu unterbleiben", stemmen sie sich gegen eine als "präventive Strafverfolgung" verschleierte Abschaffung der Unschuldsvermutung. Sie lehnen die flächendeckende Videoüberwachung des öffentlichen Raums genauso ab wie die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung. Jedem Bürger müsse das Recht auf Anonymität garantiert werden. Zudem sei das "Briefgeheimnis" zu erweitern zu einem generellen Kommunikationsgeheimnis. Ermittler dürften nur bei begründetem und konkreten Tatverdacht auf die Kommunikationsmittel eines Bürgers zugreifen. "Fragwürdige Rasterfahndungen und zentrale Datenbanken mit unbewiesenen Verdächtigungen" wie die Anti-Terror-Datei lehnt die um den Einzug in den Bundestag kämpfende Gruppierung ab.

Generell macht sich die Piratenpartei im Bereich innere Sicherheit für einen Grundrechte-TÜV für einschlägige Gesetze und bis dahin für ein Moratorium stark. Zu den konkreten Forderungen gehören eine wirksamere Kontrolle von Geheimdiensten und Polizei sowie das Ende des Informationsaustauschs mit Staaten ohne effektiven Datenschutz oder des automatisierten KFZ-Kennzeichen-Scanning. Biometrische Daten und RFID-Chips wollen die Piraten aus Ausweisen und Pässen heraushalten. Ferner sind sie gegen heimliche Durchsuchungen, unabhängig davon, ob diese online oder offline stattfinden sollen.

Beim Datenschutz spricht sich das Programm dafür aus, dass Betroffene jegliche kommerzielle Nutzung ihrer persönlichen Daten erlauben müssen. Jeder Bürger solle gegenüber Betreibern zentraler Datenbanken einen "durchsetzbaren und wirklich unentgeltlichen Anspruch auf Selbstauskunft, Korrektur, Sperrung oder Löschung der Daten haben". Insgesamt müssten Bestimmungen zur Wahrung der Privatsphäre Besonderheiten digitaler Daten wie deren Langlebigkeit und ihre schwer kontrollierbare Verbreitung stärker berücksichtigen.

Den Kampf gegen rechtswidrige Angebote im Internet will die Partei "jederzeit mit rechtsstaatlichen Mitteln" führen. Eine Inhaltsfilterung im Internet lehnen die Piraten kategorisch ab. Staatliche Kontrolle des Informationsflusses beziehungsweise Zensur sei ein Instrument totalitärer Regime. Die Etablierung einer Zensurinfrastruktur sei inakzeptabel. Das Netz stelle die Grundlage für den freien Meinungsaustausch, die Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben, für Wissenschaft und politische Partizipation dar. Daher sei der gleichberechtigte Zugang zu gewährleisten. Die Basisinfrastruktur der Informationsgesellschaft müsse sich "neutral gegenüber den transportierten Inhalten verhalten".

Das Recht zur Akteneinsicht bei der Verwaltung soll ausgeweitet werden. Jedem Bürger wird unabhängig von der Betroffenheit Zugang zu Aktenvorgängen auf allen Ebenen der staatlichen Ordnung versprochen. Enge Ausnahmeregelungen dürfe es nur etwa zum Schutz der Persönlichkeitsrechte, der nationalen Sicherheit oder zur Verhinderung von Straftaten geben. Auch den Schutz von Informanten beziehungsweise "Whistleblowern" will die Piratenpartei deutlich verbessern.

Einen Änderungsantrag zum Entwurf des Wahlprogramms hat der Parteitag zum Urheberrecht beschlossen. Nach der etwas milderen Neufassung entfernt sich das Nutzungsrecht immer weiter vom Urheber und entwickelt sich hin zum Verwerterrecht. Davon profitierten Musik- und Filmindustrie, während Nutzer kriminalisiert würden. Die Piraten setzen sich dagegen dafür ein, dass Privatleute ohne kommerzielle Interessen geschützte Werke "frei verwenden und kopieren" dürfen. Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) oder andere Kopierschutzverfahren sollen verboten werden. Ableitungen von Werken wie Samples oder Remixe müssten grundsätzlich erlaubt sein.

Die Partei stellt sich gegen eine Ausweitung von Schutzfristen. Vielmehr hält sie einen Zeitraum bis maximal zum Tode des Urhebers für geboten und plädiert so für einen Ausstieg aus internationalen Abkommen. Weiter befürworten die Piraten einen freien Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen gemäß dem "Open Access"-Prinzip und eine Publikation von Lehrmaterialien unter freien Lizenzen. Pauschalabgaben für Privatkopien seien "neu zu bewerten". "Überholte Vermittlerfunktionen" von Rechtverwertern sollen "neuen Geschäftsmodellen" der Eigenvermarktung von Künstlern übers Internet Platz machen.

Das heutige Patentsystem betrachtet die Partei vor allem als Innovationshemmnis. Sie spricht sich gegen den gewerblichen Rechtsschutz für Software und Geschäftsideen aus. Auch auf das Leben und Saatgut dürften keine Patente erteilt werden. Allgemein möchten die Piraten verhindern, "dass durch privatwirtschaftliche Interessen Infrastrukturen wettbewerbsverzerrend und auf Kosten der Gesellschaft beeinflusst werden".

Zur Bundestagswahl im September 2009 siehe auch:

Zu den Wahlprogrammen für die Bundestagswahl 2009 siehe auch:

(Stefan Krempl) / (vbr)