Vodafone Ungarn wird verkauft und (teil)verstaatlicht

Neue Steuern machen Ungarn weniger attraktiv für Telecom-Betreiber. Vodafone zieht sich zurück, Ungarns Staatschef Orbán freut sich.

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Rechts ein Mobilfunk-Sendemast mit mehreren Antennen, links schwebt die ungarische Flagge

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 3 Min.

Ungarns Verbrauchern steht ein massiver Rückgang des Wettbewerbs bei Telekommunikation ins Haus. Vor dem Hintergrund einer deutlichen Steuererhöhung zieht sich Vodafone aus dem ungarischen Markt zurück. Die noch nicht verbindliche Vereinbarung sieht einen Verkauf der dortigen Tochterfirma ausgerechnet an die ungarische Staatsholding Corvinus (49%) sowie das durch Staatsaufträge groß gewordene Unternehmen 4iG (51%) vor. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán möchte die Firma zum Marktführer und "nationalen Champion" machen.

Die Vodafone Group erhält laut Mitteilung vom Montag umgerechnet 1,8 Milliarden Euro in bar für ihre Tochter Vodafone Magyarország Távközlési (Vodafone Hungary), behält sich aber die ungarische VOIS-Zweigstelle (VOdafone Intelligent Services). Der Kaufpreis entspricht dem 7,7-fachen EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) der zwölf Monate bis Ende März.

Vodafone Hungary ist Ungarns zweitgrößter Mobilfunk-Netzbetreiber und seit 2019 auch Eigentümer des größten ungarischen Kabelnetzes (ehemals UPC Magyarország). "Die ungarische Regierung hat eine klare Strategie, einen nationalen IKT-Champion in ungarischem Eigentum zu bilden", kommentiert Vodafone-CEO Nick Read, "(Die mit 4iG zusammengeschlossene Einheit) wird den Wettbewerb stärken und besseren Zugang zu Investitionen für die Digitalisierung Ungarns haben."

4iG ist bereits Mehrheitseigentümer (77%) von Antenna Hungaria, auch dort gehören die restlichen Anteile dem Staat. Über Antenna Hungaria gehören 4iG und dem Staat der Mobilfunk- und Kabel-Netzbetreiber Digi, das auf öffentliche Aufträge spezialisierte LTE-Netz AH (450 MHz) sowie ein Viertel des Mobilfunk-Netzbetreibers Yettel (ehemals Telenor Hungary). Hinzu kommen Netzbetreiber in Albanien und Montenegro. Nur am ungarischen Mobilfunk-Marktführer Magyar Telekom, mehrheitlich eine Tochter der Deutschen Telekom, ist 4iG noch nicht beteiligt.

Im Juli ist in Ungarn eine neue Steuer auf Umsätze von Telekommunikationsfirmen in Kraft getreten, die zusätzlich zur Umsatzsteuer (27%) anfällt und keinen Vorsteuerabzug vorsieht. Für große Unternehmen wie Vodafone Hungary beläuft sich die Zusatzsteuer auf fast sieben Prozent. Die Steuer muss außerdem im Voraus auf Basis einer Umsatzschätzung entrichtet werden.

Der regierungsnahe 4iG-Chef Gellért Jászai ist auch größter Teilhaber des Unternehmens, mit über 39 Prozent der Anteile. Zweitgrößter Aktionär ist die deutsche Rheinmetall AG mit 25,2 Prozent. 4IG ist vor allem durch staatliche IT-Aufträge gewachsen. Bis inklusive 2020 hatte die Firma keine Umsätze im Telekommunikationsbereich. Jászai hat 2017 drei Firmen auf den Britischen Jungferninseln gegründet, wie die Pandora Papers aufgedeckt haben.

(ds)