Statt Transplantation: Neue Mini-Lebern wachsen in den Lymphknoten

Spender-Lebern sind Mangelware. Jetzt versuchen Mediziner, schwerkranken Patienten neue Mini-Lebern in den Lymphknoten wachsen zu lassen.

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Von
  • Jessica Hamzelou
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Im Massachusetts General Hospital soll ein Patient mit einer Lebererkrankung im Endstadium eine völlig neue Behandlung bekommen: Ihm werden Leberzellen in die Lymphknoten gespritzt, wo sie dann zu Mini-Lebern heranwachsen sollen. Dies berichtet das Magazin MIT Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 7/2022.

Entwickelt hat diese Behandlung das Unternehmen Lygenesis. Es will damit Patienten retten, die für eine Transplantation schon zu geschwächt sind, oder für die keine Spenderleber zur Verfügung steht. Spenderorgane sind knapp, und viele davon sind bereits zu stark geschädigt. Die Therapie von Lygenesis kann sie trotzdem nutzen, weil sie lediglich gesunde Zellen und keine vollständig intakten Organe benötigt. Eine einzige Spenderleber soll für etwa 75 Patienten reichen.

Die gesunden Leberzellen werden per Endoskop über den Rachen eingeführt. Der Weg des Schlauchs wird per Ultraschall überwacht, und wenn er den Ziellymphknoten erreicht, kann ein Chirurg die Zellen direkt durch das Endoskop injizieren.

Bis zu fünf Mini-Lebern sollen sich auf diese Weise bilden. Sie wachsen nicht unbegrenzt – der Körper verfügt über einen internen Regulationsmechanismus, der das Leberwachstum an einem bestimmten Punkt stoppt. Einige Leberzellen wandern auch in die Leber weiter und helfen ihr, sich zu regenerieren. Wenn dies geschehe, schrumpfen die neuen Mini-Lebern in den Lymphknoten, sodass die Gesamtmenge des Lebergewebes konstant bleibe, sagt der Stammzellbiologe Eric Lagasse, Mitgründer von Lygenesis.

Die Methode scheint bei Mäusen, Schweinen und Hunden zu funktionieren. Das Team von Lygenesis wird seine Behandlung nun in einer gerade angelaufenen klinischen Phase-2-Studie an zwölf Erwachsenen mit Lebererkrankungen im Endstadium testen, die für eine Lebertransplantation nicht mehr infrage kommen.

Da die Studienteilnehmer Zellen von anderen Menschen erhalten, müssen sie für den Rest ihres Lebens immunsuppressive Medikamente einnehmen – genau wie Menschen, die transplantierte Spenderorgane erhalten. Lygenesis hat jedoch kürzlich eine Zusammenarbeit mit iTolerance bekannt gegeben. Das Unternehmen entwickelt eine Technologie, die eine medikamentöse Unterdrückung des Immunsystems bei der Übertragung von Zellen überflüssig machen soll.

Wenn die Leberbehandlung funktioniert, plant Lygenesis, weitere Organe im Körper zu züchten – etwa Thymusdrüsen, Nieren oder Bauchspeicheldrüsen.

"Es ist sehr vielversprechend", sagt auch Valerie Gouon-Evans, Stammzellenbiologin mit Schwerpunkt Leberregeneration an der Boston University School of Medicine. Sie ist weder an der Forschung noch an dem Unternehmen beteiligt und "wirklich froh, dass diese Idee in die Klinik kommt".

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