Effizienteres Recycling: Wie aus Kunststoff-Mischungen Propan gewonnen wird

Das Recycling von Plastik ist immer noch ein Problem. Ein neues Verfahren könnte aber dazu beitragen, Plastikabfälle in neue Produkte zu verwandeln.

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Müll, Plastik, Plastikmüll

(Bild: Karl Allen Lugmayer, gemeinfrei)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Casey Crownhart
Inhaltsverzeichnis

Plastik ist nicht gleich Plastik. Wasserflaschen, Benzinkanister und Kreditkarten bestehen aus unterschiedlichen Kunststoffen, die in einer Recyclinganlage mühsam wieder getrennt werden müssen. Dieser Prozess ist nicht nur langsam und kostspielig, er bestimmt letztlich auch, welche Materialien und wie viel davon recycelt werden kann.

Forscherinnen und Forscher haben jetzt ein neues Verfahren entwickelt, mit dem ein Gemisch aus verschiedenen Kunststoffen in Propan umgewandelt werden kann. Propan ist ein einfacher chemischer Baustein, der als Kraftstoff verwendet oder in neue Kunststoffe oder andere Produkte umgewandelt werden kann. Das Verfahren funktioniert, weil viele Kunststoffe einen ähnlichen chemischen Aufbau haben, selbst wenn sich ihre genaue Zusammensetzung unterscheidet: Hauptsächlich bestehen Kunststoffe aus Molekül-Ketten, den sogenannten Polymeren, aus Kohlenstoff und Wasserstoff.

In Verbindung mit stärkerer politischer Regulierung und strengeren Umweltschutzmaßnahmen könnten die Entwicklungen im Recycling dazu beitragen, einige der schlimmsten Schäden durch Kunststoffe abzufedern. Jedes Jahr werden weltweit mehr als 400 Millionen Tonnen Kunststoff produziert. Davon werden weniger als 10 Prozent recycelt, etwa 30 Prozent bleiben eine Zeit lang in Gebrauch, und der Rest landet entweder auf Mülldeponien, in der Umwelt, oder wird verbrannt. Kunststoffe befeuern deshalb den Klimawandel: Ihre Produktion war 2019 für 3,4 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Recycling kann nicht nur verhindern, dass Kunststoffe auf Mülldeponien und in den Ozeanen landen, sondern es kann durch neue Verfahren zur Herstellung von Kunststoffbausteinen auch dazu beitragen, die Emissionen zu senken.

"Wir versuchen, Wege zu finden, wie wir diese Kunststoffabfälle als wertvolle Rohstoffe nutzen können", sagt Julie Rorrer, Postdoktorandin im Bereich Chemieingenieurwesen am MIT und eine der Hauptautorinnen der jüngsten Forschungsarbeit.

Ein großer Vorteil des neuen Ansatzes, den Rorrer und ihre Kolleginnen und Kollegen entwickelt haben, ist, dass er mit den beiden heute am häufigsten verwendeten Kunststoffen funktioniert: Polyethylen und Polypropylen. Aus dem Gemisch im Recycling-Reaktor entsteht Propan. Das Verfahren hat eine hohe Selektivität, was bedeutet, dass bei einer Reaktion von mehreren möglichen Reaktionsprodukten bevorzugt eines gebildet wird. In diesem Fall Propan, das etwa 80 Prozent der Endproduktgase ausmacht.

"Das ist wirklich spannend, weil es ein Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft ist", sagt Rorrer. Um die für den Abbau von Kunststoffen benötigte Energie zu senken, wird bei dem Verfahren ein Katalysator verwendet, der aus zwei Komponenten besteht: Kobalt und poröses, sandähnliches Material, das Zeolithe genannt wird. Die Forscher wissen noch nicht genau, wie die Kombination funktioniert, aber Rorrer sagt, dass die Selektivität wahrscheinlich von den Poren der Zeolithe herrührt, die den Reaktionsbereich der langen Molekülketten im Kunststoff begrenzen. Das Verfahren ist noch weit davon entfernt, industriell eingesetzt werden zu können. Im Moment wird die Reaktion in kleinen Chargen durchgeführt. Um wirtschaftlich zu sein, müsste sie wahrscheinlich kontinuierlich stattfinden.

Laut Rorrer überlegen die Forschenden zudem, welche Materialien sie verwenden sollten. Kobalt sei gebräuchlicher und kostengünstiger als einige andere Katalysatoren, die sie ausprobiert haben, wie Ruthenium und Platin, aber sie suchen noch nach weiteren Optionen. Ein besseres Verständnis der Funktionsweise der Katalysatoren könnte es ihnen ermöglichen, Kobalt durch noch günstigere und vor allem häufiger vorkommende Katalysatoren zu ersetzen, so Rorrer. Das ultimative Ziel wäre ein vollständig gemischtes Kunststoffrecyclingsystem, sagt Rorrer, "und dieser Rahmen ist nicht völlig abwegig".

Um diese Vision zu verwirklichen, sind jedoch noch einige Anpassungen erforderlich. Polyethylen und Polypropylen basieren auf vergleichsweise einfachen Ketten aus Kohlenstoff und Wasserstoff, während einige andere Kunststoffe weitere Elemente wie Sauerstoff und Chlor enthalten, die deutlich schwieriger zu recyclen sind. Wenn beispielsweise Polyvinylchlorid (PVC), das häufig in Flaschen und Rohren verwendet wird, in dem erwähnten Recycling-System landet, könnte es den Katalysator deaktivieren oder vergiften und gleichzeitig giftige Gasnebenprodukte erzeugen.

Die Forscherinnen und Forscher müssen deshalb andere Wege finden, um diesen Kunststoff zu behandeln und generell Kunststoffen mit gemischter Zufuhr recyclen zu können. Erste Ansätze gibt es; in einer Studie, die im Oktober in der Zeitschrift "Science" veröffentlicht wurde, setzten Experten neben gentechnisch veränderten Bakterien ein chemisches Verfahren ein, um eine Mischung aus drei gängigen Kunststoffen abzubauen.

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Der erste Schritt, die chemische Oxidation, zerschneidet lange Ketten und erzeugt kleinere Moleküle, an die Sauerstoff angehängt wird. Der Ansatz ist wirksam, weil die Oxidation "ziemlich vielseitig" ist und bei einer Reihe von Materialien funktioniert, erklärt Shannon Stahl, eine der Hauptautorinnen der Forschungsarbeit und Chemikerin an der Universität von Wisconsin.

Bei der Oxidation der Kunststoffe entstehen Produkte, die dann in einem zweiten Schritt von Bodenbakterien verzehrt werden können, die so verändert wurden, dass sie sich von ihnen ernähren. Durch Veränderung des Stoffwechsels der Bakterien könnten die Forscher schließlich neuartige Kunststoffe herstellen, zum Beispiel neue Formen von Nylon.

Die Forschung sei noch nicht abgeschlossen, sagt Alli Werner, Biologin am US-amerikanischen National Renewable Energy Laboratory und einer der Autorinnen der Science-Studie. Derzeit arbeite das Team insbesondere daran, die Stoffwechselwege besser zu verstehen, die die Bakterien zur Herstellung der Produkte nutzen. Mit mehr Wissen darüber ließe sich der Prozess beschleunigen und größere Mengen an nützlichen Materialien produzieren.

Das Verfahren könnte wahrscheinlich in größerem Maßstab eingesetzt werden, da sowohl die Oxidation als auch gentechnisch veränderte Bakterien bereits weit verbreitet sind: Die petrochemische Industrie nutzt Oxidation, um jedes Jahr Millionen von Tonnen an Material herzustellen. Und die Mikroorganismen kommen bereits vielerorts in Branchen wie der Arzneimittelentwicklung und der Lebensmittelverarbeitung zum Einsatz.

Wenn Biologen wie Werner und Chemieingenieure wie Rorrer sich zusammensetzen, um neue Methoden des Kunststoffrecyclings zu entwickeln, eröffnen sie die Möglichkeit, den Umgang mit den riesigen Mengen an Kunststoffabfällen zu überdenken. "Kunststoff-Recycling ist eine Herausforderung, die wir gemeinsam gut bewältigen könnten", sagt Julie Rorrer. Sie beobachtet einen beträchtlichen Zustrom von Forschenden, die sich neuerdings mit dem Thema beschäftigen: "Es scheint, als ob sich jeder und jede mit dem Upcycling von Plastik beschäftigt."

(jle)