Ein Jahr Ampel: Digitalisierung mit großen Schwächen

Vor einem Jahr wurde die neue Bundesregierung vereidigt. Ein Jahr Ampel in der Digitalpolitik: Was haben die rot-grün-gelben Koalitionäre seitdem erreicht?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 55 Kommentare lesen
Zwei Verkehrsampeln vor wolkigem Abendhimmel.

(Bild: monticello/Shutterstock.com)

Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Falk Steiner
Inhaltsverzeichnis

Eines stand mit Beginn der Regierung von Olaf Scholz (SPD) fest: Deutschland hat keinen Digitalkanzler. Die Digitalisierung ist schlicht nicht Scholz' Thema – folgerichtig gab er Zuständigkeiten aus dem Kanzleramt ab. Nun sollen es die Fachminister regeln, allen voran Digitalminister Volker Wissing (FDP), Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und – ja, wer eigentlich? Ein Streifzug durch die Digitalpolitik der Ampel, ein Jahr nach der Wahl.

Wissing könnte leichtes Spiel haben: Immerhin war sein Vorgänger im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) der eher glücklose CSUler Andreas Scheuer. Doch bislang ist auch Wissing das Glück nicht hold. Sein erstes Amtsjahr ist von Baustellen geprägt – und zwar weniger in der Digitalpolitik als im Verkehrssektor. Schienenverkehr, Autobahnen, Flughäfen: Wissing war überall. In der Digitalpolitik kann er auf der Habenseite vor allem zwei Punkte verbuchen: Zum einen die Gigabitstrategie, mit der die künftigen Pläne für den Glasfaser- und Mobilfunkausbau umschrieben werden, zum anderen die Digitalstrategie der Bundesregierung. Viel Papier – doch bei konkreten Vorhaben hat Wissing wenig vorzuweisen.

Zwar mahnte der Digitalminister frühzeitig davor, die Breitbandausbaufördertöpfe auszuschöpfen. Doch neue Regeln für die Glasfaserförderung werden kaum vor Ostern 2023 fertig sein. Bis dahin droht noch Streit mit Telekommunikationsanbietern und vor allem den Bundesländern. Im Frühjahr könnte auch endlich der allererste Mast der noch von Scheuer gegründeten Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG) stehen. Zugleich zeichnen sich die nächsten Streitigkeiten ab: Wie sollen künftig Mobilfunkfrequenzen vergeben werden? Auktion? Negativauktion? Oder einfach die alten verlängern?

Ist Wissing also nun ein guter oder schlechter Digitalminister? Je nachdem, wen man fragt, eher das eine oder das andere, aber selten absolut. Eher wohlwollend wird Wissing von Branchenvertretern beurteilt. Die Ampel habe in ihrem ersten Jahr im Hinblick auf den Infrastrukturausbau "viele Dinge angestoßen", bilanziert der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko): "SPD, Grüne und FDP sind in Sachen Glasfaserausbau gut gestartet." Zwar enthalte der Koalitionsvertrag "viele gute Ideen" und die erweiterte Kompetenzen des BMDV, "der Weg zu einem echten Digitalministerium ist immer noch weit". Die Gigabitstrategie bezeichnet der Breko als "zentralen Meilenstein", der Erfolg oder Misserfolg hänge aber von der Umsetzung ab.

Wissing sei ein Digitalminister, "der sich zwar so nennt, aber dem das Digitale immer noch fremd ist", meint hingegen Anke Domscheit-Berg (Linke). Das sei an seinen Reden im Bundestag zu merken: "Seine größte Priorität ist der freie Markt." Für Maximilian Funke-Kaiser, Digitalpolitiker der Liberalen, ist Wissing auf dem richtigen Weg: Digitalpolitik sei in diesem Land eben ein Mammutprojekt, sagt er: "Ich denke, es ist richtig, unter liberaler Leitung und ressortübergreifend eine entsprechende Strategie ausgearbeitet zu haben. Das Haus unter Führung von Bundesminister Volker Wissing hat da eine sehr gute Arbeit geleistet und andere etwas angetrieben." Etwas, immerhin.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Momentan würden die sich die Ressorts mehr oder weniger der Digitalisierung ihrer Fachthemen widmen, sagt Nadine Schön, stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende und spricht von einem "Pseudo-Digitalministerium, das eine übergreifende Strategie aufsetzt, ohne die Mittel und Kompetenzen in der Hand zu haben, daraus eine Politik aus einem Guss zu formen." Sie glaube nicht, dass diese Legislatur einen "digitalen Wumms" bringen würde - "leider". Für SPD-Digitalpolitiker Jens Zimmermann ist das noch lange nicht ausgemacht. "Wir erwarten da viel", meint er mit Blick auf Volker Wissing. Allerdings rechnet auch Zimmermann mit anstehenden Turbulenzen: "Ich mir sicher, dass das Kanzleramt sich wieder stärker in die digitalpolitische Steuerung einbringen wird, gerade dann, wenn sich die Ressorts verhaken." Und verhakt hat sich bereits im ersten Jahr einiges.