Digitalgipfel: Neues Dateninstitut soll mit der "Mission Gemeinwohl" starten

Die geplante Einrichtung soll Datenteilen über Sektorengrenzen hinweg etwa bei Mobilität und Energieverbrauch fördern. Das Budget ist noch nicht freigegeben.

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(Bild: NicoElNino/Shutterstock.com)

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Da es mit der neuen Datenstrategie aufgrund von Streitigkeiten zwischen den Ressorts noch nichts wurde, hat die Bundesregierung das geplante Dateninstitut in den Mittelpunkt ihres Digitalgipfels gestellt. Dessen Mission müsse es sein, dem Gemeinwohl zu dienen, betonte die Bonner Rechtswissenschaftlerin Louisa Specht-Riemenschneider als Mitglied der Gründungskommission. Die Einrichtung an sich solle "kein Selbstzweck" sein.

Die Gründung eines Dateninstituts ist ein Auftrag aus dem Koalitionsvertrag des Ampel-Regierungsbündnisses, in dem es mit zwei Sätzen erwähnt wird. Es soll die Datenverfügbarkeit und -Standardisierung vorantreiben sowie Treuhändermodelle und Lizenzen etablieren. Es geht laut Specht-Riemenschneider darum, den auf dem Gipfel vielbeschworenen Mehrwert von Daten für "Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft" zu fördern.

Als eine Art Alleinstellungsmerkmal der Einrichtung machte Stefan Heumann von der Stiftung Neue Verantwortung die Aufgabe aus, "Datenteilen über Sektorengrenzen hinweg" zu fördern. Bundesdigitalminister Volker Wissing stellt sich das so vor: Wer in Brandenburg auf dem Land wohnt, bekommt bei der Online-Buchung eines Arzttermins in Berlin gleich auch per App Möglichkeiten der Reiseplanung mitgeliefert, je nach seinen Voreinstellungen. In einem solchen Ökosystem werde "die Anschlussfähigkeit von Anfang an mitgedacht". In diesem Fall werde der Mobilitäts- mit dem Gesundheitssektor vernetzt.

Welche Bereiche des Datenteilens das Institut konkret vorantreiben und dabei Hilfestellung leisten soll, ist aber noch genauso unklar wie das dafür verfügbare Geld. Die Gründungskommission schlägt in ihrem Initialbericht vor, die Aufgaben und Arbeitsweise des Dateninstituts auf der Basis von konkreten Anwendungsfällen zu entwickeln.

Sie hat dafür zunächst drei solcher "Use Cases" identifiziert, bei denen Verbesserungspotenzial beim Zugang, Teilen und der Standardisierung von Daten besteht. Es geht um einen deutschlandweiten Überblick zu Mobilitätsangeboten, eine Anwendung zu evidenzbasierten Entscheidungen bei Energieverbrauchsdaten und einen datenbasierten Beitrag zur Long Covid-Forschung.

Zudem empfiehlt die Kommission einen agilen Ansatz: Das Institut müsse rasch "ins Tun kommen", griff Andreas Peichl, Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen, den generellen Schlachtruf des Gipfeltreibens auf. Das fünfköpfige Gründungsteam habe daher "kein kompliziertes Organigramm" potenzieller Arbeitsstrukturen gezeichnet, sondern sich Gedanken gemacht: "Wie kriegen wir Leute dazu mitzumachen?"

Es müsse schnell ein Team aufgebaut werden, das mit den ersten Nutzungsfällen anfange, unterstrich der Münchner Volkswirtschaftler. Wichtig sei auch die Unabhängigkeit des Instituts, "damit man alle Sektoren einbinden kann". Es dürfe nicht die verlängerte Werkbank eines Ministeriums seins.

Das Gründungsteam sollte bewusst "nicht erst vier Jahre einen Bericht schreiben" auf der Suche nach Problemen, sondern erst einmal "zwei, drei lösen", unterstützte Bundeswirtschaftsminister Robeck Habeck den "niedrigschwelligen Ansatz". Später sei es dann anhand der Ergebnisse eventuell nötig, etwa ein Gesetz oder eine EU-Förderrichtlinie zu ändern.

Als Herausforderung bei dieser Herangehensweise machte der Grüne aus, dass der Haushaltsgeber in Form des Bundestags diese noch nicht kenne und normal das hier fehlende "schicke Organigramm" kriege. Bei den Abgeordneten im Haushaltsausschuss gebe es daher noch "eine gewisse Verunsicherung", die übersprungen werden müsse. Die Kollegen müssten noch überzeugt werden, dass das Ganze Hand und Fuß habe und sich hochskalieren lasse. Für den Aufbau und die Arbeit des Dateninstituts sollen von 2023 bis 2025 jährlich 10 Millionen Euro zur Verfügung stehen, die das Parlament aber noch freigeben muss.

"Es wird ein Startup sein" und "in der Garage beginnen", gab Katja Wilken, Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsamt, als Parole aus. Aus der Idee heraus leite sich ab, was genau benötigt werde. Neben der "Ausbauexpertise" etwa auch im Marketing und der Kommunikation sei natürlich auch ein gutes Management erforderlich. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mahnte, das Institut schnell aufzusetzen. Die ersten Vorschläge der Gründungskommission seien mutig und "zupackend". Laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sollen vor allem Faeser und Habeck gemeinsam das Dateninstitut etablieren.

Der Bedarf dafür sei da, erläuterte Svenja Falk, Forschungsexpertin beim Beratungshaus Accenture. Konzepte für Datenräume gebe es nur in Europa und China, wobei dort damit eher Marktplätze für Regionen geschaffen werden sollten. Den Gedanken dezentraler, föderaler Einrichtungen mit gemeinsamen Regeln und Standards verbinde damit nur die EU. Viele Firmen und Verwaltungen seien beim Datenteilen aber noch zurückhaltend aufgrund fehlender technischer Voraussetzungen wie Standards, einem unklaren Verständnis der Kosten und der Rechtsvorschriften sowie mangelnder organisatorischer Fähigkeiten. Es sei ein "klares Wertversprechen nötig", zu dem das Institut beitragen könne.

(bme)