Berlin Friedrichstraße: Streit um Fußgängerzone

Kurz vor der Wahl macht Berlins Verkehrssenatorin Jarasch einen Abschnitt der Friedrichstraße wieder zur Fußgängerzone. Daran gibt es Kritik.

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Galeries Lafayette Berlin

Das bekannte Kaufhaus Galeries Lafayette liegt an der Friedrichstraße, in der nun in einem Abschnitt auch keine Radfahrer mehr geduldet werden sollen.

(Bild: Galeries Lafayette)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Franz
  • mit Material der dpa
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Berlin befindet sich in einem verkürzten Wahlkampf. Umso deutlicher müssen offenbar die Botschaften vorgetragen werden. Berlins bisherige Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) nutzt die Chance und macht einen Teil der Friedrichstraße wieder zur Fußgängerzone. Ab dem 30. Januar sei der Abschnitt zwischen Leipziger Straße und Französischer Straße für den Pkw-Verkehr wieder gesperrt, gab Jarasch heute bekannt. Dafür gibt es reichlich Kritik.

Die Friedrichstraße sei nur eines von vielen Projekten des Stadtumbaus im Zeichen des Klimawandels, aber das meist diskutierte, meint Jarasch. "Wir sind jetzt einen großen Schritt weitergekommen." Der rund 500 Meter lange Abschnitt zwischen war zunächst ab August 2020 im Rahmen eines Verkehrsversuchs für Autos gesperrt worden, der im Oktober 2021 endete. Weil die Sperrung danach bestehen blieb, klagte eine Händlerin aus der parallel verlaufenden Charlottenstraße. Das Verwaltungsgericht gab ihr Recht, ab Ende November durften Autos dort wieder fahren. Was die Rechtsgrundlage angehe, stehe man jetzt auf sicheren Füßen, meint Jarasch. Die Umwidmung des Abschnitts in eine Fußgängerzone könne stattfinden. Wenn die Autos wieder weg sind, sollen "hochwertige Sitzmöbel" aufgestellt werden, eine Begrünung sei ab dem Frühjahr geplant, sobald die Witterung das zulasse.

Vor der Entscheidung für die Fußgängerzone seien auch die Belange von Anrainerinnen und Anrainern geprüft und abgewogen worden, führt die Verkehrssenatorin weiter aus. Als Argumente für den autofreien Bereich nannte sie unter anderem eine deutliche Steigerung der Aufenthaltsqualität, weniger Lärm, weniger Unfälle und mehr Raum für Fußgänger. "Fußgängerfreundlichkeit ist unser Leitfaden für den gesamten Stadtumbau in der historischen Mitte." Ab kommenden Montag gilt in der Fußgängerzone dann auch ein Parkverbot. Noch am Freitag sollen nach Angaben der Senatorin Beschilderungen aufgestellt werden, die darauf hinweisen. Auch für Fahrräder ist die Fußgängerzone tabu. Den umstrittenen Fahrradstreifen aus dem Verkehrsversuch gibt es nicht mehr.

Jarasch kündigte außerdem eine einwöchige Umbauphase an. Neben den Sitzmöbeln sollen an den Zugängen der Fußgängerzone auch sogenannte Informationsstelen aufgestellt werden. Das alles ist noch nicht der große Wurf, sondern nur die Vorbereitung darauf. Die Planung für die dauerhafte Gestaltung der Fußgängerzone soll danach beginnen. Noch steht das Verfahren dafür nicht fest. Eine Möglichkeit ist ein Gestaltungswettbewerb mit Jury und ein Auswahlverfahren gemeinsam mit der Senatsbauverwaltung. Über das Thema soll nach Jaraschs Vorschlag unmittelbar nach der Wiederholungswahl am 12. Februar gesprochen werden. Bis zum Ende der Umgestaltung werde es mehrere Jahre dauern. Ob zwei oder fünf, lasse sich derzeit noch nicht sagen, so die Grünen-Politikerin.

Zu den Plänen für die Fußgängerzone in der Friedrichstraße gab es eine Reihe kritischer Reaktionen: Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hielt Jarasch vor, die Aktion sei nicht im Senat abgestimmt gewesen. "Ich halte diesen Alleingang auch nicht für durchdacht." Die SPD-Landesvorsitzende und Konkurrentin der grünen Spitzenkandidatin bei der Wiederholungswahl am 12. Februar sagte, sie stehe weiterhin für eine Gesamtlösung für die Mitte der Stadt, die mit den Gewerbetreibenden in der Friedrichstraße und in den umliegenden Straßen abgestimmt werde. Für diese Lösung müssten genügend Mittel eingestellt werden, damit eine echte, attraktive Flaniermeile Wirklichkeit werden könne. "Das sehe ich hier nicht."

Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) bemängelte, Jaraschs Vorpreschen wiederhole die alten Fehler, indem der letzte Schritt vor dem ersten gemacht werde. "Mit dieser Aktion schafft man kein Vertrauen in den Prozess und stellt auch die Idee einer echten Beteiligung, die jetzt so wichtig gewesen wäre, gleich zu Anfang infrage", sagte Schwarz der dpa. CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner bezeichnete die Entscheidung für die Fußgängerzone als Irrweg. "Einmal mehr will Grünen-Senatorin Jarasch mit dem Kopf durch die Wand. Ideologie und Parteiinteressen gehen bei den Grünen über die berechtigten Belange der Anwohner." FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja bezeichnete Jaraschs Vorgehen als "nächste Sauerei" gegen "alle Widerstände und gegen die Interessen der Menschen vor Ort". Der Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, Robert Rückel, sprach von Aktionismus, der das Gegenteil von durchdachter, strategischer Verkehrspolitik sei.

Jarasch wies jegliche Kritik zurück. "Unser Ziel ist ein fußgängerfreundlicher, moderner Stadtraum im Kontext der historischen Mitte", sagte sie. "Das war immer die Verabredung." Und das sei auch in den Koalitionsverhandlungen genau so besprochen worden. "Wenn Franziska Giffey das jetzt nicht teilt, dann wundert mich das."

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