Berlin: Schlagabtausch zur Verkehrspolitik

Kurz vor der Wahl haben sich Regierung und Opposition im Berliner Senat einen heftigen Streit zur Verkehrspolitik in der Hauptstadt geliefert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht

Der rot-rot-grüne Senat in Berlin verweist auf Erfolge in der Verkehrswende.

(Bild: Deutsche Bahn AG / Pierre Adenis)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Rund fünf Wochen vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus hat die Opposition der rot-rot-grünen Koalition ein vernichtendes Zeugnis in der Verkehrspolitik ausgestellt. CDU, AfD und FDP sprachen in einer Parlamentsdebatte von einer vor allem gegen Autofahrer gerichteten Politik, die auf Verbote, Gängelung, Umerziehung und irreale Visionen einer autofreien Stadt setze statt auf ein Miteinander aller Verkehrsträger. "So kann es nicht weitergehen", sagte der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Oliver Friederici, und warf der Koalition "Autohasserwahn" vor. SPD, Grüne und Linke verteidigten hingegen die Verkehrswende hin zu weniger Autolärm, Abgasen und tödlichen Unfällen und verwiesen auf viele Fortschritte seit 2016.

Friederici meinte, Rot-Rot-Grün, vor allem die Grünen, wollten die Menschen in Busse und Bahnen "zwingen". Die Koalition weise blindwütig Radwege und sinnlose Tempo-30-Zonen aus, erzeuge bewusst Staus etwa durch schlechte Ampelschaltungen und sperre willkürlich Straßen für Autofahrer. Weltweit bauten Metropolen neue U-Bahnen. "Nur in Berlin geht das nicht." Friederici: "U-Bahn-Strecken müssen endlich schneller geplant und gebaut werden." Ferner sei die CDU für einen Ausbau des Bus-Verkehrs auch an den Stadträndern und bessere Verbindungen mit dem Brandenburger Umland.

In dieselbe Kerbe schlug der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Frank Scholtysek. "Sie wollen den Bürgern der Hauptstadt aufzwingen, wie sie sich zu bewegen haben", sagte er an die Adresse der Koalition. SPD, Grüne und Linke hätten die Stadt "um Tausende Parkplätze beraubt" und Straßen zu Begegnungszonen umgebaut, die niemand brauche. Die für Autos gesperrte Friedrichstraße sei zur "Raserstrecke für Kampfradler" geworden. Mit dieser "Autohasserpolitik" müsse Schluss sein.

Der FDP-Verkehrsexperte Henner Schmidt warf Rot-Rot-Grün vor, aus Berlin ein "Bullerbü des Stillstandes" machen zu wollen. Diese Vision vor allem der Grünen sei kitschig, piefig, spießig. Eine Metropole sei aber Tag und Nacht in Bewegung. "Freie, grüne, ruhige Straßen gibt es in der Großstadt nicht."

Der Grünen-Verkehrspolitiker Harald Moritz wies die aus seiner Sicht "wilden Behauptungen" der Opposition zurück. Die Verkehrswende sei in der Stadtgesellschaft angekommen, viele Menschen wollten sie. Daher setze seine Partei neben dem Ausbau des ÖPNV, in den so hohe Milliardensummen wie schon lange nicht mehr investiert würden, auf mehr Radwege, mehr Tempo 30, mehr autofreie Straßen.

Wie Moritz verwies auch der Linke-Politiker Kristian Ronneburg auf Erfolge der Koalition. "Wir haben dafür gesorgt, dass ÖPNV bezahlbar bleibt", zählte er auf. Noch nie habe es so viele Investitionen und Personal für den Radverkehr gegeben: Neue, geschützte Radstreifen und Fahrradstraßen seien in den Kiezen entstanden. "Wir bauen auch den ÖPNV aus", so Ronneburg und nannte eine Taktverdichtung und die Bestellung von 1500 neuen U-Bahn-Wagen als Beispiele.

Der SPD-Politiker Tino Schopf verwies auf Deutschlands erstes Mobilitätsgesetz in Berlin. "Wir haben damit klare Prioritäten auf den ÖPNV gelegt." Das gelte auch für die schwächsten Verkehrsteilnehmer, also Fußgänger und Radfahrer. Schopf äußerte aber auch Kritik an der von der Grünen-Senatorin Regine Günther geführten Verkehrsverwaltung. Sie habe es nicht geschafft, den Ausbau der U-Bahn in Gang zu bringen und den Radwegeausbau zu beschleunigen. "Dies sind Verzögerungen, die wir uns künftig nicht leisten dürfen und leisten wollen."

Günther selbst machte im Parlament deutlich, dass sie keine Alternative zu einer ökologischen Verkehrswende sieht und verwies auf die globale Erderwärmung. "Nur wenn sich unsere Art und Weise des Wirtschaftens und des Lebens, nur wenn sich unsere Technologien und Strukturen so schnell und so deutlich verändern, haben wir eine Chance, die schlimmsten Klimaveränderungen aufzuhalten", mahnte sie. "Dies alles bedeutet, dass sich auch Berlin ändern muss." Dass betreffe die drei Bereiche Energienutzung, Stadtgestaltung und Mobilität. "Ein "Weiter wie bisher" ist keine Option, es wäre unverantwortlich", so Günther. Deshalb wolle sie die das Klima schädigenden Emissionen des Verkehrs bis spätestens 2045 auf Null zurückfahren. "Wir werden den Verbrennerantrieb in Berlin hinter uns lassen."

(mfz)