Globale Herausforderungen: USA und EU wollen gemeinsam KI-Modelle entwickeln

KI aus den USA und der EU soll helfen, etwa Stromnetze und Wettervorhersagen zu optimieren. Bei den geplanten EU-KI-Regeln sehen Künstler Lücken beim Copyright.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen

(Bild: whiteMocca/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die USA und die EU haben am Freitag eine Verwaltungsvereinbarung zur stärkeren Zusammenarbeit bei Künstlicher Intelligenz (KI) unterzeichnet. Sie soll Experten von beiden Seiten des Atlantiks an einen Tisch bringen, um die Forschung in diesem technologischen Schlüsselbereich zu fördern. Dies teilte der nationale US-Sicherheitsberater im Weißen Haus, Jake Sullivan, mit. Die Kooperation soll demnach auf verantwortungsvolle Weise "Fortschritte in der KI vorantreiben, um wichtige globale Herausforderungen mit einem gemeinsamen Entwicklungsmodell und integrierter Forschung zu bewältigen".

Vorgesehen ist demnach die gemeinsame Arbeit in fünf Schwerpunktbereichen, in denen KI besondere Vorteile im Interesse der Gesellschaft bieten kann. Dazu gehören Vorhersagen zu Extremwetterereignissen und zum Klimawandel allgemein sowie eine effizientere Reaktion auf Notfälle und Katastrophen. Künstliche Intelligenz soll zudem helfen, die Gesundheitsvorsorge und medizinische Versorgung zu verbessern sowie die Stromnetze und die Landwirtschaft zu optimieren.

Der Verwaltungsakt setzt eine Vereinbarung aus dem jüngsten Treffen des transatlantischen Trade and Technology Council (TTC) im Dezember um. Es gehe darum, durch gemeinsame Forschungsaktivitäten KI-Anwendungen "für das Gemeinwohl" zu forcieren, erklärte die EU-Kommission schon damals. Die Regierungsvertreter legten dabei auch Eckpunkte für eine gemeinsame Agenda für "Bewertungs- und Messinstrumente für vertrauenswürdige KI und Risikomanagement" im Einklang früherer Pläne beider Exekutivinstanzen vor. Sie wollen demnach diese Linie auch in internationalen Standardisierungsgremien vertreten.

Die EU und die Vereinigten Staaten werden demnach auch an einem Pilotprojekt arbeiten, um den Einsatz von Technologien zum erweiterten Schutz der Privatsphäre und synthetischen Daten im Bereich Gesundheit und Medizin im Einklang mit den geltenden Datenschutzvorschriften zu testen.

Das Besondere an der konkreten Vereinbarung liege darin, gemeinsame KI-Modelle zu entwickeln "und dabei die Daten dort zu belassen, wo sie sind", erklärte ein hochrangiger Verwaltungsbeamter gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. "Die US-Daten bleiben in den USA und die europäischen Daten bleiben dort. Aber wir können ein Modell bauen, das mit den europäischen und den US-Daten kommuniziert." Dies sei entscheidend, denn je besser und vielfältiger das Trainingsmaterial seien, desto leistungsfähiger würden auch die damit gefütterten Algorithmen.

Mit Blick auf das Stromnetz erläuterte der US-Regierungsvertreter, dass die Betreiber in den Vereinigten Staaten bereits Daten darüber sammelten, wie der Strom verbraucht wird, wo er erzeugt wird und wie die Last ausbalanciert werden kann, um vorübergehende Ausfälle oder gar flächendeckende Blackouts zu vermeiden. Viele europäische Länder hätten ähnliche Datenpunkte aus ihrem Sektor. Im Rahmen der neuen Partnerschaft würden alle diese Daten in ein gemeinsames KI-Modell einfließen, das bessere Ergebnisse etwa fürs Notfallmanagement liefere.

Die jetzt besiegelte Partnerschaft besteht derzeit nur zwischen dem Weißen Haus und der Kommission. In den kommenden Monaten sollen die EU-Mitgliedsstaaten und weitere Länder eingeladen werden, sich offiziell zu beteiligen.

KI-Modellierung, also das Erstellen, Trainieren und Implementieren von Algorithmen für maschinelles Lernen sowie das darauf basierende Nachahmen logischer Entscheidungsprozesse anhand der verfügbaren Daten, ist vor allem mit dem Erfolg davon profitierender Text- und Bildgeneratoren wie ChatGPT, Stable Diffusion, DALL-E und Midjourney ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt.

Vor allem Künstlern und Organisationen, die mit geistigen Schöpfungen Geld verdienen, stößt die Konkurrenz durch Künstliche Intelligenz aber zunehmend übel auf. Denn Betreiber der Generatoren wie OpenAI trainieren ihre Modelle mit Millionen von Bildern und Texten, die sie im Internet finden. Sie fragen dabei die Urheber und Verwerter nicht, ob sie mit dieser Nutzung einverstanden sind.

Gegen das britische Unternehmen Stability AI, das hinter Stable Diffusion und darauf basierenden Apps wie Lensa steht, und weitere Hersteller laufen daher bereits Gerichtsverfahren in den USA und Großbritannien. Die Rechtslage ist kompliziert. In der EU etwa hat der Gesetzgeber mit der jüngsten Urheberrechtsnovelle Ausnahmen vom exklusiven Verwertungsrecht fürs Text- und Data-Mining festgelegt. Unternehmen in den USA betrauen zudem Forschungseinrichtungen damit, Modelle mit urheberrechtlich geschütztem Material zu trainieren, was ihnen den Vorwurf einer großflächigen "Datenwäsche" eingebracht hat.

Interessensvertretungen wie der Bundesverband professioneller Bildanbieter (BVPA) fordern daher schon seit Längerem rechtliche Klarstellungen, um die einschlägige Urheberrechtseinschränkung tatsächlich auf nicht-kommerzielle Forschung zu begrenzen. Es müsse ausgeschlossen werden, dass Werke für Trainingszwecke zur Erstellung von KI-Instrumenten genutzt werden, mit denen sich synthetische Inhalte erzeugen lassen. Eine allgemeine Opt-out Klausel für Kreative reiche nicht aus, betont auch der Verband European Visual Artists (EVA). Künstler müssten gezielt in solche Verwendungen einwilligen und entsprechend entlohnt werden.

Die Debatte verlagert sich nun auch auf die Verhandlungen über die geplante KI-Verordnung der EU. Die Kommission berücksichtigte in ihrem ursprünglichen Entwurf vom April 2021 KI-Systeme wie ChatGPT, die für verschiedene Zwecke angepasst werden können, nicht. Geht es nach Dragoș Tudorache, einem der Berichterstatter für das Dossier im EU-Parlament, können solche Modelle aber nicht unreguliert bleiben. Es müsse "ein Mindestmaß an Verpflichtungen" für die Betreiber geben, forderte der Liberale gegenüber dem Online-Portal "Euractiv".

Francesco Archidiacono von der italienischen Organisation MeFu, die Comiczeichner vertritt, befürchtet laut dem Bericht, dass die unkontrollierte Nutzung und breitere Einführung von KI-Generatoren über Agenturen und Studios vor allem junge aufstrebende Künstler treffe. Diese bekämen zunehmend Schwierigkeiten, Einstiegsjobs zu erhalten. Bei vielen derzeit gehypten KI-Modellen handle es sich um kommerzielle Produkte, die "durch die Ausbeutung der Arbeit von Künstlern und Kreativen entstanden" seien.

(bme)