Studie: Genug Rohstoffe, um die Welt mit erneuerbarer Energie zu versorgen

Die wichtigsten Rohstoffe für den Klimaschutz werden uns nicht ausgehen, aber der Abbau hat soziale und ökologische Auswirkungen, sagt eine neue Studie.

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Solarpanel am Bremer Weserstadion.

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Casey Crownhart
Inhaltsverzeichnis

Im Pariser Abkommen von 2015 haben sich die weltweiten Staats- und Regierungschefs das Ziel gesetzt, die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Um dieses Ziel – wenn es denn noch möglich ist – zu erreichen, bedarf es neuer Infrastrukturen, um die Welt mit erneuerbaren Energien zu versorgen. Die gute Nachricht: Selbst in den ehrgeizigsten Szenarien verfüge die Welt über genügend Materialien wie Aluminium und Metalle der Seltenen Erden für diesen Wandel, sagt eine neue Studie, die im Fachmagazin "Joule" veröffentlicht wurde. Und der Abbau und die Verarbeitung dieser Materialien würden nicht so viele Emissionen erzeugen, dass die Welt über die internationalen Ziele hinaus erwärmt würde.

Diese guten Nachrichten haben jedoch einen Haken. Zwar haben wir technisch gesehen genug von den Materialien, die wir für den Aufbau einer Infrastruktur für erneuerbare Energien benötigen. Doch der tatsächliche Abbau und die Verarbeitung dieser Materialien ist eine Herausforderung, vor allem im Hinblick auf Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen.

Um den Materialbedarf für die Erreichung der Klimaziele besser zu verstehen, untersuchten die Expertinnen und Experten des Umweltforschungszentrums Breakthrough Institute im kalifornischen Oakland 17 der wichtigsten Materialien, die für die Erzeugung von nachhaltigem Strom benötigt werden. Sie schätzten ab, wie viel von jedem dieser Stoffe benötigt würde, um eine emissionsarme Infrastruktur aufzubauen, und verglichen sie mit Schätzungen darüber, wie viel von diesen Ressourcen (oder den zu ihrer Herstellung benötigten Rohstoffen) in geologischen Reserven vorhanden ist. Diese umfassen das gesamte Material auf der Erde, das wirtschaftlich abgebaut werden kann.

Für die meisten Technologien werden einige Massengüter wie Aluminium, Zement und Stahl benötigt. Andere erfordern jedoch auch spezielle Materialien. Solarmodule etwa benötigen Polysilizium, und Windturbinen Glasfasern für ihre Flügel und Seltenerdmetalle für ihre Motoren.

Der Materialbedarf hängt davon ab, welche Art von neuer Infrastruktur wir bauen – und wie schnell wir sie bauen. Bei den ehrgeizigsten Klimaschutzszenarien könnten bis 2050 fast zwei Milliarden Tonnen Stahl und 1,3 Milliarden Tonnen Zement für die Energieinfrastruktur benötigt werden.

Die Produktion von Dysprosium und Neodym, beides Seltenerdmetalle, die in den Magneten von Windturbinen verwendet werden, wird sich in den nächsten Jahrzehnten vervierfachen müssen. Polysilizium in Solarqualität wird ein weiterer heiß gehandelter Rohstoff sein, denn der Weltmarkt wird bis 2050 voraussichtlich um 150 Prozent wachsen.

Für jedes vom Team untersuchte Szenario machen die Materialien, die benötigt werden, um die Erwärmung der Welt unter 1,5 Grad Ceslius zu halten, "nur einen Bruchteil" der weltweiten geologischen Reserven aus, sagt Seaver Wang, Co-Direktor des Klima- und Energieteams am Breakthrough Institute und einer der Autoren der Studie.

Über Rohstoffe und Deglobalisierung:

Shenzhen, Hafen von Yantian

(Bild: zhangyang13576997233 / Shutterstock.com)

Die vergangenen Monate haben schmerzlich gezeigt, dass die Abhängigkeit von Ressourcen einen hohen Preis hat. Doch lässt sich das Rad noch zurückdrehen? Werfen wir also einen Blick auf die Versorgungslage. Wie weit sich Europa mit strategisch wichtigen Rohstoffen selbst versorgen könnte und was das für die Industrie bedeutet, wollen wir mit einer Rohstoff-Artikelserie erkunden.

Die Ausbeutung dieser Reserven hat Konsequenzen. Die Forschenden fanden heraus, dass die Emissionen, die durch den Abbau und die Verarbeitung dieser wichtigen Materialien entstehen, bis zum Jahr 2050 insgesamt bis zu 29 Gigatonnen Kohlenstoffdioxid ausmachen könnten, die meisten entfallen dabei auf Polysilizium, Stahl und Zement – schon jetzt mit die emissionsstärksten Industrien.

Die Gesamtemissionen aus dem Abbau und der Verarbeitung dieser Materialien seien zwar beträchtlich, aber in den nächsten 30 Jahren summieren sie sich auf weniger als ein Jahr der weltweiten Emissionen aus fossilen Brennstoffen, schätzen die Forscherinnen und Forscher. Diese anfänglichen Emissionskosten würden durch die Einsparungen sauberer Energietechnologien, die fossile Brennstoffe ersetzen, mehr als ausgeglichen, sagt Wang. Fortschritte bei der Senkung der Emissionen aus der Schwerindustrie wie Stahl und Zement könnten ebenfalls dazu beitragen, die Klimaauswirkungen des Aufbaus einer Infrastruktur für erneuerbare Energien zu verringern.

Für die Studie konzentrierte sich das Team allerdings nur auf Technologien, die Strom erzeugen. Sie berücksichtigt nicht alle Materialien, die für die Speicherung und Nutzung dieses Stroms benötigt werden, wie die Batterien in Elektrofahrzeugen oder die Netzspeicherung.

So wird erwartet, dass die Nachfrage nach Batteriematerialien bis 2050 stark steigen wird. Laut einer Studie der Weltbank aus dem Jahr 2020 muss die jährliche Produktion von Graphit, Lithium und Kobalt gegenüber 2018 um mehr als 450 Prozent gesteigert werden, um die erwartete Nachfrage nach Elektroautos und Netzspeichern zu decken. Doch selbst wenn man die Batteriematerialien betrachte, sei die grundlegende Erkenntnis dieselbe, sagt Wang: Die weltweiten Reserven an Materialien, die für eine saubere Energieinfrastruktur benötigt werden, seien selbst für die Szenarien mit dem höchsten Bedarf ausreichend.

Der schwierige Teil wird sein, sie aus dem Boden zu holen. Die Steigerung der Produktion einiger Materialien, insbesondere derjenigen, die für Batterien benötigt werden, wird soziale und ökologische Herausforderungen mit sich bringen. "Es wird unterschätzt, was im Bergbau geschehen muss", sagt Demetrios Papathanasiou, Direktor für Energie und Rohstoffgewinnung bei der Weltbank.

Seit Beginn des Bergbaus vor Tausenden von Jahren wurden weltweit etwa 700 Millionen Tonnen Kupfer abgebaut. Allein in den nächsten drei Jahrzehnten müssten weitere 700 Millionen Tonnen abgebaut werden, um die Klimaziele zu erreichen, sagt Papathanasiou. Das Problem ist, dass der Bergbau, ob zur Gewinnung fossiler Brennstoffe oder erneuerbarer Energien, erhebliche Umweltschäden verursachen kann. Im Westen der USA zum Beispiel könnten die geplanten Minen für Materialien wie Kupfer und Lithium die indigene Bevölkerung von ihrem Land vertreiben und die Umwelt verschmutzen.

Und dann ist da noch die Frage, wer all die Materialien fördern soll. Es ist hinreichend bekannt, dass in einigen Fällen die Rohstoffe von Arbeitern unter unfairen oder ausbeuterischen Arbeitsbedingungen abgebaut werden. Trotz der Bemühungen, Kinderarbeit zu verbieten, ist sie im Kobaltabbau in der Demokratischen Republik Kongo immer noch weit verbreitet. Und die Verarbeitung von Polysilizium in China steht im Verdacht der Zwangsarbeit.

Papathanasiou ist der Ansicht, dass die Frage, wie wir die für eine saubere Zukunft benötigten Materialien gewinnen können, ohne dabei Menschen oder die Umwelt zu schädigen, ein wichtiger Schwerpunkt der Energiewende sein sollte. "Wir müssen wirklich Lösungen finden, die uns das benötigte Material auf nachhaltige Weise beschaffen, und die Zeit ist sehr knapp."

(jle)