Polizeigewerkschafter kritisieren "Herumfummeln am Grundgesetz"

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) will die Bundeswehr auch für polizeiliche Aufgaben im In- und Ausland einsetzen. Bei Ordnungshütern, SPD und Oppositionspolitikern stößt der Vorschlag auf Unmut.

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Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat die Forderung von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) scharf kritisiert, zur Bekämpfung von Piraten das Grundgesetz zu ändern und die Bundeswehr für polizeiliche Aufgaben im In- und Ausland einzusetzen. "Die Bundesregierung muss endlich aufhören, am Grundgesetz herumzufummeln", verlangte der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt in der Berliner Zeitung. Eine Geiselbefreiung im Rahmen eines Anti-Terror-Einsatzes wie im Fall der inzwischen wieder freigelassenen "Hansa Stavanger" habe nichts mit Verfassungsfragen zu tun. Es reichte aus, wenn die Ministerien besser untereinander zusammenarbeiteten. Im Mai war eine geplante Befreiungsaktion für den gekaperten Frachter am Horn von Afrika wegen Unstimmigkeiten innerhalb der Bundesregierung abgeblasen worden.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, schloss sich seinem Kollegen an. Der Interessensvertreter sagte der Thüringer Allgemeinen, einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren dürfe es nicht geben. Grundsätzliche Zweifel äußerte auch der frühere Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch an den Forderungen. Das Grundgesetz sei bereits viel zu häufig geändert worden. Die Verfassung sei kein Instrument, mit dem die tägliche Politik gemacht werden soll.

Jung hatte am Sonntag dafür plädiert, über eine Verfassungsänderung "nachzudenken". Damit solle der Bundeswehr der Zugriff dann ermöglicht werden, "wenn die Polizei nicht handeln kann". Es dauere zu lang und sei zu umständlich, die eigentlich zuständigen Ordnungshüter etwa aufs Meer vor Kenia zu schicken. Er wolle die Debatte um eine Grundgesetzänderung "auch mit Blick auf bestimmte Situationen im Innern" führen, ließ der CDU-Politiker zugleich durchblicken.

Die Union plädiert seit Jahren dafür, Armeekräfte auch für die Aufrechterhaltung der Inneren Sicherheit einzusetzen. Der Koalitionspartner SPD lehnte dies bisher entschieden ab. Der "Ladenhüter" werde durch ständige Wiederholungen nicht richtiger, reagierte der verteidigungspolitische Sprecher der SDP-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, denn auch prompt in der Frankfurter Rundschau auf Jungs neuen Vorstoß. Auf keinen Fall dürfe die Bundeswehr ein Mandat im Inneren für polizei-hoheitliche Aufgaben erhalten. Der Verteidigungsexperte der Grünen im Parlament, Winfreid Nachtwei, meint, Jungs Vorschlag sei Unsinn und von der Sache her in keiner Weise notwendig. Petra Pau, Vorstandsmitglied der Fraktion der Linken, nannte den Vorstoß perfide, da Jung das Geiseldrama zum Anlass genommen habe. Die stellvertretende FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger sieht ebenfalls keine rechtlichen Lücken, die geschlossen werden müssten.

Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach unterstützte Jung dagegen. Die Bundeswehr habe bei der Piratenjagd keine eigene Kompetenz, monierte er im ZDF-Morgenmagazin. Die Bundeswehr brauche immer die Zustimmung der EU-Mission und könne selbst dann nicht in eigener Zuständigkeit handeln, wenn ausschließlich deutsche Staatsbürger betroffen seien. Die von Jung angestrebte Grundgesetzänderung sei daher nötig. (Stefan Krempl) / (anw)