Medienwoche: Von elektronischen Fürzen und wertigem Journalismus

Das Verlagshaus Axel Springer plant mit der Umstellung von Bild.de auf ein Bezahlangebot auf Apples Smartphone den Einstieg ins Pay-Web. Mittelfristig soll so das "Gesetz" der Kostenlos-Inhalte im Netz "umgedreht" werden.

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Deutsche Medien wollen das Rad zurückdrehen und bezahlte Inhalte im Netz etablieren. Am Rande der Elektronikmesse IFA hat am heutigen Montag in Berlin der zweitägige Kongress zur Medienwoche Berlin-Brandenburg begonnen. Bei der Eröffnung rief Axel-Springer-Manager Andreas Wiele die Verlage auf, mehr Mut zu bezahlten Online-Inhalten zu haben. "Deutschland hat die Chance, zum Vorreiter beim Paid Content zu werden." Springer selbst plant mit der Umstellung von Bild.de auf ein kostenpflichtiges Angebot fürs iPhone den Einstieg ins bezahlte Web. Inhalte der viel besuchten Webseite sollen für Apples Smartphone nur noch gegen Entgelt erhältlich sein, erklärte Wiele.

"Elektronische Fürze können Sie kaufen, die kosten 79 Cent", erklärte Wiele. Nur die Verlagsbranche wage es bislang nicht, für ihre Inhalte Geld zu verlangen. "Wir versuchen unserem Journalismus nun dort einen Wert zu geben." Das Bezahlangebot werde "noch in diesem Jahr" starten, erläuterte Wiele das Vorhaben gegenüber heise online. Bei der Bezahlvariante werde es sich um ein speziell ausgebautes Portal fürs iPhone handeln. Die genauen Preise würden noch festgelegt. Mit dem Schritt will Axel Springer mittelfristig das "Gesetz" der Kostenlos-Kultur im Netz "umdrehen". Nur jetzt bestehe die Chance, eine entsprechende "Bewegung" in Gang bringen, erläuterte Wiele. Sonst seien die Leute überhaupt nicht mehr bereit, "für das gesammelte Wissen im Internet Geld zu bezahlen".

Auf dem Podium zur Eröffnung saßen auch Vertreter von Google sowie aus der Fernseh- und Musikbranche. Stefan Tweraser von Google Deutschland unterstützte den Springer-Ansatz. In Bezug auf die Debatte um ein eigenes Leistungsschutzrecht für Verlage, mit denen diese neben den Urhebern ein eigenes Recht an Inhalten erhalten wollen, betonte Tweraser, dass jeder Anbieter mit Hilfe einer Codezeile auf seiner Seite einen Ausschluss von der Erfassung durch Suchmaschinen erreichen könne. Dann würden auch keine möglichen Rechte verletzt. Eigentlich müsste nach Ansicht Twerasers aber Google "etwas dafür verlangen, dass Sie gefunden werden". Zugleich versicherte der Österreicher, dass der Internetkonzern bereits jährlich 5 Milliarden US-Dollar an seine Content-Partner abgebe.

rbb-Intendantin Dagmar Reim bestand darauf, dass im Netz "einer bezahlen muss". Wolf Bauer, Chef der UFA Film & TV Produktion, befand, dass auch im Internet "die Marktgesetze gelten" und "die Piraterie eingedämmt" werden müsse. Für "werthaltige Produkte" müsse auch die Geldbörse gezückt werden. Die UFA versuche aber zugleich mit verschiedenen Partnern unterschiedliche Geschäftsmodelle zu etablieren. Das rechtliche Umfeld dafür müsse aber stimmen. Bauer bezeichnete in diesem Zusammenhang das in Frankreich vorangetriebene Modell der "abgestuften Erwiderung" auf Urheberrechtsverstöße im Netz als "interessanten Versuch" zur Regulierung. Er sei sich aber nicht sicher, ob es sich dabei um einen weltweit gängigen Ansatz handeln könne.

Der Chef von Universal Music Deutschland, Frank Briegmann, äußerte ebenfalls den Wunsch nach einem "stärkeren Urheberrecht". Die Politik müsse sich viel stärker mit illegalen Download-Aktivitäten beschäftigte, forderte der Label-Manager. Zugleich bemängelte er "sehr wachsweiche Formulierungen in allen Wahlprogrammen" zum Schutz der Rechte an immateriellen Gütern. Vorschriften zu einer "Kooperation" von Inhalteanbietern und Zugangsanbietern etwa sollten daher konkret in die Koalitionsvereinbarungen nach der Wahl eingehen, meinte Briegmann. Hier gebe es bereits "stärkere Initiativen" in Frankreich und in Großbritannien, so dass Deutschland andernfalls beim Urheberrechtsschutz zurückzufallen drohe. (Stefan Krempl) / (vbr)