BKA wegen Umsetzungsverfahren zu Web-Sperren in der Kritik

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco und die Grünen bemängeln die Eile und die Geheimhaltungspflicht bei der Erarbeitung der Vorgaben zur Implementierung von Online-Blockaden auf Basis des Zugangserschwerungsgesetzes.

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Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco und die Grünen bemängeln die Eile und die Geheimhaltungspflichten bei der Erarbeitung der Vorgaben zur Implementierung von Online-Blockaden auf Basis des Zugangserschwerungsgesetzes. Stein des Anstoßes ist neben der Kennzeichnung des Entwurfs für eine technische Richtlinie zur Umsetzung des Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen als "Geheimakte" die Tatsache, dass das Bundeskriminalamt (BKA) gerade im Amtsblatt der Bundesnetzagentur für den 2. Oktober die zu Web-Blockaden verpflichteten Zugangsanbieter zur "persönlichen Aushändigung" des Papiers in seine Zentrale nach Wiesbaden geladen hat.

"Es ist ungewöhnlich, dass das BKA das Umsetzungsverfahren zum jetzigen Zeitpunkt derart intensiv vorantreibt", erklärte Hannah Seifert, Leiterin des Berliner Verbindungsbüros des eco, gegenüber heise online. Sie erinnerte daran, dass der Gesetzesentwurf nach wie vor zur Begutachtung durch die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten in Brüssel liegt und die entsprechende Frist zur Abgabe von Stellungnahmen bis zum 8. Oktober läuft. Mit der Geheimniskrämerei um den Entwurf für die Umsetzungsrichtlinie droht Seiffert zufolge erneut Konflikt mit dem EU-Recht: Auch ein Provider etwa in Belgien müsse vor einem Einstieg in das Deutschlandgeschäft in der Lage sein, sich über die hiesigen Sperrverpflichtungen ein Bild zu machen. Die Einstufung der Technikbestimmungen als Verschlusssache könne daher als "Marktzutrittsbarriere" gewertet werden.

Das BKA habe ohne Rechtsgrundlage einen Entwurf für eine technische Richtlinie vorgelegt, weil das entsprechende Bundesgesetz noch nicht in Kraft getreten sei, ergänzte der stellvertretende eco-Vorstandsvorsitzende Oliver Süme. Bei dem Übergabetermin in Wiesbaden sei ausdrücklich eine inhaltliche Diskussion über technische Details gar nicht erwünscht. Den Kreis der verpflichteten Unternehmen kenne das BKA aber gar nicht. Der Gedanke liege daher nahe, dass es sich mit der Veranstaltung darüber erst einmal Klarheit verschaffen wolle. Dem Gesetz nach müssen Provider auf Basis einer geheimen Sperrliste Webseiten blockieren, die über 10.000 Teilnehmer versorgen. Eine Marktübersicht über Firmen, die in diese Kategorie fallen, gibt es aber nicht.

Die Wiesbadener Polizeibehörde selbst begründet die Einstufung der technischen Richtlinie als Verschlusssache mit der Befürchtung, dass sonst zu viele Einzelheiten über die geplante Sperrinfrastruktur bekannt werden könnten. Dem hält der eco entgegen, dass mit dem Papier allein geregelt werden solle, in welcher Form und nach welchem Verfahren die Sperrliste und die Aufstellung über die Anzahl der Zugriffsversuche auf blockierte Seiten zur Verfügung gestellt werden. Es sei daher unbegreiflich, dass nicht einmal Providerverbände den Entwurf für die Umsetzungsbestimmungen sehen und ihre Mitglieder beraten dürften. Die vom BKA gesetzte Frist zur Abgabe zur Kommentierung der Initiative bis zum 19. Oktober sei zudem viel zu kurz.

Malte Spitze aus dem Bundesvorstand der Grünen bezeichnete das Vorgehen des BKA als "ungeheuerlich". Die Behörde plane, Prozesse und Verfahren abzuschließen sowie Richtlinien festzusetzen. Dafür würden Unternehmen unter Druck gesetzt, damit sie sich schon jetzt am Verfahren beteiligten. Bis dato sei aber völlig unklar, welche Internetanbieter das Sperrgesetz überhaupt umsetzen müssen. Es werde so weiter versucht, das Projekt für die Web-Blockaden "auf Teufel komm raus umzusetzen" trotz aller rechtsstaatlicher Bedenken. Im Gegensatz dazu sei für die bereits Anfang Januar in Kraft getretene Regelung zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten noch immer keine technische Richtlinie veröffentlicht worden.

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(Stefan Krempl) / (pmz)