Lebendige Demokratie vs. Softwarepatente

Die Sozialdemokraten im Europaparlament haben sich auf eine gemeinsame Linie zur Patentierbarkeit computergestützter Erfindungen geeinigt.

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Die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament hat sich Ende der Woche grundsätzlich auf eine gemeinsame Linie zum heftig umstrittenen Vorschlag für eine Richtlinie zur Patentierbarkeit computergestützter Erfindungen verständigt. "Wir wollen vor allem eine klare Definition der Technizität, die wir als Grundlage für die Patentierbarkeit sehen", berichtete die SPD-Abgesandte Evelyne Gebhardt nach der internen Debatte heise online. Software selbst solle nicht den gesetzlichen Monopolschutz erhalten können, sondern nur "tatsächliche, industrielle Produkte". Die Einbindung der technischen Komponente hoffen die Sozialdemokraten über das Kriterium der Verwendung "kontrollierbarer Naturkräfte" gewährleisten zu können.

Die von der Patentlobby geforderten reinen Schutzansprüche auf Programme, die in einen Computer oder ein Netzwerk geladen werden, wird es nach dem Willen der Sozialisten nicht geben. Auch die Interoperabilitätsklausel 6a für Konverterprogramme soll nicht gänzlich sinnentleert werden -- gleichzeitig sollen aber auch die "legitimen Interessen des Patenthalters" nicht "unangemessen" beeinträchtigt werden. Das beende die herrschende Verwirrung über die Zielrichtung der Richtlinie zwar nicht wirklich, kommentiert Hartmut Pilch vom Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII) den "Formelkompromiss". Aber zumindest komme Bewegung in die eingefahrenen Frontlinien.

Die Sozialdemokraten sind im Europaparlament zwar schwächer vertreten als die Konservativen -- sie halten knapp ein Drittel der Sitze --, doch stellen sie mit Arlene McCarthy die einflussreiche Berichterstatterin für die Richtlinie. Die Labour-Abgeordnete ist jedoch in den eigenen Reihen in die Schusslinie gekommen, nachdem sie sich und ihre Mitstreiter Anfang der Woche als Opfer einer "Desinformationskampagne" ungewohnter, nicht von Großkonzernen bezahlter Lobbykräfte bezeichnet hatte. Gebhardt etwa zeigte sich gegenüber heise online verwundert über die Schärfe der Formulierungen der Britin: "Sonst wollen wir immer Kontakt zu den Bürgern haben", sagte die deutsche Abgeordnete. Wenn diese dann tatsächlich den Draht zu ihren Stellvertretern suchen, "sollten wir froh sein über dieses Zeichen einer lebendigen Demokratie." Sie selbst hätte so erst wahrgenommen, wie groß das Lager der Bedenkenträger gegen Softwarepatente sei und dass dazu neben der Open-Source-Gemeinde beispielsweise auch mittelständische Betriebe aus der feinmechanischen Industrie gehören würden.

Die Protestnoten vieler Wähler scheinen bei Parlamentariern aus dem konservativen Lager ebenfalls angekommen zu sein. So will sich nun auch der CSU-Europaabgeordnete Joachim Würmeling nach Angaben des Handelsblatts "unmissverständlich" dafür stark machen, dass Geschäftsmethoden im Internet und reine Algorithmen patentrechtlich nicht geschützt werden können. Aus dem Büro seiner Kollegin Angelika Niebler sind ähnliche Töne zu hören. Triviale Patentansprüche, wie sie etwa die Nippon Electric Corporation (NEC) beim Europäischen Patentamt auf die Kundenbetreuung in Webshops angemeldet hat, sollen den CSU-Abgeordneten zufolge künftig keinen Monopolschutz mehr erhalten. Wie sie diesen Anspruch bis zur Parlamentsabstimmung Ende September sauber gesetzestechnisch verankern wollen, wurde allerdings noch nicht verraten.

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(Stefan Krempl) / (gr)