Rumänisches Verfassungsgericht: Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen Menschenrechte

Das Urteil des rumänischen Verfassungsgerichts von Anfang Oktober liegt nun schriftlich und in deutscher Übersetzung vor. Demnach meinen die Richter, die fortwährende Vorratsspeicherung könne in den Menschen die berechtigte Sorge um die Wahrung ihrer Privatsphäre wecken.

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Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat die deutsche Übersetzung eines Urteils des rumänischen Verfassungsgerichtshofs (Curtea Constitutionala a României) veröffentlicht, in dem das dortige Gesetz zur sechsmonatigen Vorratsspeicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten als verfassungswidrig verworfen wurde. Das Urteil wurde am 8. Oktober verkündet und liegt seit dem 23. November in schriftlicher Form (PDF-Datei) vor. Darin heißt es, durch das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung würden die in der Strafprozessordnung vorgesehenen Ausnahmen vom Fernmeldegeheimnis "zur Regel" gemacht. Auch wenn das Gesetz nicht Kommunikationsinhalte betreffe, vereitelten und hemmten die zu speichernden Daten wahrscheinlich die freie Ausübung der Rechte auf Fernmelde- und Meinungsfreiheit. Die fortwährende Vorratsspeicherung reiche aus, um in den Menschen die berechtigte Sorge um die Wahrung ihrer Privatsphäre und die Furcht vor einem möglichen Missbrauch zu wecken.

Eine Person, die angerufen wird, könne aufgrund ihrer Beziehung zum Anrufer ungewollt zum Ziel staatlicher Strafverfolgung werden, heißt es weiter in dem Urteil. Diese mögliche Einmischung in das Privatleben erscheint den Richtern als zu exzessiv. Da das Gesetz für alle Personen gleichermaßen gelte, berge es die Gefahr, dass die Unschuldsvermutung ausgehebelt und alle Nutzer elektronischer Kommunikationsdienste und öffentlicher Kommunikationsnetze unter den Verdacht gestellt werden, terroristische oder sonstige schwere Straftaten begangen zu haben. Da sich das Gesetz auf fast alle natürlichen und juristischen Benutzer öffentlich zugänglicher Kommunikationsdienste und -netze erstrecke, sei es nicht vereinbar mit den Bestimmungen auch der Europäischen Menschenrechtskonvention, die die Gewährleistung des Rechts auf Privatleben, das Briefgeheimnis und die Meinungsfreiheit garantiere.

Das rumänische Verfassungsgericht akzeptiert die Gründe, aus denen heraus das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung geschaffen wurde. Es sei "unabdingbar, ausreichende und wirksame rechtliche Mittel zur Verfügung zu stellen, die der kontinuierlichen Modernisierung und Entwicklung von Kommunikationsmitteln Rechnung tragen, damit das Auftreten von Kriminalität kontrolliert und bekämpft werden kann". Da müssten die Rechte des Einzelnen mit denen der Allgemeinheit abgewogen werden. In diesem Zusammenhang verweisen die rumänischen Richter auf ein Urteil (PDF-Datei) des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 1978. Demnach könnten Eingriffe ohne ausreichende Garantien die Demokratie, die eigentlich verteidigt werden soll, untergraben oder sogar zerstören.

Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert nun, die Bundesregierung müsse auf dieses Urteil reagieren und die verdachtslose Protokollierung des Kommunikationsverhaltens sofort stoppen. Außerdem solle die Regierung eine Initiative zur Aufhebung der EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung einleiten. Der Arbeitskreis hatte eine Massenklage beim Bundesverfassungsgericht initiiert, der sich rund 34.000 Bürger angeschlossen haben. Das Gericht will Mitte Dezember über die Vorratsdatenspeicherung verhandeln. (anw)