EU-Parlament kann SWIFT-Abkommen zum Bankdaten-Transfer in die USA noch ablehnen

Die umkämpfte transatlantische Vereinbarung zur Weitergabe von Bankdaten erfordert nach dem Segen des EU-Rates noch die Zustimmung der EU-Abgeordneten, die der Übereinkunft sehr kritisch gegenüberstehen.

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Die umkämpfte transatlantische Vereinbarung zur Weitergabe von Bankdaten erfordert nach dem Segen des EU-Rates noch die Zustimmung des EU-Parlaments. Die Abgeordneten müssten den am gestrigen Montag in Brüssel erfolgten formalen Beschluss des Übergangsabkommens "in den kommenden Monaten" noch billigen, heißt es in einer Mitteilung des Ministergremiums der Mitgliedsstaaten. Einfluss auf den Text nehmen könnten sie dabei nicht mehr. Möglich ist nur ein Ja oder Nein.

Das EU-Parlament steht der Übereinkunft, die US-Behörden weiterhin Zugriff auf Datenströme des Finanzdienstleisters SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) verschaffen soll, sehr kritisch gegenüber. Es hatte in einer Resolution umfangreiche Nachbesserungen gefordert. Die federführenden Innenminister griffen diese Vorschläge aber größtenteils nicht auf. Ihre Entscheidung trafen sie einen Tag vor Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon, der dem Parlament ein Mitspracherecht in der Angelegenheit jenseits der Abgabe von Empfehlungen eingeräumt hätte. "Der Ministerrat hat einen Fehlstart für den Lissabon-Vertrag hingelegt", monierte daher der EU-Abgeordnete Manfred Weber von der CSU. Seine SPD-Kollegin Birgit Sippel sprach von einem "Affront". Zuvor hatten schon Oppositionspolitiker der Liberalen, der Grünen und der Linken den Beschluss scharf kritisiert.

Es gilt trotzdem als unwahrscheinlich, dass die Abgeordneten den Vertrag in seiner jetzigen Form ablehnen. Damit würden sie sich auf vollen Konfrontationskurs zu den Regierungen der Mitgliedsstaaten und zu den USA begeben. Es ist fraglich, ob sich die Volksvertreter auf eine solche Machtprobe einlassen. Dazu kommt, dass die Parlamentarier schon mit dem geplanten Inkrafttreten des neun Monate gültigen Interimabkommens zum 1. Februar von der EU-Kommission in die Verhandlungen für einen dauerhaften Folgevertrag eingebunden werden sollen.

Gleichzeitig reißt auch hierzulande die Kritik am gewählten Verfahren und den Inhalten des Beschlusses nicht ab. "Diese Entscheidung verunsichert Millionen von Bürger in Europa", erklärte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die sich gegenüber ihrem Kollegen im Innenressort, Thomas de Maizière, mit ihren Bedenken nicht durchsetzen konnte. Neben den Liberalen hätten das EU-Parlament, der Bundesrat, Wirtschafts- und Bürgerrechtsverbände national wie europaweit auf ein hohes Datenschutzniveau gedrungen.

De Maizière begründete seine Enthaltung und den Veto-Verzicht vor allem damit, dass "die Beziehung zu Amerika im Kampf gegen den Terrorismus nicht belastet" werden dürfe. Es seien "Hinweise auch der amerikanischen Seite “ gewesen, "die in besonderer Weise zur Entdeckung der Sauerlandgruppe beigetragen haben". Der Innenminister verwies auf eine mit Leutheusser-Schnarrenberger abgestimmte Protokollerklärung zu dem Abkommen. Darin unterstreiche die Regierung gemeinsam mit Österreich ihre Bedenken, die den Rechtsschutz und die unklaren Löschfristen der Finanzdaten betrifft. Deutschland setzte nach Angaben de Maizières durch, dass innereuropäische Überweisungen nicht erfasst werden (auf die Daten von innereuropäischen Geldanweisungen, also Anweisungen zur Bargeldauszahlung an den Empfänger, können US-Behöhrden dagegen nach dem Abkommen zugreifen). Für Tobias Bauschke, Vorsitzender der JuLis Niederbayern, ist der CDU-Politiker trotzdem "nicht haltbar".

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht es besonders kritisch, dass mit der Vereinbarung "die Übermittlung einer Vielzahl von Daten über Zahlungsvorgänge mit nur marginalem, indirektem oder sogar nur mutmaßlichem Bezug zum Terrorismus in die USA legitimiert wird". Auch die Wirtschaft fürchtet einen Datenstriptease. "Wir warnen vor der Gefahr, dass Unternehmen ausspioniert werden", sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Werner Schnappauf, der "Financial Times Deutschland". Aus den sensiblen Informationen aus dem Zahlungsverkehr von Unternehmen ließen sich Rückschlüsse auf Märkte, Vertragspartner und Geschäftsvolumina ziehen.

Die Opposition hierzulande ließ ebenfalls kein gutes Haar an der Entscheidung. Jan Korte, Mitglied des Vorstandes der Bundestagsfraktion der Linken, witterte eine "Katastrophe für den Datenschutz" und einen "klaren Bruch" des schwarz-gelben Koalitionsvertrags. Das dort vereinbarte "hohe Datenschutzniveau" für das SWIFT-Abkommen befinde sich in den nächsten Monaten "einige Meter unter Normal Null". Der Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, Gerold Reichenbach, beklagte, dass den von den Bürgern der EU-Mitgliedsstaaten gewählten Vertretern die Wahrnehmung wichtiger Rechte vorenthalten worden sei. Die Übereinkunft entspreche weder den Datenschutzstandards Deutschlands noch denen der EU. Die FDP habe ihren Kampf für persönliche Freiheitsrechte dem Sicherheitsdenken der Union geopfert. Fraktionsvize Olaf Scholz nannte die von "schweren Geburtsfehlern" gezeichnete Vereinbarung "inakzeptabel".

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann begrüßte es, dass sich der Rat "auf eine kurze Befristung" des Abkommens geeinigt haben. Es sei dringend notwendig, dass bei einem Nachfolgevertrag die Datenschutz- und Rechtsschutzinteressen von Anfang an wesentlich stärker berücksichtigt würden. Der CSU-Politiker kündigte an, dass sich auch Bayern intensiv in die Diskussion einschalten und hier seine neuen Beteiligungsrechte nutzen werde, die die Begleitgesetze zum Lissabon-Vertrag vorsähen.

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(jk)