Hessen erweitert Befugnisse der Polizei

Der Hessische Landtag hat mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU und FDP die umstrittene Novellierung des Polizeigesetzes verabschiedet, die etwa die Quellen-Telekommunikationsüberwachung und Kennzeichen-Scanning ermöglicht.

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Der Hessische Landtag hat am gestrigen Dienstag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU und FDP die Novellierung des Polizeigesetzes verabschiedet. Der Entwurf (PDF-Datei) zur Änderung des Hessischen Gesetzes ü̈ber die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG), den die schwarz-gelbe Koalitionsmehrheit mit geringfügigen Änderungen nach den Empfehlungen (PDF-Datei) des Innenausschusses annahm, bringt den Strafverfolgern eine Reihe neuer Befugnisse. Sie dürfen künftig Internet-Telefonate abhören, technische Überwachungsgeräte wie Peilsender an Autos etwa in Garagen anbringen oder Telekommunikationsvorgänge per IMSI-Catchter unterbrechen.

Im Vordergrund steht dabei die Abwehr von Terroranschlägen. So soll die Polizei etwa die Fernzündung von Bomben durch Mobiltelefone unterbinden können. Das reformierte Polizeigesetz ermöglicht auch wieder die automatische Erfassung von Kfz-Kennzeichen. Hessen hatte das Scannen der Nummernschilder nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2008 zunächst gestoppt. Nun wird es bei Bestehen einer "konkreten Gefahr" wie der Suche nach einer Geisel wieder eingeschränkt zugelassen. Die Lesegeräte sollen so eingestellt sein, dass zwar die Kennzeichen aller vorbeifahrenden Wagen erfasst werden. Alle Nummernschilder, nach denen in einem speziellen Fall nicht gefahndet wird, seien aber automatisch sofort auszusortieren. Ebenfalls zur Bekämpfung einer konkreten Gefahr wird nun eine Rasterfahndung mit dem Abgleich umfangreicher Datenbestände öffentlicher und privater Stellen erlaubt.

Das Abhören von VoIP-Gesprächen wird in einer gesonderten Klausel zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung geregelt. Sie erlaubt es der Polizei, mit richterlicher Anordnung im Rahmen einer heimlichen "Online-Durchsuchung light" mit einem Trojaner oder anderen technischen Hilfsmitteln die "laufende" Telekommunikation vor oder nach einer Verschlüsselung direkt am Rechner eines Verdächtigen abzugreifen. An dem betroffenen IT-System dürfen dabei nur solche Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unbedingt erforderlich sind. Dazu kommt eine Pflicht zur Protokollierung solcher Eingriffe.

Neu gefasst wird der Schutz von Berufsgeheimnisträgern wie Ärzten, Abgeordneten, Anwälten oder Journalisten sowie des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Beim großen Lausch- oder Spähangriff wird dabei die "Richterband-Lösung" angewendet: Wird das Gespräch zu intim, dürfen die Ermittler nicht mehr direkt mithören, sondern nur mitschneiden. Ein Richter oder Vertrauensbeamter soll dann die Aufzeichnungen auswerten. Wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass "allein" Erkenntnisse aus dem Kernbereich gewonnen würden, ist die Wohnraumüberwachung absolut unzulässig.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Holger Bellino, sieht in der Novellierung eine "sinnvolle Weiterentwicklung eines der modernsten Polizeigesetze Deutschlands" und einen "wichtigen Baustein für Hessens Sicherheitsarchitektur". Insbesondere die Einführung der Quellen-TKÜ und die Neuregelung der Automatischen Kennzeichenlesesysteme seien Kernanliegen der CDU gewesen. Dadurch könne es gelingen, "frühzeitig von geplanten Terroranschlägen oder anderen schwerwiegenden Straftaten zu erfahren und diese zu verhindern". Bellinos FDP-Kollege Wolfgang Greilich wertete das Vorhaben als "liberalstes Polizeigesetz" in der hessischen Geschichte. Die Bürgerrechte würden gestärkt, die Handlungsfähigkeit der Polizei "nachhaltig verbessert".

Die Opposition lehnte die Novellierung geschlossen ab. Die SPD-Innenexpertin Nancy Faeser brachte erhebliche Zweifel vor, ob der Entwurf mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Ihre Fraktion behalte sich daher eine Verfassungsbeschwerde vor. Beim wieder eingeführten Kfz-Scanning stünden Aufwand und Erkenntniswert in keinem Verhältnis. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Jürgen Frömmrich, monierte, dass die Initiative "das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis" einschränke. Auch er hält "eine Vielzahl der vorgeschlagenen Regelungen nicht mit dem Grundgesetz" für vereinbar. Gemeinsam mit Hermann Schaus von den Linken beklagte Frömmrich einen weiteren Schritt des Landes in Richtung Überwachungsstaat. (anw)