Weltgipfel der Informationsgesellschaft: Commitment statt Kohle

Der Umgang mit dem Geistigen Eigentum oder Grundrechte wie Informations- und Meinungsfreiheit sind unter Regierungsvertretern bei den Vorbereitungen zum ersten UNO-Weltgipfel für eine globale Informationsgesellschaft immer noch umstritten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 11 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Monika Ermert

Die wieder aufgenommenen Diskussion um Deklaration und Aktionsplan für den UNO-Weltgipfel für eine globale Informationsgesellschaft (WSIS) schloss am gestrigen Freitag erneut ohne Ergebnis. Noch einmal wollen sich Regierungsvertreter nun am 5. und 6. Dezember zusammensetzen, um doch noch unterschriftsreife Dokumente für den für 10. Dezember geplanten ersten Weltgipfel der Informationsgesellschaft zu Stande zu bringen.

Schon über Paragraph eins der geplanten Deklaration konnten sich die Regierungsvertreter nicht einigen. China hatte Anfang der Woche überraschend vorgeschlagen, den darin aufgenommenen Verweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte einfach komplett zu streichen. Gestern Nacht wurde auch nochmals erbittert um die Paragraphen vier und fünf gerungen, in denen es um Informations- und Meinungsfreiheit als Menschenrecht geht. Vertreter der EU, der USA und Kanada bestanden ultimativ darauf, zur Anfang der Woche akzeptierten Fassung zurückzukehren, in denen es keine Einschränkung durch nationalstaatliches Recht für diese Grundrechte gibt.

Nach quälenden Verhandlungen kam es zu dem typischen Kompromiss: Beide Textvarianten werden nun aufgenommen, was den noch immer mit zahlreiche Klammern und Doppelklammern durchsetzten Text nicht eben handhabbarer macht -- es entsteht der Eindruck, dass man kaum weitergekommen ist. Nach wie vor fett eingeklammert sind vor allem noch die Abschnitte zu den Medien, bei der globalen Internetverwaltung und beim geistigen Eigentum. Kleinere Ausreißer -- wie die von Deutschland zuletzt vorgeschlagene Aufnahme der Terrorismusabwehr in die Sicherheitskapitel -- wurden dagegen abgebogen.

Ein Streitpunkt auch: die Finanzen. Brasiliens Vertreter meinte: "Wir sind fest davon überzeugt, dass wir erst einen Kompromiss über den Digital Solidarity Fund brauchen. Erst dann werden unsere Träume wahr, selbst dann, wenn es andere Finanzierungsmechanismen gibt." Der von den USA und der EU begrüßte Kompromissvorschlag aus dem Senegal, innerhalb eines Jahres in einer Studie die Frage nach bestehenden und zukünftig notwendigen Finanzierungsmechanismen zu klären, hat sich offensichtlich noch nicht durchgesetzt.

Was internationalen Regierungsvertretern erneut misslungen ist, haben dagegen Vertreter von Nichtregierungsorganisationen aus allen fünf Kontinenten geschafft. Sie legten ihre eigene Charta und ein Abschlussdokument vor, in dem sie sich vom Feilschen um den Minimalkompromiss distanzierten. "Wir brauchen die Erlaubnis der Regierungen nicht. Wir nehmen unsere eigene Verantwortung wahr. Wenn jemand die Führung übernehmen soll und die Regierungen das nicht schaffen, die Zivilgesellschaft ist bereit."

Die zivilgesellschaftlichen Gruppen kündigten daher angesichts des Gezerres den lange angedrohten Ausstieg aus den offiziellen Verhandlungen an. Es fehle ganz offensichtlich am Willen zur Einigung, schrieben sie den im traditionellen diplomatischen Strippenziehen verhedderten Regierungen. Mit ihren klaren Forderungen nach Meinungs- und Informationsfreiheit, unabhängiger Presse, dem Recht auf Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung geht die zivilgesellschaftliche Erklärung über die Regierungsdokumente weit hinaus. Beim Geistigen Eigentum wird die Sozialbindung betont. "Begrenzte Monopolansprüche an Wissen, wie Copyright oder Patente, sollen nur zum Wohl der Gesellschaft vergeben werden, vor allem um Kreativität und Innovation zu fördern. Der Maßstab, an dem sie regelmäßig gemessen werden müssen, ist, wie gut sie diesem Zweck entsprechen." Dabei hat man auch viel Fingerspitzengefühl bewiesen und nicht einfach laut nach viel Geld gerufen. "Wir betonen, dass die Überwindung der Armut mehr erfordert als Entwicklungs-Agenden aufzustellen." Neben "Kohle" ist auch "Commitment" notwendig.

Am Gipfel teilnehmen will Ralf Bendrath vom Koordinierungskreis der deutschen Zivilgesellschaft auf jeden Fall und für die eigenen Ideen und die bessere Arbeitsweise werben. Sechs deutsche zivilgesellschaftlicher Vertreter hat der Koordinierungskreis als Mitglieder für die Regierungsdelegation beim Gipfel vorgeschlagen, das letzte Wort darüber hat aber das Kanzleramt.

Auch deutsche Parlamentarier haben sich, wenn auch etwas spät, noch zum Weltgipfel zu Wort gemeldet. In einem von SPD/Grünen, mit Jörg Tauss und Gretje Bettin an der Spitze eingebrachten Entschließungsantrag geben sie dem Bundeskanzler umfangreiches Reisegepäck mit auf den Weg zum Gipfel nach Genf, wie sich der FDP-Abgeordnete Hans-Joachim Otto ausdrückte. Neben Forderungen, sich international für Chancengleichheit und den Zugang der Entwicklungsländer zu IUK-Technologien, mehr Open Source, aber auch globale Standards beim Jugendmedienschutz einzusetzen, finden sich in den 14 Punkten auch eine Reihe innenpolitischer Forderungen. Bemerkenswert ist dabei neben dem lange versprochenen Informationsfreiheitsgesetz eine potenzielle Erweiterung positiver Kommunikations- und Informationszugangsrechte im deutschen Grundgesetz.

Zum Weltgipfel für die Informationsgesellschaft siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)