26C3: Wie eine Handvoll Hacker den Mond erobern will

Das deutsche Team der "Part Time Scientists" steckt mitten in den Vorbereitungen für das Senden eines Rovers zum Mond, um den "Google Lunar X Prize" zu gewinnen. Erstes potenzielles Nebenprodukt: Ein Netzwerk für die Weltraumkommunikation.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 112 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Auf dem 26. Chaos Communication Congress (26C3) in Berlin hat der Kern der Gruppe "Part TimeScientists" am heutigen Montag ein erstes Modell ihres kleinen Roboter-Fahrzeugs zur Kurzerkundung des Erdtrabanten vorgestellt. Das deutsche Team steckt mitten in den Vorbereitungen für das Senden eines Rovers zum Mond, um den 2007 ausgeschriebenen Wettbewerb "Google Lunar X Prize" zu gewinnen. Über vier um 360 Grad drehbare Räder, einen Aufbau für eine HD-Videokamera, einen Steuerrechner, einen Stauraum und ein Solarfeld zur Energieversorgung mit zwei integrierten Funkantennen soll das Endprodukt der Tüftler einmal verfügen und insgesamt nicht mehr als fünf Kilo wiegen. Einsatzbereit muss das Gerät spätestens 2012 sein.

Die Bedingungen für die Endrunde sind fest vorgegeben. Der siegreiche Rover muss per Rakete die knapp 400.000 Kilometer bis zum Mond überbrücken, halbwegs sanft in einer Umgebung ohne Atmosphäre und möglicherweise tiefen Kratern landen, darauf mindestens 500 Meter zurücklegen und per "Mooncast" in Echtzeit hochaufgelöste Videosignale an die Erde senden. Sonderpreise winken, wenn das Gefährt den Wechsel von 160 Grad plus auf 160 Grad minus im Rahmen einer Mondnacht übersteht, Fotos von Spuren der Apollo-Mondlandung schießt oder fünf Kilometer fährt.

All diese Dreingaben wollen sich die selbsternannten Teilzeit-Wissenschaftler sichern, deren Team neben dem 8-köpfigen Kern mittlerweile aus 25 weiteren Leuten besteht. Unter ihnen befinden sich neben IT-Spezialisten Ingenieure, Studenten, Rundfunktechniker, Ökonomen, Ex-Militärs sowie ehemalige Mitarbeiter der Apollo-Mission wie Jack Crenshaw, der bei dem Vortrag per Skype zugeschaltet war und auf Schwierigkeiten bei der Berechnung der Flugbahn und die deutlich gewachsenen Rechnerkapazitäten im Vergleich zu den 1960ern zu sprechen kam. Zu den Partnern aus der Wirtschaft zählen Texas Instruments, Schneider Kreuznach und der Technikverlag O'Reilly. Als erstes Nebenprodukt der Arbeiten an dem Mondflug, die alle Beteiligten in ihrer Freizeit vorantreiben, zeichnet sich zudem ein verteiltes Netzwerk für die Weltraumkommunikation ab.

Im Unterschied zu vielen der anderen über 20 bislang angetretenen Teams aus aller Welt haben sich die Part Time Scientist von dem Traum verabschiedet, eine eigene Rakete zu bauen. Dafür brauche man eher einen Milliarden- als einen Millionen-Etat, erklärte der Kopf der Truppe, Robert Böhme. Der 23-jährige Netzwerkspezialist verweist auf kommerzielle Anbieter für Weltraumtransporte wie SpaceX mit ihrem Falcon-Programm oder notfalls die NASA. Man wolle soviel wie möglich vorhandene Technik für das Projekt insgesamt sowie bei dem eigens zu bauenden Rover einsetzen.

Als Bordcomputer ist laut Böhme ein integrierter Schaltkreis mit FPGA-Ansatz (Field Programmable Gate Array) vorgesehen, da dieser weniger fehleranfällig sei als eine herkömmliche Steuereinheit. Generell kämen nur Hochleistungsbausteine zum Einsatz, die gemäß HiRel-Kriterien zertifiziert seien. Entsprechende Speichereinheiten habe das Team bereits selbst gebaut. Wie Böhmes Mitstreiter Arne Reiners ausführte, seien HiRel-Chips normal nur auf Temperaturen zwischen minus 55 und plus 125 Grad Celsius geprüft. Daher seien zusätzliche Tests nicht nur mit einem erweiterten Temperaturbereich, sonder­ auch gegen andere Risiken wie widrige Protonen- und Elektronenstrahlungen ­ nötig. Der FPGA-Prozessor solle unter anderem über einen PowerPC-Kern, zwei Ethernet-Anschlüsse, Speicher für einen Bootloader, weitere Schnittstellen für Sensoren und eventuell eine Echtzeituhr verfügen.

Um den Videostream zu ermöglichen, hat das Team ein System zur "Cloud Communication" skizziert, das ähnlich wie Cloud Computing mit einen verteilten Netz einzelner kleiner Sende- und Empfangstationen arbeiten soll. Bei der Weltraumkommunikation seien zum Überbrücken der weiten Distanzen prinzipiell hohe Sendeleistungen und große Antennen nötig. Außerdem könne eine einzelne Basisstation auf der Erde niemals nonstop Kontakt zu einem Raumschiff oder zum Mond halten.

Die Bastler haben daher eine als "Link-Station" bezeichnete Basisstation entworfen, die wieder mit einem FPGA-Controller sowie mit einer Standard-Satellitenschüssel mit 90 Zentimeter Durchmesser und einem angeschlossenen Linux-Rechner arbeitet. Diese Einheiten sollen laut Böhme mit einem zentralen Hochleistungs-Gateway im Hintergrund verknüpft werden, das Frequenzen auf verschiedene Stationen aufteile. Durch das Generieren eines entsprechenden Pools könnten Leistungen wie bei den größten derzeit auf der Erde verfügbaren Antennen mit mehr als 30 Metern Durchmesser erreicht werden. Ziel sei es, über 100 entsprechende Knoten nebst Backup-Funktionalitäten über den Globus zu verteilen. Schon gut 15 Link-Stationen könnten in einem solchen virtuellen Antennen-Grid rund 50 MBit/s Downstream und 50 KBit/s Upstream zum Mond erzielen. Bei der Überbrückung der Entfernung zum Mars seien derzeit immer noch 5 MBit/s Downstream drin.

Mit einem Netz aus 15 Basiseinheiten wollen die Techniker 2010 starten. Stellflächen für den Aufbau von 100 Link-Stationen sei durch zwei Firmen zur Mitnutzung freigegeben, freute sich Böhme. Das System werde man unter einer "CreativeCommons"-Lizenz verfügbar machen, damit sich Interessierte auch leicht mit ihren Heimressourcen einbringen könnten. Für die Synchronisierung der Datenpakete sei deren Aufteilung mithilfe von Zeitstempeln vorgesehen, der an einen GPS-Empfänger gekoppelt werde. Dies erleichtere eine Reorganisation. (it)