Googles erstes Smartphone

Wie erwartet hat der Suchmaschinenriese am Dienstag in Mountain View seinen Einstieg ins Smartphone-Geschäft bekannt gegeben. Das Nexus One soll mit 1-GHz-Prozessor die Möglichkeiten von Android optimal nutzen.

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Von
  • Rudolf Opitz

Google hat am Dienstag am Firmenstammsitz im kalifornischen Moutain View das erste in eigener Regie gefertigte Smartphone mit dem Namen Nexus One vorgestellt. Die ganz große Überraschung blieb dabei aus: Seit Dezember waren wiederholt Informationen über das Android-Smartphone in den einschlägigen Medien aufgetaucht, vermutlich nicht ganz ohne Zutun des Suchmaschinenriesen selbst. Das gilt auch für viele Ausstattungsmerkmale des rund 130 Gramm schweren Nexus One, das wie das erste Google-Phone G1 vom taiwanischen Hersteller HTC stammt.

Das neue "Superphone" von Google.

(Bild: Google)

Erstmals hat HTC eines seiner Smartphones mit einem AMOLED-Display – bislang eine Domäne von Samsung – ausgestattet, das kräftige Farben und hohe Kontraste verspricht, im Sonnenlicht aber kaum noch lesbar sein dürfte. Der 3,7 Zoll große kapazitive Touchscreen bietet eine Auflösung von 480 × 800 Pixel, für viel Rechenpower sorgt der Snapdragon-Chipsatz von Qualcomm, dessen Prozessorkern mit 1 Gigahertz getaktet ist und von einem leistungsfähigen Multimedia-Signalprozessor sowie 512 MByte RAM und 512 MByte Flash-Speicher unterstützt wird. Über einen microSDHC-Slot lässt sich der Speicher um maximal 32 GByte erweitern, ein 4-GByte-Medium will Google mitliefern.

Außerdem gibt es eine 5-Megapixel-Kamera mit Autofokus-Objektiv und LED-Fotoleuchte, WLAN, Bluetooth 2.1 mit Stereo-Audio-Profil, einem AGPS-Empfänger zur Positionsbestimmung und einen Kompass. Als Quadband-GSM-Gerät funkt es in nahezu allen GSM-Netzen weltweit und – abgesehen von einigen US-amerikanischen Netzen wie AT&T, da das 1900-MHz-Frequenzband fehlt – in den meisten UMTS-Netzen; in Europa dürfte es keine Probleme mit der UMTS-Verbindung geben. Für schnellen Datentransfer sorgen in GSM-Netzen EDGE und bei UMTS HSPA mit Empfangsraten bis zu 7,2 und Senderaten bis 2 MBit/s brutto. Eine besonders gute Sprachqualität soll die eingebaute Unterdrückung für Umgebungsgeräusche liefern, die diese über ein zweites Mikrofon aufnimmt und ausblendet.

Im Nexus One kommt die neueste Android-Version 2.1 zum Einsatz, die bereits vom Motorola Milestone bekannte Funktionen wie Google Maps Navigation und sprachgesteuerte Suche mitbringt, aber auch mit verbesserten Multimedia-Fähigkeiten, fünf Startscreens inklusive Übersichtsbildschirm und animierten Hintergrundbildern lockt. Zudem will Google weitere Anwendungen wie Google Earth liefern. Multitouch zum Hineinzoomen in Karten und Webseiten kennt das Nexus One allerdings nicht.

Interessant ist der für ein Oberklasse-Gerät recht niedrige Preis: Google verlangt für das Nexus One rund 530 US-Dollar ohne Vertrag und Netzbeschränkung, verkauft das Smartphone zunächst jedoch nur in den USA, Großbritannien, Singapur und Hong Kong. T-Mobile USA bietet es mit Vertrag zum Preis von rund 180 Dollar an, weitere Netzbetreiber wie Vodafone in Europa und Verizon in den USA sollen im Frühjahr folgen. Ob und wann das Smartphone auch in Deutschland erhältlich sein wird, verriet Google nicht.

Ob das von HTC gefertigte Android-Smartphone den Geschwindigkeitsvorteil des 1-GHz-Chips im Alltagseinsatz auch ausspielen kann, wird es noch unter Beweis stellen müssen. Doch auch wenn sich die Gadget-Fangemeinde zum Teil enttäuscht zeigt, dass Google nicht das Rad neu erfunden hat, sollte die Konkurrenz aufmerken. Der Suchmaschinenkonzern präsentiert sich mit einem grundsoliden Oberklassegerät als neuer Herausforderer in dem margenstarken Segment.

Wo ein Herausforderer ist, gibt es auch einen Champion. In der Smartphone-Oberliga heißt der nun einmal Apple und zeigt mit dem iPhone der gesamten Branche seit knapp drei Jahren, wie es geht. Dem deutlichen Signal aus Cupertino können noch nicht alle Mobilfunker folgen – sei es aus Unwillen oder Unvermögen. Das lässt Raum für ambitionierte Neueinsteiger. Wenn die dann mit dickem Portmonnaie und dem notwenigen Know-how antreten, muss mit ihnen gerechnet werden. Das gilt vor allem für die Dickschiffe Nokia und Microsoft, die mit der neuen Mobilität noch nicht so gut zurechtkommen.

Google bringt beides mit und hat damit beste Chancen, die im Internet schon allgegenwärtige Marke nun auch nachhaltig im Mobilfunksektor zu etablieren. Mit dem aufstrebenden Betriebssystem Android ist der Konzern da schon gut, wenn auch indirekt vertreten. Ein in Eigenregie gefertigtes Handy, das die Möglichkeiten des Betriebssystems Android optimal nutzt und ohne Bindung an einen Netzbetreiber erhältlich ist, ermöglicht Google einen selbstbewussten Auftritt auf neuem Terrain. Für das Nexus One gibt der Konzern das Motto "Web meets Phone" aus und führt die neue Kategorie "Superphone" ein.

Dahinter steckt auch der Versuch, die Dominanz im Bereich Online-Suche und -Werbung, die Google in der vergangenen Dekade groß gemacht hat, auf den Mobilfunkbereich auszudehnen. Fast zehn Jahre nachdem die milliardenschwere Versteigerung der UMTS-Frequenzen schon die Ära des mobilen Internets ankündigte, sind die Versprechungen von damals endlich Wirklichkeit geworden. Mobile Internetnutzung erfreut sich zunehmender Beliebtheit und stellt auch alte Hasen vor neue Herausforderungen.

Google hat für den Übergang ins mobile Zeitalter gleich mehrere Eisen im Feuer, bastelt an allen Ecken und Enden. Der Konzern übernimmt spezialisierte Diensteanbieter und baut seine eigenen netzgestützten Angebote konsequent aus. Darüber hinaus versucht Google, die Mobilfunkbranche von morgen über sein Engagement für die Betriebssysteme Android und Chrome OS, aber auch mit aktiver Lobbyarbeit in Washington und Brüssel mitzugestalten. Mit dem Nexus One und einem bereits angekündigten Chrome-basierten Netbook will der Suchmaschinenriese nun auch für die passende Gerätschaft selbst sorgen. Dabei soll es nicht bleiben: Das Nexus One, versprach Google am Dienstag, sei nur das Erste einer "Reihe von Geräten". (vbr)