Weltgipfel der Informationsgesellschaft als Mega-Event

Mit 300 Einzelveranstaltungen und diversen Websites gibt der Gipfel auch ein gutes Beispiel für die Informationsüberflutung ab.

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Von
  • Monika Ermert

Über die offizielle Schlusserklärung zum Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS, 10. bis 12. Dezember) wird seit gestern noch einmal in Genf verhandelt. Gleich, ob ein Kompromiss über die Menschenrechte, globales Netzmanagement und die Finanzierung digitaler Brücken noch gelingt oder nicht, mit einem angeschlossenen Mediengipfel, einem vorab stattfindenden Forschungsgipfel des Cern und einem Alternativgipfel der zivilgesellschaftlichen Gruppen zu Kommunikationsrechten und Schweizer Gruppen wird der Gipfel zum Megaevent. Das WSIS-Beiprogramm umfasst über 300 Einzelveranstaltungen.

Die ICT-Strategie der kubanischen Regierung oder die Ubiquitous Computing Vorstellungen in Japan, der Schweizer Versuch, die eigene digitale Kluft zu schließen, oder das "Zero-Tolerance/Good-Governance"-Programm der Regierung in Nepal - scheinbar gibt es kaum ein Thema, das nicht einen Gipfelsponsor gefunden hat. Angesichts der Opulenz nimmt sich das deutsche Gipfelbegleitprogramm fast schwäbisch-sparsam aus. Seit heute nach ist die lange angekündigte offizielle deutsche Gipfelseite online.

Mit Siemens und Detecon präsentieren sich nur zwei deutsche Unternehmen neben Wirtschafts-, Innen- und Entwicklungshilfeministerium auf dem Gemeinschaftsstand auf der ICT4D-Messe. Beim Vortragsprogramm arbeitet man ein bisschen mit Wiederholungsschleifen. Die Nachfrage aus der Wirtschaft sei zurückhaltend gewesen, heißt es bei der erst spät mit dem Auftritt betrauten Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit. Der Spätstart der Bundesregierung bei den Vorbereitungen dürfte dafür mit verantwortlich sein. Allerdings leisteten sich auch international nur sehr wenige Unternehmen eine kontinuierliche Begleitung, erklärt Siemens-Sprecher Eberhard Dombek.

Auch ein Überblick über die Regierungsbeteiligung verdeutlicht, den unterschiedlichen Stellenwert, der dem Gipfel beigemessen wird. Kaum ein westliches Staatsoberhaupt, dafür aber viele Regierungschefs aus Schwellen- und Drittweltländern finden den Weg nach Genf. Bundeswirtschaftsminister Clement, dessen drei offizielle Minuten am Donnerstag in einer der fünf Plenar-Runden kommen wird, hat zwar zugesagt. Allerdings bauen seine Sprecher vor: "Es gibt derzeit keine Garantien für Termine. Alles hängt vom Vermittlungsausschuss ab." Auch zu den Zielen, die man bei den letzten Vorverhandlungen seit gestern noch erreichen will, gibt es keine offizielle Stellungnahme.

Mit allerlei Formulierungskunststücken mühen sich die Delegationen derweil, aus zwei neuen Nonpapers zur Erklärung und zum Aktionsplan doch noch unterschriftsreife Dokumente zu machen. Die Nicht-Regierungsvertreter wurden gestern Nachmittag einmal mehr von den Diskussionen ausgeschlossen und fehlen anders als die Botschaftschauffeure – wohl eher ein Versehen – auch in der offiziellen Teilnehmerliste. Ohnehin feilen die Zivilgesellschaftler auf Hochtouren an ihrer eigenen Abschlusserklärung. Am Wochenende werden sie dazu das mit WLAN versehene Gebäude der International Telecommunication Union (ITU) belagern, friedlich tippend versteht sich. Was die Schweizer Polizei an Protesten außerhalb der Konferenzsäle zu erwarten hat, bleibt abzuwarten. Die Gegengipfel-Kampagne "WSIS - We Seize!" kritisierte auf jeden Fall bereits das ausgesprochene Demonstrationsverbot.

Gut angebundene Nutzer können sich kommende Woche entscheiden, ob sie den Livestream der Kampagne oder den offiziellen ITU-Webcast verfolgen. Wer eine dringende Nachricht an den Gipfel hat: bei dem vom Schweizer Gastgeber veranstalteten Helloworld-Projekts lassen sich Botschaften per SMS oder Web senden, die praktisch in Realtime auf dem Air India Gebäude in Mumbai, die große Wasserfontäne im Genfer Hafen, das Bergmassif Morro dois Irmãos in Rio de Janeiro und den UNO Sitz in New York projiziert werden.

Zum Weltgipfel für die Informationsgesellschaft siehe auch:

(Monika Ermert) / (mw)