Experten: Kernfusions-Kraftwerk bis 2045 machbar

Kernfusion sei machbar. Daher sei es Zeit, dass sich Deutschland mit seinem Know-how auf die Arbeit daran konzentriere, meint ein internationales Expertenteam.

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Fusionsanlage des Lawrence Livermore National Laboratory von unten aufgenommen.

(Bild: LLNL)

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Ein internationales Expertengremium hält es für denkbar, bis 2045 ein betriebsfähiges Kernfusions-Kraftwerk zu bauen. Mit einem gut finanzierten Forschungs- und Entwicklungsplan sowie internationalen Partnerschaften könne es möglich sein, bis zu dem Jahr eine Demonstrationsanlage für die Trägheitsfusion in Betrieb zu nehmen. Die Schlüsseltechnologien für ein solches Fusionskraftwerk könnten innerhalb von zehn bis zwanzig Jahren entwickelt werden. Das geht aus einem Memorandum hervor, das sechs Experten und eine Expertin im Auftrag des Bundesforschungsministeriums erstellt haben.

Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger hatte das Team mit einer Expertise beauftragt, nachdem im Dezember 2022 "der weltweit erste Beweis der wissenschaftlichen Machbarkeit in der lasergetriebenen Trägheitsfusion" erbracht worden sei, wie sie es ausdrückt. Einem Team des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) war es gelungen, bei einem Laser-Fusionsexperiment mehr Energie zu gewinnen, als zuvor hineingesteckt wurde. Zwei Vertreter des LLNL beteiligten sich an dem Memorandum.

Auf diesen Ansatz der Kernfusionsforschung konzentrierten sich die Experten, weil er bisher der einzige sei, bei dem die Zündung eines Plasmas gelungen sei, heißt es in dem Memorandum. Außerdem biete die Trägheitsfusion andere technologische Vorteile "in einem Bereich mit immensem kommerziellem Potenzial". Auch wenn noch einige wissenschaftliche Hürden zu überwinden seien, biete sich für die deutsche Industrie und Gesellschaft eine "hervorragende Chance […], die notwendigen Hightech-Entwicklungen zu einer sauberen, robusten und nachhaltigen Energieversorgung voranzutreiben".

Daher sei es nun an der Zeit, die Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen auf Konzept, Technologie, Konstruktion und Betrieb eines Fusionskraftwerks auszuweiten. Bisher habe es in Richtung Trägheitsfusion nur sehr begrenzte Anstrengungen gegeben, das müsse sich nun ändern. Auch sollten ein Geschäftskonzept, Lieferketten und das Produktionsingenieurwesen entwickelt werden, heißt es in dem Memorandum.

Etwas konkreter bedeutet das, ein Wissenschaftsprogramm aufzubauen, um die nächste Generation von Wissenschaftlern auszubilden. Für Wissenschaft und Industrie müsse eine offene Forschungsinfrastruktur geschaffen werden, eine kompetente Industrie sich an Innovationen beteiligen und Regierungen sich international koordinieren, um Synergien zu schöpfen und Überschneidungen zu vermeiden.

Vor einer kommerziellen Anwendung seien aber noch einige Herausforderungen anzugehen, schreibt das Expertenteam. Dazu gehören "das Verständnis brennender Plasmen, die Entwicklung von Laserquellen und geeigneter Targets, die Herstellung von Materialien, die Fusionsbedingungen standhalten können, und die Lösung komplexer technischer Probleme".

Dabei heben die Experten Know-how hervor, das in Deutschland bereits vorhanden sei. Das betreffe neben der Lasertechnologie auch die Herstellung von Targets. Deutschland habe wegen seiner "Kompetenzen bei der Herstellung von kugelförmigen Kapseln mit Schaumstoffauskleidung, bei der Metallbearbeitung und bei den entsprechenden Prüftechniken die Chance, auf dem Gebiet der Targetentwicklung führend zu werden".

In Deutschland gebe es auch beträchtliche Erfahrungen mit Werkstoffen. Diese seien wichtig, denn nach der Zündung des Plasmas und der Freisetzung seiner Energie seien die Werkstoffe für Struktur, Funktion und Abschirmung die größten Herausforderungen für ein zukünftiges Fusionskraftwerk.

Weniger Kompetenzen bescheinigen die Experten Deutschland in Sachen Fusionsplasmen. Allerdings gebe es hierzulande umfangreiche Expertise in den Bereichen künstliche Intelligenz (KI) und High- Performance-Computing (HPC). Diese können genutzt werden, um Simulationscodes zu entwickeln, die verschiedene Bereiche wie Multi-Physik, Multi-Fidelity und Multi-Systemmodelle integrieren.

An einem Blanket – die innere Wand eines Pasmagefäßes, das in einem späteren Fusionskraftwerk benötigt würde – sei weltweit bisher noch wenig gearbeitet worden. Mit seinen Erfahrungen in der Entwicklung von Fertigungs- und Fügeverfahren sei Deutschland weltweit führend und könne sich mit einer Beteiligung an diesem noch nicht sehr weit entwickelten Element seine Führungsrolle sichern.

An dem Memorandum haben mitgewirkt Prof. Dr. Constantin Häfner vom Fraunhofer ILT, Prof. Dr. Robert Stieglitz vom Karlsruher Institut für Technologie, Prof. Dr. Hartmut Zohm vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Dr. Neil Alexander vom US-Unternehmen General Atomics, Prof. Dr. Riccardo Betti von der University of Rochester, Dr. Omar Hurricane und Dr. Tammy Ma der National Ignition Facility am LLNL.

Ihr Memorandum sei ein wichtiger Beitrag zu mehr Ambitionen in der Kernfusionstechnik, sagte Stark-Watzinger. "Wir müssen ideologiefrei und technologieoffen an das Thema herangehen, wir wollen die Forschungsförderung noch zielgenauer ausrichten, damit ein Fusionskraftwerk schnellstmöglich Wirklichkeit wird." Perspektisch würde sie den Energiemix um eine CO₂-neutrale und verlässliche Quelle ergänzen, sagte die Ministerin. Zu der jetzt laufenden Energiewende könne die Technik allerdings voraussichtlich nicht beitragen, betont die Experten-Kommission in dem Memorandum.

(anw)