Das "On-Line Electric Vehicle" bezieht Strom aus Induktionsschleifen in der Fahrbahn

Korea testet das berührungslose Laden von Elektroautos

In Korea ist jetzt ein Elektro-Fahrzeug im Praxiseinsatz, das den Ladestrom berührungslos aus Induktionsschleifen unter der Fahrbahnoberfläche bezieht. In Seoul denkt man bereits an einen Einsatz im Busverkehr

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Elektroautos, IAV, Kaist, Korea, Vahle 8 Bilder
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Von
  • ggo

Hannover, 17. März 2010 – In Korea ist in der Freizeitoase Seoul Grand Park ein Fahrzeug in Betrieb genommen worden, das seinen Strom berührungslos aus einem "Ladestreifen" unter der Fahr­bahn­oberfläche bezieht. Es ersetzt einen der "Elefanten-Züge", die bisher von einem Dieselmotor angetrieben wurden. Das "On-Line Electric Vehicle" (OLEV) ist Ergebnis eines durchaus ernst gemeinten Forschungsprojekts. Entwickelt wurde die Technik vom Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST). Sie ähnelt einer deutschen Entwicklung, die die Firmen IAV und Vahle zusammen mit der TU Braunschweig vorangetrieben haben. Der entscheidende Unterschied: Die Koreaner können nun Erfahrungen mit "bemannten" Fahrzeugen sammeln.

Strom aus dem Verborgenen

Das OLEV wird durch elektromagnetische Induktion mit Strom versorgt. Dabei gibt es als Gegenstück zu den im Boden verborgenen Induktionsschleifen einen Abnehmer am Fahrzeug, ein Prinzip, das zum Beispiel in Großlagern seit längerem praktiziert wird. Das OLEV, bestehend aus einem angetriebenen Wagen mit drei Anhängern, befährt eine 2,2 Kilometer lange Rundstrecke im Freizeitpark. Auf dieser Strecke gibt es vier Ladeabschnitte, die zusammen 372,5 Meter ausmachen, rund 16 Prozent des gesamten Rundkurses.

Sorgen um die Sicherheit der Gäste muss man sich nach Angaben der Entwickler nicht machen. Fußgänger oder Autos ohne das notwendige Gegenstück zu den Leitungen im Boden werden demnach keinem elektromagnetischen Feld ausgesetzt. Selbst, wenn ein Mensch in seiner Nähe ist, sei das Feld schwächer, als es eine Richtlinie der ICNIRP fordere. Diese erlaubt laut KAIST 62.5 mG bei 20 kHz. Bei einem stehenden OLEV seien im Umfeld 50 mG gemessen worden, während der Fahrt im Innenraum 20 mG.

Die schwierigste Herausforderung sehen die Entwickler an anderer Stelle: So müsse der Abstand zwischen Fahrbahnoberfläche und Abnehmer "nach koreanischer Gesetzgebung" mindestens 12 Zentimeter betragen, ohne dass der Wirkungsgrad unter 60 Prozent sinkt. Beim OLEV für den Freizeitpark haben die Entwickler nach eigenen Angaben bei einem Abstand von 13 Zentimetern sogar einen Wirkungsgrad von 74 Prozent erreicht. Die deutsche Konkurrenz spricht davon, mit ihrem System einen Wirkungsgrad von 80 bis 90 Prozent erreichen zu können, für den praktischen Nachweis fehlt freilich ein geeignetes Projekt.

In Korea denkt man dagegen schon an die nächsten Schritte: Die Stadtregierung von Seoul hat die Absicht verkündet, die OLEV-Technik für Teile des öffentlichen Busverkehrs einzusetzen. In Seoul werden ungefähr 30 Prozent des Personen­nahverkehrs über Busse abgewickelt. Bei einem Gesamtstreckennetz von insgesamt 90,2 Kilometern an Busfahrspuren in 25 Stadtgebieten könnten kabellos aufladbare Elektrobusse eine "grüne Alternative" sein. Und es gibt weitere Ideen: Die Stadt und das KAIST denken auch an Anwendungen an Flughäfen, Shopping Malls und Ähnliches.

Laden in Fahrt

Das Prinzip der berührungslosen Aufladung hat zwar den Nachteil, mit Verlusten beim Ladevorgang verbunden zu sein. Zudem stellt sich gerade für Anwendungen wie Busse die Frage, worin der Vorteil gegenüber simplen Oberleitungen liegen soll, wie sie in Solingen seit vielen Jahrzehnten als Stromquelle dienen. Das KAIST nennt zum Beispiel Vorteile bei der Sicherheit, weil es keine offen liegende Stromleitung gibt. Außerdem könne die Batterie etwa um Faktor fünf kleiner ausgelegt werden, was Kosten und Gewicht spare. Schließlich entfällt das Problem der langen Ladezeiten für konventionellen Elektroautos, die festsitzen, wenn sie an die Steckdose müssen.

Ob das berührungslose Laden sich in der Praxis durchsetzen kann, hängt wesentlich davon ab, ob die Kosten der Infrastruktur den Aufwand rechtfertigen können. Für Lithium-Ionen-Batterien in Elektroautos gehen Experten derzeit von etwa 750 bis 1000 Euro für eine Kilowattstunde Kapazität aus. Bei einem kompakten Pkw ergeben sich daraus Kosten von überschlägig gut 15.000 Euro, um die bescheidene Strecke von 100 Kilometer bewältigen zu können. Wieviel andererseits für Ladespuren und die dazugehörigen Komponenten investiert werden müsste, ist bisher nicht klar.

Korea zieht vorbei

Die deutsche Konkurrenz hat bei ihren Überlegungen nicht nur ÖPNV im Blick, sondern zum Beispiel auch an Taxistände mit integrierten Ladestreifen gedacht. Anwendungen, bei denen lange Streckenabschnitte umgebaut werden müssten, hält die Firma IAV – wenn überhaupt – erst in mehreren Jahrzehnten für realistisch. Betrüblich dürfte für die deutschen Forscher und Entwickler vor allem sein, dass in Korea kurzerhand in die Tat umgesetzt wird, wofür hierzulande bisher niemand Geld bereitstellen will. (ggo)