Antiterror-Aktionsplan der EU erntet vehemente Kritik

Die auf dem EU-Gipfel verabschiedete Erklärung zur Terrorismusbekämpfung schießt nach Ansicht von Datenschützern und Bürgerrechtlern weit über das Ziel hinaus.

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Der Aktionsplan der EU zur Bekämpfung des Terrorismus, den die Staats- und Regierungschefs der Union auf ihrem heute zu Ende gehenden Frühlingstreffen in Brüssel verabschiedet haben, schießt nach Ansicht von Datenschützern und Bürgerrechtlern weit über sein Ziel hinaus. Die Kritiker befürchten, dass der von den Spitzenpolitikern erwünschte grenz- und sektorenüberschreitende Datenverbund zwischen Polizei, sonstigen Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten die Grundpfeiler des freiheitlichen Rechtsstaats untergräbt.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnt angesichts alter und neuer Forderungskataloge vor überzogenen Reaktionen. Der Datenschutz stelle kein Hindernis für die Bekämpfung des Terrorismus dar. Den Sicherheitsbehörden stünden bereits "weitreichende Exekutivbefugnisse im präventiven Bereich" zur Verfügung. Schaar ist besorgt darüber, dass das im Grundgesetz verankerte Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten aufgeweicht werden soll. Er erinnerte an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff, das das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürger wieder in den Vordergrund gerückt habe.

Die Erklärung der EU-Spitzen (Word-Dokument), die auf dem bereits bekannt gewordenen Papier des EU-Rats basiert, sieht ein umfangreiches Maßnahmenpaket im Nachhall der Anschläge von Madrid vor. Zur Abwehr terroristischer Aktivitäten fordert der Rat die Implementierung zahlreicher bereits verabschiedeter Rahmengesetze wie das zur Geldwäsche oder zum Europäischen Haftbefehl. Neu geschaffen werden soll vor allem eine Richtlinie zur Verpflichtung von "Serviceprovidern" im Internet- und Telefonbereich zur Speicherung des "Kommunikationsverkehrs". Dabei geht es den Spitzenpolitikern wohl hauptsächlich um Verbindungsdaten, mit denen sich detaillierte Nutzerprofile erstellen lassen.

Weiter sollen "Synergien" zwischen den bestehenden Informationssystemen und Datenbanken zur Grenzkontrolle und zur Überwachung von Asylbewerbern und Visa-Reisenden ausgetestet werden. Europol wird zur wichtigsten Instanz im Antiterrorkampf bestellt. Die Ratsmitglieder begrüßen ausdrücklich das Vorhaben der Kommission, bis zum Juni einen gemeinsamen Ansatz für die "Nutzung von Passagierdaten" für die Sicherheitsbehörden zu finden. Alle Mitgliedsstaaten werden aufgerufen, die Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgern und Nachrichtendiensten zu verbessern.

Die Sorgenfalten der Bürgerrechtler werden tiefer: Im "Überschwang der Gefühle" seien einige technisch nicht ausgereifte Vorschläge in den Raum gestellt worden, monierte Andreas Dietl von der "European Digital Rights"-Initiative (EDRI) gegenüber heise online. Kurz vor der EU-Erweiterung und den Wahlen zum Europaparlament gehe es darum, "möglichst publikumsstarke Maßnahmen und schon lange kochende Projekte durchzubringen". Tony Bunyan von der britischen Organisation Statewatch wettert, dass unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung Vorkehrungen getroffen werden, die "der Überwachung der gesamten Bevölkerung" dienen. Die Vorratsdatenspeicherung, das Ausspionieren der Flugreisenden sowie die von der Kommission geforderte Fingerabdruckpflicht zur Biometrieaufnahme in die Ausweisdokumente bezeichnet Bunyan als "drakonische" Mittel, wie sie nicht einmal von den USA in ihre Sicherheitspakete aufgenommen worden seien.

Der Vorsitzende des Nationalen Ethikrates, der Frankfurter Professor Spiros Simitis, sieht Europa gar auf dem Weg in den "Totalitarismus". Zu Herzen genommen hat sich die Kritik in Berlin der medienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss: Er drängt darauf, die Befugnisse für die Sicherheitsbehörden "so eng einzugrenzen, dass diese tatsächlich notwendig sind und nicht missbraucht werden können". Es handle sich schließlich immer auch um Eingriffe in die Freiheitsrechte Einzelner. "Eine uferlose Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung, wie sie vom Bundesrat und einigen Bundesländern gefordert wird, kann von uns nicht akzeptiert werden." (Stefan Krempl) / (anw)