Vor 30 Jahren: Als der C64- und Amiga-Pionier Commodore in die Insolvenz ging

Heute vor 30 Jahren ging mit der Pleite der Firma Commodore die Homecomputer-Ära zu Ende. Für Fans der Kultrechner C64 und Amiga ist es ein Tag der Trauer.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 629 Kommentare lesen

Commodore-Schriftzug an der Halle des ehemaligen Commodore-Werks in Braunschweig.

(Bild: Joho345, CC BY-SA 4.0)

Lesezeit: 9 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der 29. April 1994 war ein trauriger Tag für viele Computernerds. Mit der Insolvenz von Commodore verschwand ein Pionier vom Markt, der mit Rechnern wie dem C64 oder Amiga wie kaum eine zweite Firma den Homecomputer-Sektor prägte. Es war das Ende eines langsamen Abstiegs und Ergebnis vieler falscher und unflexibler Entscheidungen – Commodore reagierte oftmals zu spät auf Marktentwicklungen und hatte keine passende Antwort auf die Hinwendung zu PCs und modernen Konsolen.

Jack Tramiel war Gründer von Commodore. Als Idek Trzmiel 1928 in Polen geboren, überlebte er als jüdisches Kind das KZ in Auschwitz und die Zwangsarbeit im KZ Hannover-Ahlem. Nach dem Krieg siedelte er in die USA um. In der US-Army erlernte er 1948 die technischen Grundkenntnisse, die er später als Schreibmaschinenmechaniker in New York vertiefte.

Jack Tramiel (links) signiert ein Buch auf Bitten des ehemaligen Commodoreentwicklers Bill Herd. Das Bild entstand im Jahr 2007 auf der Feier zu 25 Jahre Commodore C64 im in Mountain View, Kalifornien. Im Hintergrund sieht man Apple-Legende Steve Wozniak.

(Bild: Babylon4, CC BY-SA 3.0)

Er zog weiter nach Kanada und gründete im Jahr 1954 die Firma Commodore. Sie vertrieb Schreibmaschinen, die sie günstig aus der Tschechoslowakei in Einzelteilen importierte, zusammensetzte und in Lizenz verkaufte. Nachdem asiatische Billighersteller Ende der 1950er auf den Markt drangen, stieg Commodore auf Rechenmaschinen um.

Commodore, Atari und Co: Retrofeeling pur

Der kanadischen Geschäftsmann Iving Gould half nicht nur, als Commodore 1965 in finanziellen Schwierigkeiten war, sondern kaufte über 17 Prozent der Commodore-Aktien auf (im Wert von über 400.000 Dollar). Durch mehrere weitere Finanzspritzen stieg Gould mit der Zeit zum größten Investor bei Commodore auf.

Als die asiatischen Anbieter auch im Rechner-Bereich Druck machten, erweiterte Commodore sein Portfolio auf Taschenrechner. Tramiel hatte auf einer Japanreise die damals neuartigen Geräte gesehen und kam mit der Idee wieder, sie selbst auf den Markt zu bringen. Commodore bezog die entsprechenden Prozessoren von Texas Instruments – Als ausgerechnet TI zu Dumpingpreisen eigene Taschenrechner herausbrachte, wollte Commodore unbedingt unabhängiger von Zulieferern werden.

Ein seltenes Werbegeschenk aus der frühen Commodore-Zeit: Ein Radio, dessen Design angelehnt ist an den Commodore-202-Tischrechner

(Bild: Markus Will)

Das gelang mit der Übernahme des Chipproduzenten MOS Technologies im Jahr 1976. Commodore holte sich nicht nur einen Zulieferer für Taschenrechner ins Haus, sondern die Entwickler des wichtigen 8-Bit-Chip MOS 6502. Chefentwickler Chuck Peddle regte sogleich an, einen eigenen Computer zu bauen. Auf der CES 1977 feierte Commodores erster Computer, der PET 2001 (PET = Personal Electronic Transactor) sein Debüt. Mit 6502-Chip, Monochrom-Monitor, Kassettenlaufwerk und hierzulande 8 Kilobyte Speicher war er ein erster Achtungserfolg für die Firma. Und nicht nur das: Mit dem MOS 6502 war Commodore nun Zulieferer einer der wichtigsten CPUs, die in vielen 8-Bit-Systemen wie die von Apple oder Atari liefen.

Den ersten Billig-Computer brachte Commodore im Jahr 1981 mit dem VC 20 auf den Markt: Für 300 Dollar bot das Gerät einen 6502-Prozessor, 5 Kilobyte und rudimentäre Farbgrafik, der für viele den Einstieg in die Computerwelt bot. Er war 1982 der meistverkaufte Homecomputer und erster Commodore-Rechner der die Marke von einer Million verkauften Einheiten überschritt.

Der Erfolg wurde erst durch den Commodore 64 abgelöst, der im September 1982 erschien und den 8-Bit-Markt auf links umkrempelte: Mit geschätzten 17 Millionen verkauften Geräten gilt er als erfolgreichster Homecomputer aller Zeiten. Im Schatten des Erfolgs lagen Geräte wie der Commodore 128 oder die Commodore-264-Serie, die aber sich nicht annähernd so häufig verkauften.

Der Commodore 64, hier in der ersten Variante, die aufgrund der Form auch "Brotkasten" genannt wurde. Mit bis zu 17 Millionen verkaufter Geräte von 1982 bis 1994 gebaut wurden, gilt er als der meistverkaufte Homecomputer aller Zeiten.

(Bild: Evan-Amos, Bearbeitung: Markus Will)

Tramiel war ein knallharter und gefürchteter Geschäftsmann. Sein Verständnis von Geschäft mussten die Belegschaft befolgen und die Handelspartner ertragen. Als Jack Tramiel einen seiner Söhne nicht in die Geschäftsleitung holen durfte und sich auch sonst mit Irving Gould über die unternehmerische Ausrichtung überwarf, verließ er 1984 Commodore und nahm einige der besten Entwickler mit. Tramiel kaufte die Firma Atari und trat offen in den Kampf gegen Commodore.

Commodore wiederum hatte nun den Chef und einige der wichtigsten C64-Entwickler verloren. Zwar beherrschte der Commodore 64 den 8-Bit-Markt, aber man hatte keinen Zugang zu der aufkommenden 16-Bit-Welle. Die bekam man mit dem Zukauf einer kleinen Firma namens Amiga. Unter der Leitung des Entwicklers Jay Miner, der bereits die Chipentwicklung bei Atari 400/800 leitete, wollte ein kleines Entwicklerteam seit 1982 den besten Homecomputer überhaupt entwickeln, allerdings steckte hinter dem Projekt kein großer Investor und sie kämpften beständig ums Überleben. Zwar geriet die Präsentation des Prototyps Lorraine auf der CES 1984 zum Erfolg, lockte aber keine Investoren an.

Stattdessen holte Amiga bei Atari – noch weit vor der Übernahme durch Jack Tramiel – ein Darlehen über 500.000 Dollar ein, um ihr Projekt weiter entwickeln zu können. Als später die Atari-Übernahmegespräche Tramiels durchsickerten, wurden die Amiga-Entwickler panisch. Ihnen steckte ein Übernahmegespräch noch in den Knochen, in denen Tramiel Monate zuvor die Firma zu einem Dumpingpreis übernehmen wollte. Wenn Amiga die 500.000 Dollar bis August nicht zurückzahlte, wäre er wohl ihr Chef geworden.

In letzter Sekunde kaufte Commodore die Firma Amiga für 27 Millionen Dollar und ließ Atari auszahlen. Tramiel, noch in Übernahmeverhandlungen, ahnte nicht, was der 500.000 Dollar-Scheck bedeutete und klagte später gegen Commodore, was einige Jahre später mit einer Einigung endete. Mit Commodore im Rücken entwickelten die Amiga-Ingenieure den Amiga 1000, der am 23. Juli 1985 in New York seine Premiere feierte.

Der Amiga 1000 mit Tastatur und zeitgenössischem Monitor von 1985. Er hauchte mit seinen Grafik und Soundleistungen dem Begriff "Multimedia" Leben ein.

(Bild: Markus Will)

Mit dem Motorola 68000 mit 16 (intern 32) Bit sowie 7,16 Megahertz, vier-Kanal-Sound und bis zu 4096-Farben gleichzeitig war der Amiga zu dem Zeitpunkt der Konkurrenz in der Kombination aus Grafik und Sound weit voraus. Das AmigaOS war das erste verbreitete Homecomputer-Betriebssystem, welches präemptives Multitasking beherrschte. Allerdings war der Amiga noch nicht richtig positioniert: Mit einer abgesetzten Tastatur wirkte er eher wie ein Bürorechner und war fürs Kinderzimmer noch zu teuer, während Atari mit dem ST bereits einen Tastaturcomputer mit gleichem Prozessor, weniger Leistung aber auch deutlich günstiger auf den Markt gebracht hatte.

Der Durchbruch des Amiga gelang mit dem 1987 erschienenen Amiga 500. Er war ein Tastaturcomputer ähnlich dem C64, aber mit den Leistungsdaten des Amiga 1000 und dazu noch deutlich billiger als die erste Version der Reihe. Spiele wie Turrican, Defender of The Crown, Shadow of The Beast, Siedler oder Lemmings zeigten die überragenden Fähigkeiten des Amiga und führten dazu, dass Commodore im Hinblick auf Verkäufe mit der Zeit an Atari vorbeizog.

Der ebenfalls 1987 erschienene Amiga 2000 sollte professionellere Anwender ansprechen. Er erschien mit abgesetzter Tastatur und in einem geräumigen Gehäuse für Zusatzkarten. 1990 kam mit dem CDTV ein Amiga 500 als CD-Konsole fürs HiFi-Rack heraus: Sehr schick, aber leider ansonsten mit mittlerweile fünf Jahre alter Technik. Der Amiga 3000 war wieder für professionelle Nutzer gedacht. Erst 1992 erschienen mit dem Amiga 1200 und Amiga 4000 zwei Amigas, deren Grafikfähigkeiten den aufkommenden VGA-PCs Paroli bieten konnten. Sie kamen aber zu spät, um noch das Ruder rumzureißen.

Amiga 500 Plus sollte 1991 den Amiga 500 beerben, aber brachte kaum Verbesserungen, dafür Inkompatibilitäten. Der 1992 erschienene Amiga 600 war auch keine echte Weiterentwicklung, da die Leistungsdaten in etwa gleich blieben. Er hatte kompaktere Ausmaße durch Weglassen des Ziffernblocks, Bauweise und Fertigung war an den Amiga 1200 angelehnt, aber der Prozessor war noch immer der 68000er mit 7,16 Megahertz. Als Alternative zur eigenen Amiga-Reihe bot Commodore mit PC 10 bis PC 70 zeitweise erfolgreich IBM-PC-kompatible Rechner an.

Commodore-Rechner auf dem Retro Computer Festival 2024 (10 Bilder)

Der Amiga 1000 erschien 1985 und ist der erste Rechner der Amiga-Reihe. Er ist in erster Linie zwar als Gaming-Maschine der 1980er bekannt, allerdings war er auch der erste verbreitete Homecomputer, der ein leistungsfähiges Betriebssystem beinhaltete, welches preemptives Multitasking beherrschte.

Der Commodore 65 wäre als Nachfolger des C64 im Jahr 1992 fast auf den Markt gekommen, bis den Planern bei Commodore klar wurde, dass neue 8-Bit-Rechner nicht mehr gefragt waren. Das letzte Produkt, das Amiga CD32 kam als CD-Konsole zu spät, um Commodore vor der Insolvenz zu bewahren. Am 29. April 1994 war es dann so weit: Commodore war pleite.

Danach übernahm der deutsche PC-Vertrieb Escom die Rechte um Amiga und vertrieb noch Amiga 1200 sowie Amiga 4000, bis sie 1996 selbst unabhängig vom Amiga Insolvenz anmelden mussten. Seitdem gingen die Namensrechte um Amiga und Commodore in verschiedene Hände.

Heute kümmert sich eine aktive Nerdgemeinde um das Erbe Commodores: Enthusiasten beliefern die Systeme weiterhin mit Software und Erweiterungen. C64 hat eine gewaltige Fanbasis. Er erschien vor vier Jahren sogar wieder in einer ARM-Version in Originalgröße und mit technischen Neuerungen. Am Amiga zockt man auf der Amiga-500-Mini-Konsole, oder man zockt am Originalgerät, mit SD-Kartenpartition. Liebhaber klassischer Geräte treffen sich zudem auf Ausstellungen wie zuletzt dem Retro Computing Festival in Paderborn.

(mawi)