XML-Experte: Microsofts OOXML fällt im Standard-Test durch

Alex Brown, Obmann der Einspruchsberatung zu Office Open XML (OOXML) bei der ISO, wirft Microsoft Versagen bei den Bemühungen vor, das Dokumentenformat tatsächlich in einen offenen Standard umzuwandeln.

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Im Normungsverfahren für Microsofts Office Open XML (OOXML) bei der Internationalen Organisation für Normung (ISO) sieht sich der Software-Riese scharfer Kritik ausgesetzt. Microsoft versage bei der Umsetzung der Auflagen zur Umwandlung von OOXML in einen offenen ISO-Standard, schreibt der Obmann der Einspruchberatung, Alex Brown, in einem Blogeintrag zum zweiten Jahrestag der Annahme der Spezifikation als ISO-Standard. "Für mich sieht es so aus, dass das gesamte OOXML-Projekt ohne eine Kurskorrektur sicher auf ein Scheitern zusteuert", fasst Brown die Entwicklung zusammen.

Im Rahmen des von Unregelmäßigkeiten gezeichneten ISO-Normungsprozesses von OOXML hatten 36 Länder und Standardisierungsorganisationen Microsoft umfangreiche Auflagen zur Umgestaltung des Standards gemacht. Die Variante von OOXML, die die Redmonder als Standardspeicherformat in ihre Office-Pakete eingebaut hatten, war in Genf zunächst zurückgewiesen und zuletzt als reine Übergangsspezifikation gegenüber der erwarteten, zu diesem Zeitpunkt in der Praxis noch nicht angewendeten "strikten" ISO-Norm akzeptiert worden. Damals hatte der Microsoft-Office-Manager Chris Capossela die Losung ausgegeben: "Wir haben der globalen Gemeinschaft zugehört und eine Menge gelernt."

Brown kritisiert nun, dass Microsoft in der aktuellen Beta-Version von Office 2010 immer noch nicht die ISO-Variante des Dokumentenformats implementiert habe, sondern das alte, nicht angenommene Format. Microsoft verhalte sich so, als ob der Normungsprozess nie stattgefunden habe, ärgert sich der damalige Verhandlungsleiter. So würden die Redmonder etwa nach wie vor in ihrem neuesten Produktpaket für Bürosoftware Technologien wie VML (Vector Markup Language) einsetzen, die schon im Standardtext selbst mit Hinweisen wie "veraltet" und "nur für Kompatibilitätszwecke" versehen gewesen seien. Mit einfachen Prüfprogrammen lasse sich nachweisen, dass mit Office 2010 erstellte Dokumente der ISO-Norm nicht entsprächen.

Von einer "gesunden Pflege" des Standards durch Microsoft und der European Computer Manufacturers Association (ECMA), die das Dokumentenformat vor der ISO zunächst anerkannte, kann Brown zufolge keine Rede sein. Der Spezifikationstext weise noch immer viele Fehler auf. Auch wenn es bei Microsoft viele talentierte Experten gebe, die sich offenen Standards verschrieben hätten, laufe im Zentrum des Konzerns offenbar etwas falsch, meint Brown und schließt sich einer "traurigen" Prophezeiung des XML-Veteranen Tim Bray an. Dieser hatte nach der Absegnung von OOXML durch die ISO die Befürchtung geäußert, Microsoft werde das ISO-Verfahren für PR-Zwecke nutzen, sich aber nicht weiter um eine Implementierung der neuen Norm kümmern. Auch Standard-Experte Andy Updegrove fürchtet, dass das "Drama" der OOXML-Normung bald als "Farce" enden könne. (vbr)