Mieterstrom: 14 Millionen Haushalte könnten von Reformen profitieren

Einige Hemmnisse sorgen dafür, dass das Solarpotenzial auf deutschen Dächern kaum genutzt wird, meint das Institut der deutschen Wirtschaft.

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Solaranlage auf dem Dach des Bundeskanzleramts

180.000 kWh soll der jährliche Ertrag der Solaranlage auf dem Bundeskanzleramt sein. Das würde jährlich für 60 Bundeskanzler/innen mitsamt ihrer Haushalte reichen.

(Bild: Bundesverband Solarwirtschaft / Paul Langrock)

Lesezeit: 4 Min.

Auf deutschen Dächern schlummert ein großes ungenutztes Potenzial, um Solarenergie zu gewinnen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat errechnet, dass von den 19 Millionen Mieterhaushalten in Mehrfamilienhäusern bis zu 14,3 Millionen in 1,9 Millionen Gebäuden von Mieterstrom mit einem Potenzial von 43 TWh profitieren könnten. Das sei wesentlich mehr, als die Bundesregierung bisher geschätzt hatte. Allerdings gebe es einige Hemmnisse, die die Politik beseitigen müsse, schreibt das IW (PDF). Momentan fänden sich im Marktstammregister knapp 9000 Anlagen, die für Mieterstrom gemeldet seien. Gemeint ist Strom für Mieter oder auch Selbstnutzer in einem Mehrparteienhaus, einer Wohnanlage oder einem Wohnquartier, der in unmittelbarer räumlicher Nähe produziert und nicht über die öffentlichen Netze geleitet wird.

Der Ausbau von Photovoltaik (PV) auf Dächern von Ein- und Zweifamilienhäusern, die meist von den Eigentümern selbst bewohnt werden, habe in den vergangenen Jahren an Dynamik gewonnen, insbesondere in Süddeutschland. Auf Mehrfamilienhäusern im Geschosswohnungsbau komme der Ausbau hingegen kaum voran. Das liege vor allem an divergierenden Eigentümer- und Mieterinteressen, die durch die jetzigen Regelungen des Mieterstroms kaum zusammengebracht werden könnten.

Mieterstrom erfordere, eigenen PV-Strom und zusätzlichen Strom aus dem Netz voneinander abzugrenzen, und zwar durch virtuelle Summenzähler und Smart Meter. Wenn sich die Zähler in alten Gebäuden auf der jeweiligen Etage in den einzelnen Wohnungen befinden, müsse teuer umgebaut werden, erläutert der IW. Daher würden aus der Wirtschaft Standards in der Zählermethode, eine vereinheitlichte Abrechnung und standardisierte Meldeprozesse bei den über 900 verschiedenen Netzbetreibern gefordert.

Mieterstrom sei in den vergangenen Jahren attraktiver gemacht worden, erläutert das IW. Dabei zählt es die Befreiung von der Umsatzsteuer auf Montage und Material der Solarpaneele und dass die Erträge aus der Einspeisevergütung nicht auf die Einkommenssteuer gerechnet werden. Wichtig sei auch, dass 2023 die EEG-Umlage wegfiel. Ab 2026 würden die dann die zwingend einzubauenden fernablesbaren Stromzähler die technischen Voraussetzungen deutlich verbessern. Mit einem Smart Meter Gateway können die Betreiber zwei unterschiedliche Stromtarife (für PV- und Reststrom) anbieten, und so ihr Risiko einer zu geringen Leistungsfähigkeit der PV-Anlage minimieren.

Wichtig ist dabei für den IW, dass die Prozesse zwischen Mieterstromanbietern, Netzbetreibern und Messstellenbetreibern bundesweit einheitlich abgewickelt werden. Mieterstrom zu planen, dürfe kein maßgeschneidertes Projekt sein, sondern sollte standardisiert und bundesweit einheitlich umsetzbar sein. Zudem sollte die Vergütungslogik umgekehrt werden: Momentan werde eine Volleinspeisung höher entlohnt als die Überschussteileinspeisung, dadurch würden in Mieterstromprojekten kleinere Anlagen als möglich gebaut und wertvoller Platz auf Dachflächen verschenkt.

Neue Regeln sollten zum in Mehrfamilienhäusern klare Verhältnisse schaffen. Wichtig ist für das IW, dass Wohnungseigentümergemeinschaften den Strom aus der PV-Anlage auf dem eigenen Dach direkt an die Bewohner im Gebäude weitergeben können. Dabei gebe es ein großes Risiko, wenn nur wenige Parteien im Haus mitmachen wollen. Daher sollte das Modell der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung Standard werden, dann würde durch den Wegfall der Lieferantenpflicht der bürokratische Aufwand sinken. Die Vertragsfreiheit der Parteien in einem Mehrfamilienhaus sollte künftig auf der Widerspruchslösung basieren. Solche Reformen würden über das Solarpaket I hinausgehen, das Mitte Mai dieses Jahres in Kraft ging, erläutert das IW.

Auf das Solarpaket I baut ein Gesetzentwurf auf, der am kommenden Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Durch ihn soll der Einsatz von Steckersolargeräten (oder auch Balkonkraftwerken) erleichtert werden. Dabei geht es unter anderem darum, dass für die Installation von Steckersolargeräten oft ein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer nötig ist. Ebenfalls kann es bisher schwierig sein, die Zustimmung eines Vermieters für ein solches Vorhaben zu bekommen. Daher sollen Steckersolargeräte in den Katalog der privilegierten Maßnahmen aufgenommen werden.

(anw)