Boeing gesteht Verbrechen – 5 Jahre nach tödlichen 737-MAX-Abstürzen

Boeing hat Behörden über ein Avionik-System in die Irre geführt. Probleme damit führten zu 2 Abstürzen und 346 Toten. Jetzt bekennt sich Boeing schuldig.

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Boeing 737 Max in der Luft

(Bild: Boeing)

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Der US-Flugzeugbauer Boeing bekennt sich im Zusammenhang mit zwei tödlichen Abstürzen von 737-Max-Flugzeugen der Verschwörung zum strafrechtlichen Betrug an der US-Regierung schuldig und vermeidet so ein Gerichtssaalverfahren. Das hat das US-Justizministerium am späten Sonntag mitgeteilt. Ins Gefängnis soll demnach niemand. Die vorgesehene Geldstrafe für das Verbrechen entspricht 0,03 Prozent des jüngsten Jahresumsatzes Boeings.

Mitte Mai hat die US-Regierung Boeing vorgeworfen, gegen eine Vereinbarung aus dem Jahr 2021 verstoßen zu haben, die den Konzern mehr als drei Jahre lang vor Strafverfolgung schützte. Boeing hat es demnach versäumt, ein Compliance- und Ethikprogramm zu entwickeln, einzuführen und umzusetzen, um Verstöße gegen US-Betrugsgesetze bei seinen Geschäften zu verhindern oder aufzudecken. Das US-Justizministerium hat dem Flugzeugbauer am 30. Juni ein auf einen Vorwurf reduziertes Schuldbekenntnis angeboten und ihm eine Woche Zeit gegeben, diesen Deal anzunehmen oder sich einem Gerichtsverfahren zu stellen.

Das Strafverfahren steht im Zusammenhang mit zwei Flugzeugabstürzen des Typs Boeing 737 Max in den Jahren 2018 und 2019, bei denen insgesamt 346 Menschen ums Leben kamen. Die Unglücke der Maschinen der indonesischen Lion Air und der Ethiopian Airlines wurden von fehlerhaft arbeitender Steuerungssoftware ausgelöst. Wie sich im Laufe der Untersuchung herausstellte, hatte Boeing im Zertifizierungsvorgang der Software durch entsprechende Behörden auf Schulungen für die Software verzichtet.

Details des geplanten gemeinsamen Antrags der Staatsanwaltschaft und Boeings an das zuständige Bundesbezirksgericht müssen noch niedergeschrieben werden; der Antrag soll spätestens am 19. Juli ergehen und muss dann noch vom Gericht genehmigt werden. Vorgesehen ist, dass Boeing eine zusätzliche Geldstrafe in Höhe von 243,6 Millionen US-Dollar zahlt. Das ist jener Betrag, den sich Boeing durch die Irreführung erspart haben soll, und derselbe Betrag, den Boeing schon einmal gezahlt hat: Im Rahmen eines Deals im Jahr 2021, gegen dessen Bedingungen der Konzern nach Ansicht des US-Justizministeriums jedoch verstoßen hat. Darüber hinaus wird jetzt ein unabhängiger Beobachter ernannt, der die Sicherheits- und Qualitätsverfahren von Boeing drei Jahre lang überwachen soll. Die neue Vereinbarung sieht zudem vor, dass Boeing mindestens 455 Millionen US-Dollar in seine Compliance- und Sicherheitsprogramme investieren muss.

Doch nicht alle Seiten sind mit der Vereinbarung zwischen Boeing und US-Regierung zufrieden. Die Anwälte einiger Angehöriger der bei den beiden Unfällen ums Leben Gekommenen haben angekündigt, dass sie den Richter bitten werden, die Vereinbarung abzulehnen. "Dieser Freundschaftsdeal verkennt, dass aufgrund der Verschwörung von Boeing 346 Menschen starben", wird Paul Cassell, ein Anwalt, der einige der Familien der Absturzopfer vertritt, von der US-Nachrichtenagentur AP zitiert. "Die tödlichen Folgen von Boeings Verbrechen werden durch geschickte juristische Tricksereien zwischen Boeing und dem Justizministerium verschleiert."

Ein Beamter des Justizministeriums erklärte gegenüber AP, die Vereinbarung decke nur das Fehlverhalten von Boeing vor den Abstürzen in Indonesien und in Äthiopien ab und gewähre dem Unternehmen keine Straffreiheit für andere Vorfälle. Das ist durchaus von Bedeutung, denn die Produktionsgeschichte der Boeing 737 Max ist eine Aneinanderreihung unglücklicher Umstände.

Im Januar dieses Jahres verlor eine Boeing 737 Max 9 während des Fluges eine Tür, konnte jedoch sicher landen. Der Flugzeugtyp erhielt daraufhin Startverbot. Untersuchungen ergaben, dass mehrere Flugzeuge dieses Typs Produktions- und Qualitätsmängel aufwiesen. Bei der besagten Maschine fehlten etwa die Haltebolzen für die Tür. Boeing verstärkte daraufhin seine Qualitätskontrolle, nachdem auch die US-Luftaufsichtsbehörde FAA und die Verkehrssicherheitsbehörde NTSB darauf hingewiesen hatten.

Das Strafverfahren heißt USA v The Boeing Company und ist am US-Bundesbezirksgericht für das Nördliche Texas anhängig (Az. 4:21-cr-00005).

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(akn)