Die nächste industrielle Revolution

Hewlett-Packard steigt in das Geschäft mit den 3D-Druckern ein. Das ist der erste Schritt einer Nischentechnologie in den Mainstream. Fehlt nur noch der "Apple II" unter den 3D-Druckern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Niels Boeing

Für viele ist das "3D-Printing" immer noch eine Skurrilität. Ursprünglich ein Markenname des Herstellers Z Corp., setzt sich die Bezeichnung allmählich für alle Arten von Rapid Prototyping, also eine Fertigung von Objekten in Schichten, durch. Hergestellt werden die Maschinen von Spezialfirmen, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind.

Bei allen Verfahren wird ein dreidimensionaler Datensatz in Querschnitte zerlegt, die sich in der Maschine dann nacheinander und aufeinander materialisieren. Dabei lassen sich grob drei Ansätze unterscheiden: Ein Laserstrahl verschmilzt Kunststoff- oder Stahlpulver zu einer Schicht; Druckköpfe sprühen eine Schicht aus flüssigem Kunststoff auf, der durch Abkühlen oder UV-Bestrahlung aushärtet; oder eine Düse sprüht im Muster des Querschnitts ein Bindemittel auf ein Pulverbett, dessen Oberfläche dann fest wird.

Bislang handelt es sich hierbei um einen Nischenmarkt – Jahresumsatz 2008: 1,18 Milliarden Dollar laut Wohlers-Report –, denn die Maschinen kosten, je nach Verfahren, eine Stange Geld. Nutzer sind Industrieunternehmen, Designer und Architekten, die damit Prototypen, Einzelobjekte oder Modelle "ausdrucken". Erste Startups wie Shapeways, Fabjectory oder Fabidoo nutzen 3D-Drucker inzwischen auch, um ohne großen Aufwand kleine Gegenstände herzustellen und online zu vertreiben.

Doch die Tage des Nischendaseins sind gezählt: Mit Hewlett-Packard bringt nun der erste IT-Riese einen 3D-Drucker auf den Markt. Der HP Designjet 3D ist in der einfarbigen Ausführung ab Mai für 12.500 Euro zu haben. Das ist zwar immer noch teuer genug. Entscheidend ist aber, dass ein etablierter Hersteller von herkömmlichen Druckern in das Geschäft mit der futuristisch anmutenden Technologie einsteigt.

Das Gerät selbst stammt von der US-Firma Stratasys, einem der führenden Hersteller, und basiert auf deren Modell uPrint. Der Deal: Stratasys wird den Verkauf des uPrint in den Ländern einstellen, in denen Hewlett-Packard startet (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien). Zielgruppe sind Unternehmen, die Gegenstände am Rechner konstruieren und in einer ersten Version auch mal ohne aufwändigen Modellbau in die Hand nehmen wollen. Die Marke Hewlett-Packard dürfte manchen die Entscheidung erleichtern, sich so einen "Fabber", wie die Geräte manchmal auch genannt werden, anzuschaffen.

Fachleute haben den Stand der 3D-Drucker wiederholt mit der Computertechnik Mitte der Siebziger verglichen: Damals waren Rechner kostspielige Industriemaschinen (etwa von IBM und DEC), neben denen es ein paar erste Selbstbausätze gab (wie den Altair). Den Durchbruch zum Personal Computer, zum Rechner für jedermann, brachte dann der Apple II. Bei den 3D-Druckern gibt es ebenfalls erste Selbstbausätze, das "Model 2" des amerikanischen Fab@home-Projekts, den "Mendel" des britischen RepRap-Projekts sowie den "Makerbot", eine Weiterentwicklung der RepRap-Konstruktion.

Was fehlt, ist nun noch das Gegenstück zum Apple II: der 3D-Drucker für alle, die keine Lust auf Selbstbausätze haben. Den zu liefern, war 2007 die Firma Desktop Factory angetreten. Das gleichnamige Gerät sollte unter 5.000 Dollar kosten und den Heimanwender erreichen. 2009 ging Desktop Factory die Puste aus – die Firma wurde samt Knowhow und einem Kernteam von 3D Systems unternommen.

Das ist insofern bemerkenswert, als 3D Systems einmal den (bescheidenen) Weltmarkt für installierte Rapid-Prototyping-Geräte anführte. 2003 zog dann erstmals Stratasys, 2008 auch noch Z Corp. vorbei. 3D Systems ist nun also erst recht unter Druck. Mit der Desktop-Factory-Technologie könnte die Firma vielleicht als erste das Tor zum Massenmarkt aufstoßen.

Und wer weiß, vielleicht gibt es bei Apple schon eine Gruppe, die über die Geschäfte von übermorgen nachdenkt. Von Apples Chef-Designer Jonathan Ive weiß man, dass er schon früh mit Rapid Prototyping arbeitete. Das Multimedia- und das Mobil-Geschäft haben die Kalifornier bereits auf spektakuläre Weise geentert.

Die nächste Umwälzung, da bin ich mir sicher, ist die Verknüpfung von "Bits und Atomen", die Neil Gershenfeld vom MIT seit langem propagiert und sich etwa in der Thingiverse-Community andeutet. Schon bald werden 3D-Drucker auch andere Materialien als Kunststoffe verarbeiten können (z.B. keramische Materialien).

Was den 3D-Druckern noch fehlt, ist eine CAD-Software, mit der auch Nichtspezialisten 3D-Konstruktionen kinderleicht selbst anfertigen können. Apples Usability- und Design-Künste und ein erstklassiger Hersteller wie Objet Geometries aus Israel könnten da eine Kombination sein, die das "Fabben" endgültig zum Mainstream und Konsumenten zu Produzenten macht. Das wäre dann die nächste industrielle Revolution. (nbo)