Erste öffentliche Beta von Red Hat Enterprise Linux 6

Etwas mehr als drei Jahre nach dem Erscheinen von Red Hat Enterprise Linux 5 hat Red Hat nun eine Beta des Nachfolgers veröffentlicht. Sie scheint auf Fedora 12 zu basieren, setzt als Hypervisor auf KVM statt auf Xen und enthält eine im Vergleich zu RHEL 5 deutlich modernere Software-Ausstattung.

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Von
  • Thorsten Leemhuis

Nach einigen nicht öffentlichen Vorabversion hat Red Hat eine öffentliche Beta von Red Hat Enterprise Linux 6 freigegeben. Damit rückt nun ein Nachfolger für die mittlerweile mehr als drei Jahre alte Versionsreihe 5 von Red Hat Enterprise Linux in Sichtweite – sie erhielt zwar erst vor wenigen Wochen mit RHEL 5.5 das fünfte größere Update, doch auch das wirkt mit seinem auf Linux 2.6.18 basierenden Kernel auf den ersten Blick wie eine Linux-Distribution von vorgestern.

Wie erwartet setzt Red Hat bei RHEL 6 zur Virtualisierung voll auf das maßgeblich von eigenen Entwicklern im Rahmen des Linux-Kernels vorangetriebene KVM (Kernel-based Virtual Machine) als Hypervisor. KVM ist auch seit Version 5.4 in RHEL 5 enthalten. Letzteres nutzte anfangs lediglich Xen zur Virtualisierung -- RHEL6 wird der Xen-Hypervisor nicht mehr beiliegen, als para- oder voll-virtualisiertes Gastsystem soll es aber durchaus noch unter Xen laufen. Experimentell ist die in RHEL6 neue Unterstützung für die Linux Containers (LXC), einer OpenVZ ähnlichen "leichten" Virtualisierungslösung.

Der Kernel von RHEL 6 basiert auf der im Dezember freigebenden Linux-Version 2.6.32. Für Nvidia-Grafikhardware setzt das Unternehmen auf den noch recht jungen und unter Beteiligung von Red-Hat-Entwicklern entstandenen Treiber nouveau. Er beherrscht genau wie die Treiber für AMD und Intel-Grafikhardware KMS (Kernel-based Mode-Setting), wodurch systemweite Schlafzustände (Suspend-to-RAM und -Disk) zuverlässiger arbeiten und der Monitor beim Start des X-Servers nicht mehr flackern soll.

Als Desktop-Umgebungen liegen Gnome 2.28 und KDE 4.3.4 bei; unter den hunderten von Desktop-Anwendungen finden sich Firefox 3.5, Thunderbird 3 und OpenOffice.org 3.1. Als Datenbanken liefert Red Hat PostgreSQL 8.4 und Mysql 5.1 mit, als Java-Laufzeitumgebung OpenJDK 1.6 und als Compiler GCC 4.4 – diese und einige andere Versionsangaben deuten darauf hin, dass RHEL 6 zu großen Teilen auf der Linux-Distribution Fedora 12 basiert, die das von Red Hat gesponserten Fedora-Projekt im Herbst letzten Jahres freigegeben hat.

Zu den in RHEL 6 unterstützten Dateisystemen zählt Ext4; auch XFS soll nach derzeitigen Plänen dazu gehören. Die Beta von RHEL 6 enthält zudem Unterstützung für das designierte "Next Generation File System for Linux" Btrfs" – die ist zwar noch als experimentell und "Technology Preview" gekennzeichnet, der Schritt deutet aber darauf hin, dass Red Hat das Dateisystem langfristig unterstützen will.

RHEL 6 soll es in Versionen für Systeme mit den Prozessor-Architekturen x86-32 (i386/ia32/x86), x86-64 (AMD64/Intel 64/x64), System z (z9 oder besser) und Power (64-bit) geben. Wie erwartet wird der Itanium (IA64) nicht mehr unterstützt. Die Release Notes verraten aber, dass das Unternehmen ausgewählten Kunden noch bis März 2017 "extended Support" für die Itanium-Variante von RHEL 5 anbieten will. Nach derzeitigen Plänen soll der Support für RHEL 5 auf anderen Architekturen drei Jahre früher enden – also sieben Jahre nach der Einführung von RHEL 5.

Die Bekanntgabe zur Freigabe der Beta hebt viele weitere Verbesserungen hervor, etwa effizienteres Power Management und bessere Performance – letztere sei unter anderem dem CFS-Scheduler und Optimierungen an den Locking-Mechanismen des Kernels zu verdanken, die Red-Hat-Mitarbeiter entwickelt haben. Zudem bringe RHEL 6 Verbesserungen, die die Sicherheit erhöhen – darunter den System Security Services Daemon (SSSD), eine SELinux-Sandbox für Desktop-Applikationen oder die Isolierung von Gastsystemen mittels sVirt. RHEL liegen die im Rahmen des Kernels entwickelten Diagnose- und Debuging-Programme Ftrace und Perf bei. Das Installationsmedium soll UEFI unterstützen.

Weitere Details zu diesen und zahlreichen anderen Neuerungen liefern die Release Notes; sie finden sich genau wie eine Installationsanleitung und über ein Dutzend weiterer Dokumente in verschiedenen Formaten auf der Dokumentationsseite zu RHEL 6. Zur Diskussion zwischen den Testern hat Red Hat die Mailingliste rhelv6-beta-list eingerichtet. In den Release Notes finden sich im Anhang C auch einige Informationen zu RHEL-5-Funktionen, die RHEL 6 nach derzeitigen Plänen nicht mitliefern wird – dazu zählen einige alte Treiber sowie verschiedene "system-config-"-Programme, für die es teilweise keinen direkten Ersatz gibt.

Die Beta von RHEL6 steht nach einer optionalen Registrierung über den FTP-Server von Red Hat zum allgemeinen Download zur Verfügung; dessen teilweise auch in Deutschland stehende Spiegelserver dürften die Beta vermutlich nun ebenfalls beziehen und bald anbieten. Bislang gibt es wie so häufig bei Red Hat allerdings keine Informationen, wann das Unternehmen RHEL 6 freizugeben gedenkt; auch ob noch eine weitere Vorabversion öffentlich verteilt wird, war bislang nicht zu erfahren. (thl) (thl)