Interview mit Bob Borchers: Was das iPhone 16 München verdankt

Im Gespräch mit heise online erklärt Apple-Manager Bob Borchers Apples Entscheidungen beim iPhone 16 und welche Rolle München bei alledem spielt.

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Montage: Bob Borchers vor dem Chipdesign-Zentrum in München

Apple-Manager Bob Borchers hat diese Woche das europäische Chipdesign-Zentrum Apples in München besucht. Dort wurde auch Entwicklungsarbeit für den A18 und A18 Pro geleistet. Der A18 steckt im iPhone 16, das diese Woche erscheint.

(Bild: Montage: ho; Fotos: mki, Apple)

Lesezeit: 8 Min.
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Von außen ist die Karlstraße 77 in München ein recht unscheinbar wirkendes, helles, mehrstöckiges Bürogebäude. Dass im Inneren Apple an seinen "Superkräften" feilt, die im M4, im H2, im S10 oder im A18 stecken, würde kein Mensch vermuten – es steht noch nicht einmal drangeschrieben, dass Apple hier überhaupt sein europäisches Zentrum für Chipdesign unterhält. Aber Apple erwartet hier normalerweise auch keinen Besuch von außen – eine Ausnahme war, als wir dort am Montag Bob Borchers, Apples Vice President für Worldwide Product Marketing, zum Gespräch trafen.

Borchers hat das iPhone mit Unterbrechungen von Anbeginn als Teil des Teams aktiv begleitet. Manch einer erinnert sich noch an eine Guided Tour für das iPhone 3G, in der der US-Amerikaner durch die neuen Funktionen der zweiten iPhone-Generation führte. Im Internet ist er unter dem Kosenamen "iPhone Bob" zu finden.

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An diesem Freitag spielen die von Borchers so benannten "Superkräfte" des Chips, die sich zu einem erheblichen Teil aus Deutschland und München speisen, wieder eine große Rolle, stecken doch mit dem A18 und dem A18 Pro zwei verbesserte SoCs in den neuen iPhones der 16-er-Generation. "München ist ein zentraler Bestandteil unseres Apple Silicon-Entwicklungsnetzwerks", sagt Borchers. 2000 Ingenieurinnen und Ingenieure aus mehr als 40 Ländern sind hier heute tätig, obwohl Apple erst im Jahr 2015 dort damit begann, größere Teams aufzubauen. In den vergangenen Jahren wurden Zusagen getätigt, über zwei Milliarden Euro in die Forschungs- und Entwicklungsarbeit in München zu investieren.

Mit Blick auf iPhone, Apple Watch, Macs und weitere Apple-Bestseller werden in München wesentliche Teile zu den Produkten beigetragen. Dazu zählt etwa das Power-Management, was für die Energieeffizienz von großer Bedeutung ist – ein Punkt, mit dem Apple bei seinen eigenen Silicons in letzter Zeit immer deutlicher wirbt. In München wird aber auch am Design von System-on-a-Chip (SoC) gearbeitet, und es werden Chips getestet und verifiziert (Silicon Engineering Productization Team). Große Bedeutung für die Zukunft dürfte die Arbeit des Teams für Mobilfunktechnologien haben, dessen Ergebnisse Apple künftig unabhängiger von Zulieferern machen könnte.

Externe Beobachter fragen sich angesichts der deutlichen Fortschritte bei Apples Prozessoren in den vergangenen Jahren, wie lange das noch in diesem Tempo so weitergehen kann. Mittlerweile hat Apple die zweite Generation der Drei-Nanometer-Bauweise in seinen Geräten – doch wie geht es für Apple weiter, wenn etwa die Miniaturisierung an physikalische Grenzen stößt? Einer konkreten Antwort weicht Borchers erwartungsgemäß aus und nennt keine konkreten Pläne. Er sagt: "Es geht nicht nur darum, einer einzelnen Metrik oder einem einzelnen Gütewert nachzujagen, sondern vielmehr darum, Dinge zu tun, die unseren Kunden einen echten Mehrwert bieten." Beispielhaft nennt er den Einsatz neuer Prozessknoten, die es ermöglichen, immer mehr Transistoren in kleinere Gehäuse zu packen. Das führe zu einer höheren Leistung. "Ich denke, die Entwicklung dieser Chips wird weitergehen, und zwar schnell, und alle verfügbaren technologischen Fortschritte nutzen. Es gibt dort viele Möglichkeiten und Spielraum."

Apple denke ohnehin ganzheitlich und nicht nur bezogen auf einzelne Komponenten, betont er. "Bei diesem Zusammenführungsprozess entstehen unzählige Ideen, aber wir arbeiten sehr, sehr hart daran, nur die besten davon auszuwählen, damit wir ein vollständiges Paket liefern können, das unsere Kunden als vollständig durchdacht empfinden und das tut, was sie erwarten", sagt er mit Blick auf das Apple zugeschriebene Prinzip, dass jedes Ja im Erschaffungsprozess 1000 Neins erfordert. Ob es angesichts der vielfältigeren Möglichkeiten, die Technologie heute bietet, bei 1000 Neins geblieben ist, oder es schon weit mehr sind, könne er nicht einschätzen, antwortet er lachend: "Ich habe nicht mitgezählt, daher kenne ich die genaue Zahl nicht, aber ich denke, das Prinzip bleibt bestehen."

Konkret auf das iPhone 16 und iPhone 16 bezogen drehen sich Fragen rund um den Arbeitsspeicher, die Kamera und die Größe der Displays bei den Pro-Geräten.

  • Zur Erhöhung des Arbeitsspeichers in der iPhone-16-Generation auf 8 GB RAM, die Apples Hardware-Technologie-Chef Johny Srouji kürzlich in einem Interview bestätigte, sagt Borchers, dass es angesichts der noch am Anfang stehenden Entwicklung der generativen Sprachmodelle schwer zu sagen sei, ob nicht in Zukunft eine weitere Erhöhung nötig sein wird. "Wir denken, dass wir eine Reihe von Leistungsmerkmalen haben, die heute, aber auch in Zukunft großartig sein werden." Zudem zähle die gesamte Systemleistung. "Der Arbeitsspeicher ist ein Bestandteil davon, aber dann gibt es auch noch die Speicherbandbreite. Dann gibt es noch den Prozessor und die Prozessorfähigkeiten. Und dann gibt es noch die Leistung, die ebenfalls eine Rolle spielt."
  • Bei der Vergrößerung der Displays des iPhone 16 Pro und iPhone 16 Pro Max auf 6,3 bzw. 6,9 Zoll habe man genau abgewogen, dass der zusätzliche Bildschirm nicht zulasten der Benutzbarkeit ermöglicht wird. "Man könnte sich ein Szenario vorstellen, in dem man sie einfach immer größer und größer und größer macht, aber irgendwann kann sie niemand mehr realistisch verwenden oder in einer Hand halten. Für uns war der große Durchbruch hier, dass wir die Ränder reduzieren konnten, und zwar auf die dünnsten Ränder aller Apple-Produkte überhaupt, während gleichzeitig die Gehäusegröße sehr, sehr nah an der der vorherigen Generationen lag. Es war tatsächlich diese perfekte Kombination, bei der wir die Größe, die die Menschen am iPhone in der Hand lieben, nicht verändert haben, aber wir konnten ihnen mehr Anzeigefläche bieten, was meiner Meinung nach immer von Vorteil ist. Wir suchen immer nach Möglichkeiten, diese Kombination zu optimieren."
  • Und dann ist da natürlich noch der Wunsch mancher Nutzer nach einer stärker vergrößernden Tele-Kamera. Ob Apple klar ist, dass es diesen Wunsch gibt, fragen wir. "Uns ist natürlich bewusst, dass es viele Menschen gibt, die das Kameraerlebnis an verschiedenen Orten auf ein neues Niveau heben möchten", antwortet Borchers. "Unser Ziel ist es jedoch, dies auf eine Weise zu erreichen, bei der die Qualität und die Funktionen, die wir für eine Kamera für so wichtig halten, erhalten bleiben. Es geht nicht nur um ein Wettrennen um eine Spezifikation, sondern es muss auf eine Weise geliefert werden, die der Qualität entspricht, die man von einem iPhone Pro oder Pro Max erwarten würde. Das ist die Messlatte, von der wir uns nie entfernen werden."

Die Chancen, dass Apple sich Mittel und Wege überlegt, weitere Wünsche rund um Kamera und Ton zu erfüllen, stehen zumindest nicht schlecht. Denn Creator stehen unverkennbar mit im Fokus der aktuellen Pro-Geräte. "Die Kreativen sind Teil unserer DNA und Teil unserer Kundengruppe, die uns wirklich wichtig ist", sagt Borchers. "Wenn wir die Kamerafunktionen oder die Audiofunktionen erweitern können, jetzt mit den Mikrofonen in Studioqualität und der Möglichkeit, Audio nachträglich zu mischen, oder den Kamerastilen oder der Kamerasteuerung, sind wir immer wieder erstaunt, was sie damit machen. Das inspiriert uns dazu, ihnen mehr Möglichkeiten zu bieten, damit wir ihr Potenzial freisetzen können."

Bleibt am Ende noch die Frage, ob Apple sein Milliarden-Engagement in der EU, in München, und die tausenden Arbeitsplätze in Europa hinreichend gewürdigt sieht. Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Steuernachzahlung, die Apple auf Betreiben der EU-Kommission in Irland leisten muss, oder auf die Regulierung durch den Digital Markets Act (DMA) fallen geteilt aus. Zumindest einige Kommentatoren fürchten, dass US-Tech-Unternehmen abgeschreckt werden könnten. Borchers äußert sich hierzu nur diplomatisch: "Wir sind seit vielen Jahren in Deutschland und seit vielen Jahren in Europa. Wir fühlen uns der Region verpflichtet, nicht nur in Bezug auf die Kunden, sondern auch als Ort, an dem wir gemeinsam erstaunliche Technologien und Fähigkeiten entwickeln können. Sie stützt sich auf die lokale Expertengemeinschaft und bezieht sie ein. Es trägt zum Aufbau der lokalen Wirtschaft bei." München stehe für Spitzenforschung, die Karlstraße 77 und die weiteren Standorte sind eine Erfolgsgeschichte. "Hoffentlich können wir auch in Zukunft solche Geschichten erzählen."

(mki)