FDP nimmt Bundesregierung wegen Softwarepatenten unter Beschuss

Der Bundestag soll das Votum der Bundesregierung für die umstrittene Richtlinie zur Patentierbarkeit von Computerprogrammen missbilligen und die Position des Europaparlaments unterstützen.

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Die FDP-Fraktion im Bundestag ist empört über den Zickzackkurs des Bundesjustizministeriums bei den umstrittenen Softwarepatenten. Mit Hilfe eines Entschließungsantrages will sie die Bundesregierung und die anderen Parlamentsfraktionen nun zwingen, endlich Farbe zu bekennen. So soll der Bundestag laut dem Papier die Regierung auffordern, im weiteren Verfahren zur Verabschiedung der Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" ihre aktuelle Entscheidung für den Vorschlag der irischen Ratspräsidentschaft "zu revidieren und in der Frage der Grenzen der Patentierbarkeit von Computerprogrammen stattdessen die Position des Europäischen Parlamentes vollinhaltlich zu unterstützen".

Die Vertreter der Bundesregierung hätten sich bei der Abstimmung im EU-Rat entgegen ihrer ursprünglichen Ankündigung gegen den Entwurf des Europaparlaments ausgesprochen, kritisiert die FDP in dem Antrag. Dieser Meinungswechsel habe maßgeblich dazu beigetragen, dass der dem Willen der Volksvertreter zuwiderlaufende Vorschlag der Iren im Ministerrat beschlossen wurde. Das Votum der Bundesregierung stelle eine "wettbewerbs- und wirtschaftspolitische Fehlentscheidung dar", die der Bundestag nun missbilligen soll.

Die Version des Rates erlaube eine "unbegrenzte Patentierbarkeit und Patentdurchsetzbarkeit in Bezug auf Software", bemängeln die FDP-Fachpolitiker. Letztlich solle gemäß der Brüsseler Vorgaben die "rechtlich fragwürdige Praxis des Europäischen Patentamtes kodifiziert" werden, auf deren Grundlage in den letzten Jahren "zahlreiche triviale und breite Patente auf Algorithmen und Geschäftsmethoden erteilt worden sind". Dies ist auch die Hauptbefürchtung des Fördervereins für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII), in dem sich die Softwarepatent-Gegner sammeln.

Wann der Antrag im Bundestag zur Abstimmung kommt und ob sich dafür eine Mehrheit findet, ist noch unklar. Politiker der SPD haben sich wiederholt gegen die Softwarepatentlinie des EU-Rates ausgesprochen und selbst Nachbesserungen gefordert . Die Bündnisgrünen wiederholen immer wieder, dass sie komplett gegen Softwarepatente sind. So betonte die medienpolitische Sprecherin der Fraktion, Grietje Bettin, am heutigen Mittwoch: "Die von deutscher Seite aus eingebrachten Änderungsvorschläge reichen nicht aus, eine breite Patentierbarkeit von Software zu verhindern." Die Entwicklung würde dazu führen, "dass der Wettbewerb um Innovationen hinter juristische Auseinandersetzungen zurücktritt". Die Verbraucher müssten hierfür letztendlich den Preis bezahlen, "da Software womöglich teurer und in ihrer Vielfalt eingeschränkt sein würde". Die Kritik aus der Regierungskoalition ist bisher aber nicht bis zur Regierung vorgedrungen.

Auf Unterstützung durch den "Oppositionspartner" CDU/CSU kann die FDP dagegen wohl nicht zählen. So verweist die Union bei Anfragen zu ihrer Haltung im Streit um die Softwarepatente auf die Haltung des CSU-Europakandidaten Joachim Würmeling. Ihm zufolge schließt die Richtlinie in ihrer momentanen Form die "allgemeine Patentierung von Software" explizit aus. Der Gesetzesvorschlag bedeute "praktisch keine Änderung der gegenwärtigen Handhabung von Patentanträgen", die auch bisher "die fruchtbare Entwicklung von freier Software" offensichtlich nicht behindert habe. Die Möglichkeit, Patentschutz zu erhalten, schütze gerade kleine Entwickler vor dem "Ideenklau durch große Vermarkter". Die Open-Source-Lobby erwecke "fälschlicherweise" den Eindruck, dass es hier nur einen Interessengegensatz zwischen kleinen und großen Unternehmen gebe.

Der FFII hofft derweil, dass die letztlich noch nicht von den Ministern selbst abgenickte Version des Rates noch einmal neu in dem Gremium diskutiert werden muss. Er verweist auf Hinweise, dass die Entscheidung vergangene Woche nicht vollkommen rechtmäßig zu Stande gekommen sei. So beklagte sich im Nachhinein der polnische Repräsentant Jaroslaw Pietras vom Komitee für die Europäische Integration, dass sein Land sich eigentlich enthalten wollte. Er sei von der die Abstimmung leitenden irischen Ratspräsidentschaft aber nicht mehr nach seiner Meinung gefragt worden, weil angeblich bereits ein Mehrheitsvotum vorgelegen habe. Dabei hätte Polen der Ratsentscheidung durchaus Steine in den Weg legen können.

Zum aktuellen Stand und dem weiteren Verlauf der Auseinandersetzung um die Softwarepatente in Europa siehe auch:

  • Die Brüsseler Patentschlacht -- Der Streit um EU-Softwarepatente in der vorletzten Runde, c't 12/2004, S. 60 (die neue Ausgabe der c't ist ab Dienstag, den 1. Juni, im Handel).
  • Die Währung des Wissens -- Wer mit Technologie Geld verdienen will, kommt um Patente nicht herum; doch von ihrer ursprünglichen Idee ist nicht mehr viel übrig geblieben, allgemeiner Schwerpunkt zum Thema Patente, Technology Review 6/2004 (ab Donnerstag, den 27. Mai, im Handel).

(Stefan Krempl) / (jk)