WOS3: Der Kampf ums freie Breitband-Spektrum

Die Free Software Foundation fordert nach freier Software, Hardware und Kultur nun freie und überall verfügbare Bandbreite für alle.

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Eben Moglen, Rechtsprofessor an der Columbia Law School in New York und Vorstandsmitglied in der Free Software Foundation (FSF), hat bei der Eröffnung der Konferenz Wizards of OS 3 (WOS) am heutigen Donnerstag in Berlin die künftigen Kampffelder der freien Software-Bewegung abgesteckt. In einer pathetischen Rede erklärte der Veteran, dass es nach den Erfolgen bei freier Soft- und Hardware sowie des Aufblühens einer neuen Geschenk-Kultur in den Tauschbörsen des Netzes nun um die Befreiung des Funkspektrums gehe. Frei telefonieren und drahtlos breitbandig surfen, lautet das neue Ziel. "Die staatliche Vergabe von Frequenzen ist ein Übel, das sich überlebt hat", konstatierte Moglen unter dem Beifall des Publikums im Hauptsaal des Berliner Congress Center am Alex. "Wir müssen nun Bandbreite für alle auf der Basis gleichberechtigter Zugangsprinzipien erreichen".

Die Pfeiler für den nächsten Schritt der gegenwärtigen Revolution, die mit dem offenem Code gestartet ist und die Moglen in den jahrhundertealten Kampf um die Meinungsfreiheit eingebettet sieht, sind laut dem Rechtsexperten bereits fest verankert. Über den Durchmarsch der freien Software braucht man seiner Ansicht nach kaum noch reden. Regierungen, Unternehmen und die Bürger hätten erkannt, dass der einsehbare, veränderbare und frei weiterzugebende Quellcode die Infrastrukturen für das soziale Leben verbessere und einen ökonomischen sowie bildungstechnischen Vorteil bringen würden. "Das alles weiß jeder inzwischen", befand Moglen. "Wir sagen es zwar nicht immer laut und tragen inzwischen auch Anzüge. Dass es uns letztlich aber um die Freiheit geht, haben wir nicht vergessen."

Auch in puncto Hardware werden sich Bemühungen, Rechner über das so genannte Trusted Computing in Agenten von Konzernen etwa aus der Medienindustrie umzuwandeln, nicht gegen den Willen der Verbraucher durchsetzen lassen, führte Moglen weiter aus. "Wir müssen nur sicherstellen, dass die Hardware von ihren Besitzern kontrolliert wird und nicht von denen, die Bitströme durch sie senden", betonte der Amerikaner. Keine Bedenken hat er ferner für das weitere Erstarken einer "freien Kultur". Nachdem die Kunst im digitalen Zeitalter aus ihrem physikalischen Gefängnis befreit worden sei, hätten die Zwölfjährigen dem "toten Distributionsbusiness" für Werke wie Musik oder Filme bereits ausreichend gezeigt, wie man kulturelle Schöpfungen über das Netz mit der Menschheit teile.

Doch während Microsoft oder die Musikindustrie relative schlappe Gegner gewesen seien, warf Moglen einen Blick in die Zukunft, habe man es nun mit den Telefonkonzernen zu tun. Die hätten es bisher geschafft, die Leute davon zu überzeugen, dass sie für ihre telekommunikativen Grundbedürfnisse zahlen müssten und dass die benötigten Infrastrukturen nicht von den Nutzern selbst kontrolliert werden dürften. Doch dass die Zeituhr beim Telefonieren mitläuft, wird laut Moglen schon bald Geschichte sein. Die in zahlreichen Städten aufblühenden freien WLAN-Funknetze würden zeigen, dass es auch anders geht. Es komme dabei darauf an, die sich bereits in den Händen der Nutzer zu Hause, am Arbeitsplatz sowie in den Schulen befindlichen Computer- und Netzinfrastrukturen zu sich weitgehend selbst organisierenden Maschenstrukturen zu verknüpfen.

"Im Prinzip stimmen alle Rechtssysteme überein, dass das Spektrum allen gehört", erläuterte Moglen die rechtlichen Hintergründe der freien Netzwerkbewegung. Nun seien die Möglichkeiten gegeben, dass sich Staat und Konzerne aus dem Feld der elektromagnetischen Wellen zurückziehen könnten. "Der Deutschen Telekom wird das das Herz brechen", führte der Rechtsprofessor aus. Aber die freie Kommunikation sei für die Gesellschaft wichtiger als das Wohlergehen der Telcos.

Einige Hindernisse auf dem Weg zur "freien Gesellschaft" sieht auch Moglen zwar noch. Es gebe nicht nur immer wieder leidige Auseinandersetzungen mit den alten Mächten, sondern auch mit den eigenen Gewohnheiten: "Es dauert wirklich lange, bis sich die Menschen an ein anderes Textverarbeitungsprogramm gewöhnen", stöhnte der FSF-Justiziar. Aber es gehe keineswegs mehr um rein idealistische oder utopische Vorstellungen. "Wir haben das Konzept unter Beweis gestellt und wir haben den funktionierenden Code", freute sich Moglen. "Unsere Projekte beruhen auf alltäglicher Praxis", bekundete auch Volker Grassmuck, Projektleiter des WOS-Vereins, der die noch bis Sonntag dauernde Konferenz organisiert. Man sei hier auch nicht in der Kirche und unter religiösen Fanatikern, meinte der Forscher entgegen der teils messianistisch vorgetragenen Rede Moglens. So werde man in den kommenden Tagen an vielen Beispielen zeigen, dass Freiheit funktioniere und sich auch auszahle für ihre Protagonisten.

Zur Wizards of OS siehe auch:

Zur Verteilung der Funkfrequenzen und der Kritik an der Vergabepolitik siehe auch:

  • Funkfrequenzen für alle -- Gegner der Frequenz-Regulierung fordern eine neue Vergabepolitik, Hintergrund-Artikel auf heise mobil

(Stefan Krempl) / (jk)