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Die Ducati Monster 1200 gegen ihre Konkurrenten

Das Monster rotzt

Motorrad Clemens Gleich
Die Krone der Roadster-Schöpfung 2014: Ducati Monster 1200, BMW S 1000 R, KTM 1290 Super Duke

Ducatis neue Monster mit dem großen Testastretta-Motor ist ein starker Roadster. Doch die Konkurrenz ist dieses Jahr extrem stark: Die neue Super Duke und BMWs Vierzylinder-Naked S 1000 R legen die Latte hoch

Stuttgart, 22. Mai 2014 – 2014 ist ein gutes Jahr für Freunde großherziger Landstraßen-Roadster. KTM hat mit der neuen Super Duke die Messlatte gelegt, BMW konterte das mit der erstaunlich guten S 1000 R und Ducati setzt auf dieselbe Zielkundschaft eine neue, wassergekühlte Monster mit dem Testastretta-Motor an, die so wild sein soll, dass sie auch Ducatis Streetfighter ersetzt. Sagen wir es so: Wenn diese drei auf der Landstraße vorbeigezogen sind, kommt lange, lange nichts mehr.

Ich liebe die Italiener, aber ich verstehe auch jeden, dem italienischer Fahrzeugbau zu anstrengend ist. Der Texterkollege Axel Bergander fasste es einmal so zusammen: Morgens legt der Ducati-Ingenieur voll Leidenschaft und Espresso im Blut los, konstruiert einen genialen Motor, schweißt einen herrlichen Rahmen. Mittags gibt es einen Grappa und gegen vier hat jemand gemerkt, dass an diese neue 1200er ja noch eine Wasserpumpe dran muss. Spaxen wir sie halt noch schnell hin wie einen China-Sturzbügel! Eine schöne Seite pro Motorrad reicht doch.

Diese Mischung aus inspirierend schöner Arbeit und kruder Pfuscherei müssen Ducatisti in alle Details ertragen. Die Soziussitzabdeckung wackelt wie die zu große Base-Cap eines 13-Jährigen. Die Rückspiegel stecken auf wunderschönen Industriekunst-Trägern aus aufgerautem, gunmetal-grau anodisiertem Gussalu. Die herrliche Auspuffführung kann jeder sehen, aber einen Leerlauf hat bisher noch niemand in diesem knorrigen Sechsgang-Getriebe gefunden.

Sei wie der Testfahrer!

Die Monster 1200 bleibt bei einer weiteren nervigen Eigenart aller Ducati-Roadster: Entweder du setzt dich so drauf wie Ducatis Naked-Testfahrer, oder du hast ganz einfach Pech gehabt. Wer zum Beispiel seine Ballen auf die Rasten stellen möchte (was viele Fahrer vor allem in kurvigen Teilstücken tatsächlich gern tun), der muss O-beinig fahren, weil es hinter den Rasten keinen Platz für Fersen gibt. Selbst wer wie der Testfahrer die Raste am Stiefelabsatz einhakt, ist noch nicht im Trockenen, denn er darf auch keine bedeutend größeren Füße haben als dieser kleine Italiener, sonst schleifen sie in Kurven am Boden. Bei jeder neuen Naked-Generation beschweren sich großfüßige Deutsche darüber, und bei jeder neuen Generation ist das Bologna piepegal. Ach, Ducati ...

Doch selbst nach einer Probefahrt auf der BMW S 1000 R hat sich ein Bekannter unlängst die neue Monster 1200 selbst gekauft. Warum er das tat, wird beim Fahren klar: Es muss der Motor gewesen sein, der ihn überzeugt hat. Ja, ich höre schon die ewigen Einwürfe von wegen „unfahrbar“, die schon dem grandiosen luftgekühlten 1100er vorgeworfen wurden, aber ich habe noch keinen Ducati-Motor getroffen, den ich nicht ansatzlos geliebt habe. Die Motoren machen sie morgens. Auch diese Variante des früheren Superbike-Antriebs trifft mitten ins Herz. Schon das Anlassen: kurzes Zögern des Anlassers am Punkt der größten Kompression. Bangen: Schafft er es? Und dann ein befreiendes Bellen fast wie ein Knall. Hast du je gezweifelt, dass ich laufen werde? Ungläubiger.

Auf Landstraßen-Tempo brüllt der liegende 90-Grad-V2 nicht so knallelaut, wie das der erste Streetfighter tat, aber doch so kernig, dass sich der Deutsche unwillkürlich fragt, ob das noch legal sein kann. Nun hatten die Italiener ja schon immer ein entspanntes Verhältnis zu Gott, der Welt und den EU-Zulassungsstellen. Relevanter sind jedoch die subjektiven Eindrücke des Fahrers. Und dem ist meistens ausgerechnet die BMW peinlicher in stillen Kurörtchen als die Ducati. Ich glaube gar nicht, dass die Monster signifikant leiser ist. Sie klingt einfach schöner.

Drehpunkt vorne, Sitzen weit hinten

Obwohl die Gabel so aussieht, als stünde sie in einem entspannten Winkel ab, ist die Geometrie beim Fahren knackig um den Lenkkopf zentriert, vor allem im Vergleich zu den beiden Konkurrenten. Die Monster ist viel handlicher als KTM und BMW. Sie ist deshalb jedoch auch nervöser, vor allem in Schräglage, in der sich der Nachlauf ja noch verringert. Mir persönlich gefällt bei solchen Lenkköpfen gut, wenn die Sitzposition ebenfalls entsprechend nach vorne orientiert ausfällt. MV Agusta macht das zum Beispiel bei ihren Brutales. Die Monster spannt ihren Fahrer traditionell über einen lang ausfallenden Tank, und die 1200er bleibt dieser Tradition treu. Das funktioniert, aber man muss es mögen.

Das kleine Mäusekino vorn wird langsam zum Standard bei Ducati. Bei Maschinen mit schattenwerfenden Frontverkleidungen reicht die Helligkeit von TFT-Schirmen, auf dem Naked haben sie nur Nachteile. Ducati verwendet kaum Farben (der einzige Vorteil eines TFT) und die Abdeckung spiegelt. Man kann seine Technikführerschaftsansprüche eleganter dokumentieren. Die Bedienung der vielen Funktionen auf dem TFT bleibt wie vorher dem Blinkerrücksteller plus zwei Schaltern für oben unten ausersehen. Wie vorher ist diese Schalterkombo bemerkenswert unergonomisch. Am besten ein Mal alles einstellen und so wenig wie möglich benutzen.

Im Vergleich

Die Monster 1200 [1] kostet 13.795 Euro inklusive Nebenkosten. Wer das S-Modell mit Öhlins-Fahrwerk und 10 PS mehr möchte, zahlt 16.295 Euro. Die BMW S 1000 R [2] kostet ab 13.150 inklusive Nebenkosten (Nebenkosten variieren bei BMW je nach Händler). Die KTM 1290 Super Duke [3] kostet 15.740 Euro inklusive Nebenkosten. Die etwas günstigere BMW fährt schon eine ganze Ebene besser als die Duc. Voll aufgerüstet mit dem automagischen Fahrwerk DDC [4] bleibt sie unter dem Preis der Monster S, gleichzeitig beim selben Fahrer jedoch auch weit unter deren Rundenzeit. Die BMW ist einfach viel schneller. Sie bremst viel besser, beschleunigt viel krasser, und sie ist einfacher zu fahren.

Die wirkliche Ernüchterung kam jedoch beim direkten Umstieg von der Monster auf die Super Duke. KTM baut auch einen V-Twin, sogar mit mehr Hubraum, aber der erste Gedanke jedes Umsteiger bleibt: „Es geht doch.“ Die Super Duke ist das Gegenteil der Monster, sie nimmt im Ort handzahm Gas an und zündet draußen im Geläuf das Feuer der Vernichtung. Die Spitzenleistung ist bei KTM und BMW gemessen in etwa gleich. Die Motorradzeitschrift MO hat die KTM mit 175 DIN-PS gemessen, die BMW mit 170. Entscheidend bleibt eher der Weg, auf dem die Motoren zu ihrer Nennleistung gelangen, und der spricht Bände: Über den gesamten mittleren bis oberen Drehzahlbereich hat die KTM über 30 (!) PS mehr als die BMW. Dieser Motor stampft auf der Landstraße derzeit alles Andere ein und kombiniert das mit einer Fahrbarkeit, die so eine Macht jedem Anfänger zugänglich macht, mit einem perfekt schaltenden Getriebe und einer Ergonomie, auf der viele verschiedene Staturen von groß bis klein sich sortieren können, selbst, wenn sie nicht so aussehen wie oberösterreicherische Testfahrer.

Dagegen ruckt und zuckt der Monster-Motor in den Ortschaften, dass es nervt. Und nach dem Ortsschild wartet man auf den ganz großen Druck vergebens. Dann noch das Gemauschel mit der S-Version. Gib doch den Kunden der Standardversion auch 145 PS statt der geizigen 135, Ducati! Beide Werte unterfordern den Testastretta. Nicht falsch verstehen: Die Monster 1200 ist ein sehr gutes Motorrad aus der alten Riege. Aber die KTM oder die BMW sind mindestens eine Generation weiter. Der beste Kaufgrund für eine neue Monster ist also der, die neue Generation doof zu finden, denn die Ducati ist mit Abstand die rotzigste Maschine der Drei.


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[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Tage-der-Tentakel-2057867.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Klartext-2059656.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Die-BMW-HP4-mit-Dynamic-Damping-Control-1709129.html