Automagisch: Die BMW HP4 passt ihre Dämpfung automatisch der Fahrsituation an

Die BMW HP4 mit "Dynamic Damping Control"

Bremspunkt: zu spät. Linie: krumm. Kein Problem: Die BMW HP4 mit DDC sortiert sich aus der Kurve und stürmt mit hektisch blinkender DTC-Anzeige aus dem Eck, als hätte man irgendwas richtig gemacht

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Design: Die meisten Teile, auch die sichtbar gestaltenden, stammen von der 2012er S 1000 RR. Sichtbar anders: Farben und Abgasanlage. 13 Bilder
Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Stuttgart, 17. September 2012 – Die italienischen Marken Aprilia und Ducati hatten mit ihrer Technik BMWs Vorreiter S 1000 RR in vielen Punkten übertrumpft. Das ging einfach nicht, deshalb baut sich BMW mit der HP4 an die Spitze der Technik zurück.

Elektronische Helden

Als die BMW S 1000 RR erschien, kam sie in eine Welt, in der das Supersportmotorrad so bewertet wurde: "Ich will selber fahren, selber Held sein, keine Elektronik haben und dafür mehr Risiko, das gehört beim Supersport-fahren einfach dazu!" Sie bot dieser Welt einerseits ein mechanisch-geometrisch sehr gutes Motorrad an, das waren die Hausaufgaben. Sie bot sich ihr jedoch mit einem Elektronikornat an, das es so noch nie gegeben hatte, mit ABS und einer Traktionskontrolle, die über eine aufwendige Schräglagenmessung ihre Regelgüte erreichte. Sie schlug ein wie eine Bombe, denn mit gemessen meist über 200 PS war das Erlebnis in keinster Weise harmlos. Eine F-22 ist ja auch nicht ungeiler als eine F-15, nur weil sie moderner ist. Die Superbimpf krempelte die Supersport-Meinungen so komplett von links auf rechts, dass sich heute niemand mehr *ohne* einen Rattenschwanz an Regelelektronik an die Startlinie traut.

Zur Markteinführung war Aprilia auf den Rennstrecken der SBK-Meisterschaft (Superbike World Championship) mit der RSV4 BMW in einem Ausmaß überlegen, dass man als Bayer physische Schmerzen verspürte, aber im Verkaufsraum waren die Rollen gänzlich vertauscht. Die RSV4 verkaufte sich sogar mit Weltmeistertitel in Stückzahlen, die selbst im Heimatmarkt so unterirdisch waren, dass wir lieber rücksichtsvolles Schweigen bewahren. Aprilia erkannte schnell, dass sie die Elektronik, die ihnen auf dem Weg zum Titel ja geholfen hatte, den Straßenkäufern auch anbieten müssen, was Ende 2010 mit der RSV4 APRC geschah: Das Motorrad war die Referenz in Sachen Traktionskontrolle, konnte Wheelies sanft absetzen, wo die BMW-Regelautomatik sich manchmal wie ein Känguru gebärdete, bot eine Startautomatik und integrierte alles in ein Gesamtprodukt, das zwar wieder keiner haben wollte, das BMW jedoch in fast allen Belangen überlegen war. Und dann kam Ducati, um dieselbe Technik in ihre Panigale zu bauen, wo sie sogar jemand kauft.

Anfang 2012 gab es ein "Modell-Update" der BMW S 1000 RR. Wenig bekannt ist, dass diese Modellpflege über weite Bereiche in einer regelrechten Neukonstruktion bestand. Die hat sich gelohnt, wenn die SBK ein Argument sein darf: BMW führt endlich in dieser Meisterschaft (mit Marco Melandri als Fahrer) – nach Jahren der Probleme, aber auch einer geradezu microsoftigen Hartnäckigkeit, ihr System eben doch auch dort zum Funktionieren zu bringen. Was man jedoch noch wissen muss: BMW möchte stets als Fahnenträger an der Spitze der Serientechnik wahrgenommen werden, und deshalb reichten SBK-Erfolge nicht, sondern es musste zusätzlich in Serie etwas her, das noch nie da war, das die Italiener so schnell nicht würden bieten können.

Das automagische Fahrwerk

Die Hauptneuerung der HP4 ("High Performance" mit 4 Zylindern) ist daher das "Dynamic Damping Control" DDC, ein automatisch die Dämpfung einstellendes Fahrwerk, wie wir es aus dem Autobau kennen. Die Technik stammt von dort, doch die Adaption auf ein Einspurfahrzeug ist (ähnlich wie bei der Traktionskontrolle) kniffliger als sich die meisten Nur-Fahrer das vorstellen. BMWs Ingenieure haben drei Jahre gebraucht.