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Solide dank Massenbasis?

Im Gebrauchtwagencheck: Seat Leon

Ratgeber Martin Franz
Seat Leon

(Bild: Pillau)

Der dritte Seat Leon ist gebraucht keine schlechte Wahl, wobei es lohnt, auf einige Kleinigkeiten und eine Großbaustelle zu achten. Denn die kann unter Umständen richtig teuer werden. Auf was beim Kauf eines gebrauchten Seat Leon zu achten ist, zeigen wir im Gebrauchtwagencheck

Lange war Seat innerhalb des Volkswagen-Konzers ein finanzieller Problemfall. Während Skoda von einem neuen Rekord zum nächsten rannte, schrieb die spanische Marke rote Zahlen. Inzwischen sieht das anders aus, und einen großen Anteil daran hat der dritte Seat Leon. Der ist seit Ende 2012 auf dem Markt und hat den Geschmack der Kundschaft offenbar ziemlich genau getroffen. Mittlerweile gibt es eine breite Auswahl an Gebrauchtwagen. Bis auf eine Großbaustelle, die sich relativ leicht umgehen lässt, ist der Leon durchaus zu empfehlen. Wir zeigen, worauf Interessenten beim Kauf eines gebrauchten Leons achten sollten.

Minimal enger

Wie der Audi A3, der VW Golf 7 und der Skoda Octavia basiert auch der aktuelle Seat Leon auf dem Modularen Querbaukasten. Als Fünftürer ist er seit Ende 2012 im Handel und sollte das Image der Marke „versportlichen“. Der vergleichsweise flotten Formgebung hat Seat ein wenig Raum geopfert, was gerade beim Kombi auffällt, der seit Ende 2013 verkauft wird. Der ist im Kofferraum und auf der Rückbank etwas enger geschnitten als etwa der pragmatisch geformte Octavia Combi [1]. Die Unterschiede sind im Gepäckraum allerdings nicht riesig: Der Leon ST fast 587 Liter, der Octavia Combi 610. Als Limousine liegt der Leon gleichauf mit dem VW Golf [2]: Beide nehmen 380 Liter Gepäck auf, wenn die Rücksitze nicht umgeklappt werden.

Auch an anderer Stelle wird die angedachte Positionierung deutlich: Der Leon ist schon in der Grundkonfiguration etwas straffer abgestimmt als die anderen Konzernmodelle. In der beliebten, sportlich angehauchten „FR“-Ausstattung ist das dann eine Härte, die meinen Kollegen Clemens Gleich einst zu einem grimmigen Protest [3] verleitet hat. Noch etwas strammer sind die Cupra-Modelle.

Viele gut ausgestattet und kräftig

Für Seat hat die Umsetzung dieses Images durchaus positive Seiten: Viele Modelle auf dem Gebrauchtwagenmarkt sind vergleichsweise kräftig motorisiert und gut ausgestattet. Die beiden kleinen Benziner mit 86 bis 110 PS sind eher wenig gefragt. Ziemlich oft auf dem Markt ist dagegen der 1.4 TSI. Bis März 2014 wurde er mit 122 und 140 PS angeboten, danach hatten die Motoren 125 und 150 PS. Deutlich seltener sind die Benziner mit 180 PS und die Cupra-Modelle, die zwischen 265 und 300 PS bieten, gleiches gilt für die Erdgasausführung. Im Mai 2015 kam noch der Einliter-Dreizylinder mit 115 PS [4] hinzu.

Seat hat im dritten Leon von Anfang an die überarbeiteten TSI-Motoren (intern EA211) eingebaut. Das Drama rund um unterdimensionierte Steuerketten betrifft ihn also nicht mehr. Ganz ohne Probleme laufen die Motoren allerdings nicht: Für 1.2 und 1.4 TSI gibt es eine Klammer, die ein Rasseln mindern soll. 2014 gab es zudem beim 1.2 TSI gelöste Schrauben des Nockenwellenverstellers – keine Kleinigkeit, denn diese können das Nockenwellenrad blockieren. Die Folgen sind fatal, im schlimmsten Fall wird ein Austauschmotor fällig. Bis auf gelegentliche Ruckeleien beim Kaltstart und Rasseln vom Wastegate des Turboladers sind die TSI-Motoren ansonsten insgesamt ziemlich unauffällig – Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel. Was den Verbrauch anbelangt, liegen zwischen 122/125 PS und 140/150 PS keine Welten. Bei Spritmonitor liegt der schwächere Motor bei etwa 6,4 Litern [5], die stärkere Ausführung bei rund 6,6 Litern [6].

Der 1.8 TSI mit 180 PS hatte in früheren Baujahren einen mitunter extremen Ölverbrauch. Durch andere Kolbenringe hat Volkswagen dieses Problem konzernweit reduziert, bevor der dritte Leon auf den Markt kam. Ein gelegentlicher Check des Ölstandes ist bei dieser Maschine trotzdem empfehlenswert. Der Vorsprung beim Temperament ist gegenüber dem 150-PS-TSI spür-, letztlich aber überschaubar, der Verbrauch dafür deutlich höher [7].

Welchen Benziner kaufen?

Das ist eine Frage des gewünschten Temperaments und Budgets. Ich fand den Dreizylinder im Kombi ausreichend, habe aber die Laufruhe des ähnlich starken 1.2 TSI mit 110 PS, den wir im VW Golf in der Redaktion hatten [8], etwas vermisst. Mit dem 150 PS-Motor ist man für meine Begriffe schon sehr flott unterwegs – und bei Bedarf auch recht sparsam, wie ein Testwagen im Sommer 2017 [9] zeigte. Der oft gewählte 1.4 TSI mit 122 oder 125 PS ist ein guter Kompromiss.

Die Dieselmotoren sind hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit ebenfalls fast bedenkenlos zu empfehlen. Der 1.6 TDI wurde bis Mai 2015 mit 90 und 105 PS angeboten, bis November 2016 waren es 110, danach 115 PS. Die Version mit 90 PS erschien vielen Interessenten wohl zu schwach – sie flog 2015 aus dem Programm und ist auf dem Gebrauchtwagenmarkt vergleichsweise selten zu finden. Sehr viel populärer ist der 2.0 TDI mit 150 PS, der sparsam und kräftig, allerdings nicht herausragend kultiviert ist. Der 2.0 TDI mit 184 PS fühlt sich in der Praxis nicht dramatisch flinker an. Bei ihm muss man zudem auf Risse im Kühler der Abgasrückführung achten. Ersatzteile und Tausch haben es, finanziell gesehen, in sich.

Späte Umstellung

Wie bei den Benzinern hat Seat mit der Umstellung auf die Abgasnorm Euro 6 bis fast zum Schluss gewartet: Erst ab Mitte 2015 bekamen die Leon-Diesel einen Speicherkat. Den wirksameren SCR-Kat gibt es erst seit 2018. Generell hat Seat sich stets viel Zeit gelassen, um möglichst spät auf neue Abgasnormen umzustellen. So geschehen auch im Sommer 2018, als es für die Benziner interessant wurde: Erst im Juni 2018 bekamen sie einen Partikelfilter, ohne den sie die für alle erstmals in der EU zugelassenen Autos verbindliche Abgasnorm Euro 6c [10] nicht schaffen.

Leidtragende sind die Kunden, denn die Diskussion um den Feinstaub-Ausstoß von Benzin-Direkteinspritzern wird absehbar mehr mediale Aufmerksamkeit bekommen. Wer sich für junge Gebrauchtwagen und Tageszulassungen interessiert, sollte auf das Erstzulassungsdatum achten. Auf dem Markt sind auffällig viele Fahrzeuge mit einer Erstzulassung im August 2018 – der Monat vor der Euro-6c-Pflicht [11].

Großbaustelle DQ200

Ein Kapitel für sich ist das Doppelkupplungsgetriebe DQ200 mit sieben Gängen und trockenen Kupplungen. Es verträgt bis zu 250 Nm und wird mit zahlreichen Motoren angeboten. Im Falle des 1.8 TSI verringerte Volkswagen sogar das Drehmoment von 320 (Version mit Schaltgetriebe) auf 250 Nm, um dieses Getriebe einbauen zu können. In unserem 2017er-Testwagen harmonierte es in jeglicher Hinsicht mit dem 150-PS-TSI. Doch Testwagen sind neu, nur die wenigsten haben mehr als 15.000 Kilometer runter.

Volkswagen hat lange am DQ200 festgehalten, obwohl es massenhaft Probleme gab. 2013 wurde das synthetische durch ein mineralisches Getriebeöl ersetzt. Das scheint geholfen zu haben, die Probleme sind seitdem zumindest etwas seltener. Doch vollkommen ausgeräumt sind sie nicht. Auch von Fahrern neuerer Fahrzeuge finden sich in Foren Klagen über ruppige Schaltvorgänge. Inzwischen gibt es im Konzern einen Nachfolger (DQ381), der seine Standfestigkeit erst noch unter Beweis stellen muss. Das DQ200 ist mit Abstand die größte Baustelle im dritten Leon, macht aber natürlich nicht in jedem Leon Probleme. Risikoscheue Menschen kaufen es trotzdem nur zusammen mit einer Garantie, die eventuelle Defekte tatsächlich abdeckt. Oder wählen ein Modell mit Schaltgetriebe.

Besser nass

Deutlich weniger Probleme macht das Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe DQ250 mit nassen Kupplungen, das beispielsweise zusammen mit dem 2.0 TDI eingebaut wurde. Allerdings ist hier all 60.000 Kilometer ein Ölwechsel im Getriebe fällig, der nicht ganz billig ist. Entsprechende Nachweise sollten vorliegen. Wird bei der Wartung geschlampt, kann es langfristig auch hier Probleme mit dem Getriebe geben.

Verglichen mit den Getriebe-Problemen sind die restlichen Macken Kleinkram. Ziemlich lästig waren die undichten Wartungsklappen in den Türen, von denen nur die ersten Baujahre betroffen waren. Bei starkem Regen konnte Wasser in den Fußraum laufen, inzwischen gibt es eine geänderte Ausführung. Feuchtigkeit im Fußraum des Beifahrers kann auch von einem falsch verlegten Ablauf der Klimaanlage kommen. Dann dringt Kondenswasser in den Innenraum – etliche Golf-7-Fahrer kennen das auch. Undicht wurden bei einigen Autos auch die Rückleuchten. Seat zeigte sich meistens, aber nicht immer kulant.

Die LED-Scheinwerfer fahren beim Einschalten einmal runter und danach in ihre richtige Position. Manchmal blieben sie hängen – ein Softwareupdate stellte das ab. Weitere potentielle Macken, die vor dem Kauf untersucht werden sollten: Klappergeräusche, Knacken vom Panoramadach und eine schwergängige Heckklappe. Dazu kommen natürlich, wir reden ja von einem recht modernen Auto, auch ein paar Software-Probleme. Nach knapp sechs Jahren Bauzeit sind die meisten Macken in dieser Richtung aber abgestellt.

Kleine Macken

Dazu gehört auch die Meldung “DSG defekt! Werkstatt aufsuchen!”. Ein bekanntes Problem, das durch den Tausch des Wählhebels beseitigt wird. Auch die Parksensoren, die sich ohne viel Druck nach innen schieben lassen, sind bei Seat bekannt und durch veränderte Teile gefixt.

Es gibt aktuell zwei Rückrufaktionen für den dritten Leon. Bei Fahrzeugen, die zwischen dem 19. September und 6. Oktober 2014 gebaut wurden, ist der Beifahrerairbag fehlerhaft. Bei Auslösung kann der Gasgenerator im Airbag unkontrolliert explodieren, zudem sind die Schweißnähte möglicherweise mangelhaft. Die Abarbeitung dieser Aktion ist im Werkstattsystem und im Serviceheft mit dem Code "69U8" belegt.

Ein zweiter Rückruf betrifft die zwischen Dezember 2015 und Januar 2016 gebauten Autos. Bei ihnen kann sich die Kindersicherung der hinteren Türen selbst lösen. Hier sollte der Code "58D1" im Serviceheft und als Aufkleber hinten im Bereich des Bordwerkzeugs zu finden sein.

Bei der Hauptuntersuchung zeichnen sich noch keine ganz großen Probleme ab. Auffällig ist, dass die Prüfer schon bei der ersten Untersuchung die „Beleuchtungseinrichtungen vorn“ – also auch Blinker und Nebelscheinwerfer – mit 1,9 Prozent etwas häufiger also normal beanstanden.

Immer beachten

Dazu kommen die bei jedem Gebrauchtwagen empfehlenswerten Checks. Reifen, Bremsen, Auspuff und Spaltmaße sollten ohne Beanstandung sein – oder sich im Preis widerspiegeln. Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Leon zeigt in keinem dieser Bereiche besondere Auffälligkeiten, die Abarbeitung dieser kleinen Liste sollte bei jedem Gebrauchtwagenkauf [12] dazugehören. Auch eine komplette und lückenlose Wartungs- und Reparaturhistorie sollte vorhanden sein, zusammen mit einer Bescheinigung über die jüngste Hauptuntersuchung.

Aktuelle Lage

Inzwischen gibt es ein breites Angebot an gebrauchten Seat Leon der aktuellen Generation. Das Ende 2016 vorgestellte Facelift brachte neue, etwas umständlich zu bedienende Infotainmentsysteme und eine bessere Geräuschdämmung. Wer keine gehobenen Ansprüche an die Ausstattung stellt, bekommt für unter 9000 Euro einen frühen Leon, der noch keine 100.000 Kilometer runter hat. Für einen 125 PS-Benziner mit maximal 60.000 km, Klimaautomatik, LED-Scheinwerfern und Navigationssystem müssen derzeit ab etwa 13.500 Euro eingeplant werden. Ein gutes Angebot? Nein.

Bei den Reimport-Händlern stehen neue, zum Teil gut ausgestattete Leons mit 125 oder 130 PS, Klimaautomatik, LED-Scheinwerfer und Tageszulassung, die ab etwa 18.000 Euro kosten und fünf Jahre Garantie mitbringen. Dafür lässt sich vielleicht nicht jeder Ausstattungswunsch erfüllen, doch der vergleichsweise geringe Mehrpreis gegenüber einem vier oder fünf Jahre alten Gebrauchtwagen erscheint eine gründliche Überlegung wert. Diese Zusatzinvestition wird man mit einiger Wahrscheinlichkeit beim Weiterverkauf zumindest teilweise wiedersehen. Dazu verspricht ein Neuwagen eine maximale Entfernung von Verschleißreparaturen.

Überlegenswert: Neu

Die Preise für Neuwagen und Tageszulassungen werden durch die neue Abgasnorm und den absehbaren Modellwechsel weiter unter Druck geraten. Und so endet diese Gebrauchtwagenberatung mit dem an dieser Stelle ungewöhnlichen Tipp, im Falle des Falles über einen neuen Leon nachzudenken. Damit umgeht man dann auch die Diskussion darüber, welche Abgasnorm das neue Auto erfüllt. Denn besser wird in dieser Hinsicht erst der Nachfolger, mit dem binnen Jahresfrist zu rechnen ist. Auch das ist ein Grund, warum das aktuelle Modell so günstig angeboten wird.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-Skoda-Octavia-RS-3878107.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-VW-Golf-1-5-TSI-ACT-3751530.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Klartext-Hart-ist-schnell-3083170.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Seat-Leon-ST-1-0-TSI-im-Test-Alternativprogramm-3049577.html
[5] https://www.spritmonitor.de/de/uebersicht/44-Seat/392-Leon.html?fueltype=2&constyear_s=2013&constyear_e=2019&power_s=120&power_e=135&powerunit=2
[6] https://www.spritmonitor.de/de/uebersicht/44-Seat/392-Leon.html?fueltype=2&constyear_s=2013&constyear_e=2019&power_s=138&power_e=155&powerunit=2
[7] https://www.spritmonitor.de/de/uebersicht/44-Seat/392-Leon.html?fueltype=2&constyear_s=2013&constyear_e=2019&power_s=178&power_e=188&powerunit=2
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/VW-Golf-1-2-TSI-mit-110-PS-im-Fahrbericht-Befoerderungsmitte-2514473.html
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Seat-Leon-1-4-TSI-ACT-Xcellence-3704036.html
[10] https://www.heise.de/autos/artikel/Abgasnormen-im-Ueberblick-4060878.html
[11] https://www.heise.de/autos/artikel/Einfuehrung-von-WLTP-und-Euro-6c-4152569.html
[12] https://www.heise.de/autos/artikel/Ratgeber-Low-Budget-Gebrauchtwagen-3793373.html