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Kommt jetzt die Kaufprämie für Elektroautos?

Fördern statt verhindern

News Christoph M. Schwarzer
Elektroautos

Die Anzeichen verdichten sich, dass 2015 das Jahr ist, in dem sich der Fördersack über den Elektroautokäufern öffnet. Die Politik muss sich positionieren, und es ist wahrscheinlich, dass sie das spätestens zum nächsten Gipfel der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) im Mai tut

Hamburg, 17. Dezember 2014 – Bargeld lacht. Das sagten sich gut 1,7 Millionen private Autokäufer, als die Bundesregierung 2009 die Umweltprämie auslobte, die vom Volksmund sofort in Abwrackprämie umgetauft wurde. Wer ein Altfahrzeug verschrottete und einen Neuwagen erwarb, bekam pauschal 2.500 Euro. Den Nörglern und Neidern zum Trotz war die 5-Milliarden-Aktion ein Beweis für die Empfänglichkeit der Menschen bei direkten Geldanreizen [1]. Jetzt könnte es wieder so weit sein: Die Anzeichen verdichten sich, dass 2015 das Jahr ist, in dem sich der Fördersack über den Elektroautokäufern öffnet.

Das symbolische Ziel macht nachdenklich

Die Situation: Von Januar bis inklusive November wurden 7518 Autos mit Elektroantrieb neu zugelassen. Das entspricht einem Plus von satten 34,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, aber zugleich einem Marktanteil von weniger als 0,3 Prozent. Der Gesamtbestand liegt unter 30.000 Exemplaren. Das wäre für sich genommen kein Problem, wenn es nicht das symbolische Ziel von einer Million Elektroautos für das Jahr 2020 gäbe. Wir leben nicht in einer Planwirtschaft, und insofern ist die Nicht-Erfüllung oder Über-Erfüllung eines Plans kein besonderer Wert. Aber es wäre ein Armutszeugnis für den Wirtschaftsstandort Deutschland, wenn das aktuell niedrige Zuwachstempo anhält und zum Beispiel am Ende des Jahrzehnts weniger als 200.000 Fahrzeuge durch die Republik stromern.

Das sieht auch die Autoindustrie so, die nach Auskunft von Berliner Fachkreisen verstärkt Druck auf die Politik ausübt. Die bisher veröffentlichten Ideen und Forderungen richten sich vor allem an gewerbliche Kunden. So sprach sich Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), jüngst für eine Sonderabschreibung [2] von 50 Prozent der Kosten im ersten Jahr aus. Eine Maßnahme, die ähnlich wie die 1-Prozentregelung für elektrische Dienstwagen die Privatkunden außen vor lässt.

Einer, der sich aus der Deckung wagt und direkte Kaufprämien für alle fordert, ist Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). 5000 Euro auf die Hand könnten der „Gefahr, dass deutsche Hersteller und Zulieferer auf einem Zukunftsfeld den Anschluss verlieren“, erfolgreich begegnen. Wenn in drei Jahren 50.000 Fahrzeuge von Privatkäufer abgenommen würden, müsste der Staat dafür 250 Millionen Euro investieren. „Das ist die Sache wert“, so Lies.

Deutschlands E-Autos haben eine kräftige Lobby

Ganz altruistisch dürfte die Äußerung des Politikers allerdings nicht sein – das Land Niedersachsen ist mit gut 20 Prozent Teilhaber an Volkswagen. Und Volkswagen ist mit dem e-Golf [3], dem e-Up [4] und dem Golf GTE [5] sowie dem kommenden Passat GTE [6] Leitanbieter. Überhaupt gehört es zu den viel zitierten Märchen, die deutsche Autoindustrie würde den Trend zur Elektromobilität verschlafen.

Ja, es ist bedauerlich, dass weder das faszinierende Tesla Model S [7] noch der fröhliche Renault Twizy [8] ein heimisches Markenlogo tragen. Direkte Wettbewerber für diese Modelle gibt es nicht. Dennoch ist das Angebot im genannten Volkswagen-Konzern inklusive Audi A3 e-tron [9] und Porsche Cayenne S E-Hybrid [10], bei Daimler mit dem Topseller Smart ed [11] sowie der Mercedes B-Klasse ed [12] und last but not least mit den BMW-Modellen i3 [13] und i8 [14] bei Batterie-Elektrischen und Plug-In-Hybriden breiter als aus anderen Autonationen. Dieses Engagement wollen die Akteure [15] verständlicherweise gerade im Heimatmarkt nicht als Misserfolg verbuchen müssen.

Und das ist auch das stärkste Indiz dafür, dass es bald zu einer Sofortzahlung kommen könnte. Die wäre nicht zwangsläufig durch Schulden finanziert, wie die Abwrackprämie gezeigt hat. Die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer, die Privatkäufer anders als gewerbliche Kunden in voller Höhe zahlen, würde etwa im Fall eines e-Golf ungefähr den vom niedersächsischen Wirtschaftsminister genannten 5000 Euro entsprechen.

Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbands eMobilität e.V., plädiert gegen eine Pauschale und analog zum norwegischen Modell für einen Erlass der Mehrwertsteuer beim Kauf eines Elektroautos: „Mir sind die Privatkunden besonders wichtig. Es gibt Hunderttausende von Pendlern, für die Batterie-elektrische Autos prädestiniert sind“, argumentiert Sigl ein einem Gespräch mit heise Autos. Für die sei der Preis das wichtigste Kaufhindernis. Wenn ein Volkswagen e-Up die 20.000 Euro-Schwelle unterschreiten würde, wäre das ein gutes psychologisches Signal.

Die Politik wird sich wohl bald positionieren

„Darüber hinaus sollten wir weniger Steuergeld in Forschung und Entwicklung stecken – das machen die Firmen selbst – und darauf achten, dass die öffentliche Hand ihren Fuhrpark umstellt.“ Sigl ist grundsätzlich unzufrieden mit der aktuellen Förderpolitik, ihm fehlt ein simpler, pragmatischer Ansatz wie etwa der Erlass der Mehrwertsteuer.

Dass dieses Modell dazu führen würde, dass die Käufer besonders hochpreisiger Fahrzeuge in den Genuss der höchsten Anreizsumme kommen würden, nimmt Sigl in Kauf: „Ähnlich wie bei der Abwrackprämie würden viele Leute darüber hinwegsehen, wenn sie selbst profitieren könnten.“

Die Politik muss sich also positionieren, und es ist wahrscheinlich, dass sie das spätestens zum nächsten Gipfel der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) im Mai tut. Und sollte dabei der Eindruck eines verdeckten Protektionismus entstehen – den praktizieren alle Staaten mit eigener Autoindustrie von Japan über die USA bis Frankreich, und es gibt für Deutschland keinen Grund, darauf zu verzichten. Letztlich ist nur eins wichtig: Dass sich ein entschlossener Wille zeigt, wie man die Energiewende beim Pkw aktiv gestalten will.


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[2] http://www.wiwo.de/unternehmen/auto/vda-praesident-wissmann-fordert-50-prozent-abschreibung-fuer-e-autos-im-ersten-jahr/11112170.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Ausfahrt-im-VW-e-Golf-Geladener-Bestseller-2293958.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Wie-faehrt-der-elektrische-VW-Up-1915523.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-VW-Golf-GTE-Sparspass-2323199.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/VW-Passat-GTE-Plug-in-Hybrid-kommt-im-naechsten-Jahr-2404881.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Der-Stromschnellste-2063319.html
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Der-Renault-Twizy-in-der-Praxis-1753792.html
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/Multimodal-2238435.html
[10] https://www.heise.de/autos/artikel/Frisst-nun-auch-Dosenfutter-2267198.html
[11] https://www.heise.de/autos/artikel/Selbstverwirklichung-So-faehrt-sich-der-Smart-ed-1618486.html
[12] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Mercedes-B-Klasse-electric-drive-2184334.html
[13] https://www.heise.de/autos/artikel/Born-Expensive-2183897.html
[14] https://www.heise.de/autos/artikel/Unterwegs-im-BMW-i8-2402372.html
[15] https://www.heise.de/autos/artikel/Zetsche-Eine-Million-E-Autos-bis-2020-nur-mit-Subvention-2499216.html