Signatur-Schlamassel

Der Rückzug der Deutschen Post aus dem Geschäft mit digitalen Signaturen hat die Misere rund um die vermeintliche ‘Schlüsseltechnologie’ des elektronischen Geschäftsverkehrs offenbart. In einer Podiumsdiskussion auf der Internet World schoben sich Vertreter der Wirtschaft und der Regierung gegenseitig die Schuld dafür in die Schuhe.

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‘Die Lokomotivfunktion des Staates muss gegeben sein’, sagte Stefan Engel-Flechsig, Chef der Signaturinitiative fürs mobile Netz Radicchio. Hubertus Soquat, Referent für Informationstechnologie im Bundeswirtschaftsministerium, verwahrte sich dagegen, dass ‘die Leute nur auf die Bundesregierung schauen’ und von ihr sogar Vorgaben für Geschäftsmodelle erwarteten. ‘Sie, die Unternehmen, sind für den Business-Case zuständig’, rief der Sicherheitsexperte den Firmenabgesandten ins Gedächtnis. Inzwischen sei der Markt kaum noch in Schwung zu bekommen: ‘Es läuft nicht.’

Enttäuscht zeigte sich Soquat von den Großbanken, die eine Vorreiterrolle bei der Anwendung von E-Signaturen spielen könnten. ‘Wir haben mit ihnen gesprochen’, erklärte der Regierungsvertreter. Aber es sei keiner bereit gewesen, die Sache in die Hand zu nehmen. Die gestarteten Pilotprojekte von Häusern wie der Deutschen Bank oder der HypoVereinsbank mit wenigen Tausend Kunden bezeichnete Soquat als ‘Scheingeschäft’, das nicht den ‘großen Roll-out’ bringe. Der Staat könne nur Rahmenbedingungen setzen, was mit dem Signaturgesetz bereits 1997 begonnen worden sei. Selbst das Testumfeld für die laufenden Standardisierungsprozesse gehe auf das Konto der Steuerzahler. Der ‘staatliche Moloch’ könne nicht auch noch die eigentlichen Sicherheitsinfrastrukturen in Internet-Geschwindigkeit aufbauen.

Wirtschaftsvertreter Engel-Flechsig, der vor Jahren selbst an der Entstehung des deutschen Signaturgesetzes beteiligt war, fand ein Bild aus der Eisenbahn-Welt: ‘Unsere Lokomotiven rosten ein wenig, uns geht im wahrsten Sinne des Wortes die Kohle aus.’ Die von der Regierung gelegten Gleise führten bald ins Nirwana. Die öffentliche Hand solle daher etwa eine Bürgerkarte mit aufgespielter Signatur fördern. Nach Angaben der Bundesdruckerei werden solche Projekte bereits angegangen. Ihr Tochterunternehmen D-Trust konzentriere sich auf den Bereich E-Government.

Als Grundvoraussetzung für die Akzeptanz der Signaturkarten bei den Bürgern bezeichnete Hanno Sponhol von MoTechno.com den finanziellen Mehrwert für den Endverbraucher. Die Kostenersparnis, die Behörden oder Banken durch das Internet hätten, ‘sollten zumindest zum Teil an den Nutzer weitergegeben werden.’ Vorstellbar sei etwa, dass bei der Online-Steuererklärung eine Gutschrift von 50 Euro erfolge. Andernfalls drohe die digitale Signatur ‘ein ähnlicher Flop wie die GeldKarte’ zu werden.

Engel-Flechsig hat sich aber auch etwas Hoffnung bewahrt: Er vertraut auf die baldige Erweiterung der SIM-Karten um Signaturfähigkeiten, dank deren das Handy zum Hauptbestandteil der Verschlüsselungsinfrastrukturen werden soll. (ad) (ad)