Die Musikwelt trauert um die Opfer von Paris

Die Eagles of Death Metal haben das Massaker im Bataclan überlebt. Bands wie U2, Foo Fighters und Motörhead sagen Konzerte ab.

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Die Musikwelt trauert um die Opfer von Paris

(Bild: Eagles of Death Metal)

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Eigentlich sollte es ein Konzert der "coolsten Rockband des Planeten" werden, so der offizielle Text der Tourveranstalters. Die Eagles of Death Metal, sie spielen keinen Death Metal sondern wilden Alternative-Rock, traten am Freitag vor 1500 Fans im ausverkauften Pariser Club Bataclan auf, als um 21:40 Uhr vier Terroristen die Halle stürmten, mit Maschinengewehren in die Menge schossen und drei von ihnen sich bei der späteren Stürmung um Mitternacht durch die Polizei schließlich in die Luft sprengten. Allein drei Viertel (aktuelle Meldungen sprechen von 89) der 129 Toten von Paris starben bei diesem Konzert, weitere hundert schweben noch in Lebensgefahr.

Zu den Anschlägen in Paris

Die Zeitung "Le Monde" veröffentlicht ein Video, auf dem zu sehen ist, wie Menschen aus einem Notausgang flüchten, während Schüsse fallen. Mehrere Opfer liegen regungslos am Boden, andere hangeln sich aus Fenstern. Mehrere Angreifer sprengen sich später selbst in die Luft. "Mitten im Konzert sind Männer reingekommen, sie haben im Bereich des Eingangs zu schießen begonnen", sagt Konzertbesucher Louis dem Sender France Info. Sie hätten in die Menge geschossen und dabei "Allahu akbar" gerufen – "Allah ist groß".

Der Journalist Julien Pearce vom Radiosender Europe 1, der selbst im Saal war, berichtet: "Es waren zwei oder drei Leute, die nicht maskiert waren. Sie hatten Maschinengewehre wie Kalaschnikows dabei und haben sofort angefangen, wild um sich zu schießen." Er fügt an: "Das hat 10, 15 Minuten gedauert. Das war von extremer Gewalt. Es gab Panik. Alle sind Richtung Bühne gerannt. Die Attentäter hatten Zeit, mindestens drei Mal nachzuladen. Sie waren nicht maskiert. Sie traten sehr beherrscht auf. Sie waren sehr jung."

Einem kurzen Posting auf ihrer Facebookseite zufolge überlebte die Band unverletzt. Ob unter den Opfern jedoch Mitglieder der Tour-Crew sind, ist derzeit unbekannt. Um ihr neues Album "Zipper Down" vorzustellen, wollten die Eagles of Death Metal in der kommenden Woche eigentlich auch drei Konzerte in Deutschland geben. Für den Termin am 17. November in Köln wurde der Kartenverkauf bereits ausgesetzt. Ob die Konzerte in München und Bremen stattfinden, konnte uns der Tourneeveranstalter Marek Lieberberg noch nicht mitteilen. Auf YouTube zeigt der Mitschnitt eines früheren Auftritts die Eagles of Death Metal mit ihrem Cover "Save a Prayer" von Duran Duran, das sie auch am Freitag im Bataclan spielten – just danach fielen die Schüsse, wie ein von Spiegel online veröffentlichtes Handy-Video aus dem Bataclan zeigt.

Die Musikwelt reagiert geschockt. Als einer der ersten meldete sich Ex-Dead Kennedys-Frontman Jello Biafra, um sein Beileid auszudrücken und seine Unterstützung anzubieten. Die irische Rockband U2 verschob die für den gestrigen Samstag und heutigen Sonntag geplanten Konzerte auf unbestimmte Zeit. "Wir sind angesichts der Todesfälle auf dem Konzert der Eagles of Death Metal am Boden zerstört und unsere Gedanken und Gebete sind bei der Band und ihren Fans." schreiben Sie auf ihrer Webseite.

Ebenso sagte die britische Hardrock-Band Motörhead ihr für heute geplantes Pariskonzert ab. "Wegen der schlimmen Situation, die unsere Brüder und Schwestern in Paris momentan durchleben, müssen wir unseren Gig auf Januar verschieben", schrieben die Musiker auf ihrer Facebook-Seite.

Die US-Band Foo Fighters brach nach den Anschlägen sogar ihre gesamte Europa-Tournee ab. "Im Lichte dieser sinnlosen Gewalt, der Schließung von Grenzen, der internationalen Trauer, können wir jetzt nicht weitermachen", schreiben sie in einer Erklärung.

Auch die kanadische Rockband The Easton Ellises, mit der das Computermagazin c't in diesem Jahr seinen Remix-Wettbewerb veranstaltete, zeigte sich schwer geschockt: "Ist alles vergeben? Die neuen jüngsten Grausamkeiten in Paris berühren mich tief. Mein Geist ist derangiert. Es ist traurig und unbegreiflich. Es greift meinen Glauben an die Menschheit an. Die Erde ist krank. Sie hat Krebs. Aber der Mensch ist die Stammzelle.", schreibt uns der Band-Manager Udo Blenkhorn auf Französisch. "Ich bleibe ein ewiger Optimist. Wenn ich meine Kinder sehe, bleibe ich hoffnungsvoll. Das Gute wird am Ende immer triumphieren." Der Frontsänger Alexandre Dionne ergänzt: "Unsere Gedanken sind bei unseren französischen Cousins. Bleibt stark! Wir beten für Euch. Freiheit. Gleichheit. Brüderlichkeit."

Die Anschlagserie platzte am Freitag in die Veröffentlichung des neuen Remix-Albums, auf denen Leser des Computermagazins c't zwei Creative-Commons-Songs der Band für einen Wettbewerb remixed haben und das wir an dieser Stelle mit dem neuen Mastering und den frei verfügbaren Stems-Dateien genauer vorstellen wollten. Alle Informationen und Downloads dazu finden Sie auf der Wettbewerbsseite www.ct.de/remix und in der aktuellen c't 25/15, S. 174ff.

Update 12:55: Laut dpa will das Management der Eagles of Death Metal am Montag über den weiteren Tourverlauf entscheiden. "Es ist der Band zu überlassen, ob sie diese Konzerte spielen will", sagte Marek Lieberberg der Deutschen Presse-Agentur. Einige Crewmitglieder der Band gelten demnach immer noch als vermisst. "Man muss befürchten, dass sie leider Opfer dieser verabscheuungswürdigen Angriffe geworden sind." Lieberberg hält es für möglich, dass die Terroristen das Pariser Konzert ausgesucht hatten, weil die Band vor kurzem in Israel aufgetreten sei und sich dabei auch gegen Boykottaufrufe wehrte.

Der Konzertveranstalter sieht nun Sicherheitsbehörden und Gesellschaft gefordert. "Wir haben ausreichende Sicherheitsvorkehrungen in einer normalen Situation. Für eine terroristische Situation ist keiner von uns gewappnet, und zwar in keinem Bereich des öffentlichen Lebens", sagte Lieberberg. "Wir können uns nicht mit bloßen Händen oder Metalldetektoren gegen Kalaschnikows oder Bomben zur Wehr setzen." Sollte es Hinweise geben, dass ein Konzert gefährdet sei, müsse die Polizei für ausreichend Schutz sorgen. "Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass sich ein Ordner einem islamistischen Terroristen entgegenstellt, der mit einer feuernden Kalaschnikow auf ihn zurennt. Das ist doch verrückt", sagte Lieberberg. Nach der jüngsten Terrorwelle in Paris Konzerte abzusagen, hält Lieberberg für den falschen Weg. Am Abend der Anschläge in den USA vom 11. September 2001 habe er zusammen mit Depeche Mode entschieden, ein Konzert stattfinden zu lassen. "Das war ein sehr trauriger Abend. Auf der anderen Seite hat es demonstriert, dass wir uns die Freiheit, die unser Leben auszeichnet, nicht nehmen lassen."

Update 14:45: Nach dem Terroranschlag auf ihr Pariser Konzert hat die Band Eagles of Death Metal ihre Auftritte in Deutschland abgesagt. "Die Konzerte fallen ersatzlos aus", teilte eine Sprecherin von Marek Lieberberg, dem deutschen Konzertveranstalter der Band, am Sonntag in Frankfurt mit. Die Band hatte in den nächsten Tagen in Köln (17.11.), München (19.11.) und Bremen (22.11.) spielen sollen. Tickets werden nach Angaben des Veranstalters an den jeweiligen Vorverkaufsstellen zurückerstattet.

Update 14:56: Spiegel online hat ein Handy-Video mit Aufnahmen aus dem Bataclan veröffentlicht.

Update 17:53: Trotz des Massakers im Pariser Bataclan sieht einer der Leiter der bekannten Konzerthalle eine Perspektive für den Musikclub. "Das Bataclan wird wieder öffnen", sagte Dominique Revert am Sonntag in einem Interview des TV-Senders Canal+. "Es wäre eine Kapitulation, würden wir das nicht tun", zitierte der Fernsehsender BMFTV weiter aus dem Interview. Die Halle werde aber in den kommenden Monaten, vielleicht auch Jahren, ein bedrückender Ort bleiben.

(mit Material von dpa) / (hag)